Dissertationsschrift

"Ce passetemps de vénerie, vous l'avez rendu perfaict et acompli". Die Jagd im Herrschaftshandeln und im höfischen Sozialgefüge im Frankreich der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

(Abschluss des Promotionsvorhabens Juli 2017)

Zusammenfassung

Gegenstand meiner Studie ist die Jagd als Herrschaftstool und höfisches Professionalisierungsfeld in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der zeitliche Zuschnitt entspricht grob der Herrschaft von Franz I. (1515-1547), ein Fürst, dessen forstlicher Regelungsaktivismus und dessen Einwirken auf das höfische Jagdmilieu in der posthumen Benennung als 'père des veneurs' (Du Fouilloux, 1561) zum Ausdruck kam. Im Mittelpunkt steht die sogenannte vénerie, die Hatz mit speziell abgerichteten Laufhunden (chiens courants), die seit ca. 1500 den Kult der Beizjagd am französischen Hof abgelöst hatte. Diese raumgreifende Jagdform entfaltete sich nicht nur in mehr oder minder kollektiv bindenden, obrigkeitlichen Interventionen (Forstordnungen) und Raumkontrolle (Einrichtung spezialisierter Forstgerichte und Umgrenzung sogenannter capitaineries - exklusiv königlicher Jagdforste), sondern auch als 'Beruf' bei Hofe und konsensuelles Austauschformat zwischen Höfen und Aristokraten unterschiedlicher Qualitäten. In mehreren Analyseschritten (Forstordnung, Ämterhierarchie der hohen und subalternen Bediensteten der Hofjägereien, Jagdrealitäten nach Anlässen - ergo Festformat, Diplomatie, private Jagd des Fürsten -, Verflechtung durch Jagd anhand der französisch-lothringischen Beziehungen) wird gezeigt, unter welchen Bedingungen Jagd zum politicum und Ressource von Gunst werden konnte, aber auch, wo die Jagd als Herrschaftslegitimierung an ihre Grenzen stieß (Herrschaftspropaganda). Übrig bleibt eine spezifisch französische Wissensbastion, deren Werteverständnis Gaston Fébus im späten 14. Jahrhundert bereits umfänglich im Lehrbuch Livre de la chasse ausgebreitet hatte: das Pflichtbewusstsein, das in der doctrine Fébus hochgehalten wurde, war entscheidend in das gesamtadelige Selbstverständnis diffundiert. Eine Erkenntnis sei vorweggenommen: in der Herrschaftsrhetorik symbolisierte die im Grunde ja kampfesaffine vénerie überraschenderweise weniger genuine Bellizität, denn spezifisch französisches Könnertum (der Herrscher als Hundekenner und Experte), das bildlich und textlich kaum als Herrschaftsargument nach außen getragen wurde. Jagd entschied sich letztlich im Tun. Der seit dem späteren Mittelalter hochgehaltene Wertekatalog des 'fermen Jägers' hatte, zumindest im Zeitenübergang, keine erkennbare institutionelle Verbindlichkeit. Weder wurde die Wissensweitergabe standardisiert, noch gab es formalisierte Organisationsformen oder Auszeichnungen. Das womöglich familiäre Moment des Wissenstransfers unterscheidet Jagd in der Retrospektive u.a. von den anderen genuin adeligen Ausbildungsformaten.

Material

Wissensgeschichte des späteren Mittelalters und der Renaissance: didaktische Jagdtraktate (Henri de Ferrière [1375], Le Livre du Roy Modus; Gaston Fébus [1389], Livre de la chasse; Jacques du Fouilloux [1561], La vénerie)

Quellen der Praxis und der Institution: Forstordnungen, Hofhaltungsschriftgut (maisons royales), Korrespondenzen ausländischer Gesandter, Korrespondenzen Hochadeliger

Quellen der Herrschaftspropaganda: Guillaume Budé, Traitté de la vénerie (1529); François Demoulins, Commentaires de la guerre gallique (1519/20)