Tagung: Off the Beaten Track
Off the Beaten Track - Ländliche Räume zwischen touristischer Aufwertung und Marginalisierung
Gemeinsame Tagung der Arbeitskreise „Ländliche Räume“ und „Tourismusforschung“ in der Deutschen Gesellschaft für Geographie
27. – 29. Mai 2026, Universität Trier
Es ist nicht ohne Ironie, zu einer Tagung zum Thema „Off the Beaten Track“ nach Trier einzuladen – einer touristisch bekannten Stadt in einer ansonsten sehr ländlichen Region, die in der Mitte Europas und dennoch am Rande Deutschlands liegt. Diese zentrale und zugleich periphere Lage wollen wir im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Arbeitskreise „Ländliche Räume“ und „Tourismusforschung“ zum Anlass nehmen, um über die touristische Inwertsetzung von ländlichen Räumen ebenso zu sprechen wie über Prozesse der Peripherisierung.
Räume und Orte werden permanent gesellschaftlich bewertet, entwertet und neu in Wert gesetzt. Dies zeigt sich im Tourismus und in der ländlichen Entwicklung an verschiedenen sich überschneidenden Phänomenen: Beispielsweise werden Orte durch Investitionen in touristische Infrastrukturen, symbolische Inszenierungen oder Marketing, aber auch durch touristische Praxen zu einer Attraktion gemacht. Andere Räume, die vermeintlich weniger Attraktionen zu bieten haben, erscheinen dagegen benachteiligt. Ländliche Räume sind zudem oft gekennzeichnet durch eine im Vergleich zu Städten geringere Dichte an Infrastrukturen und gelten nicht selten als peripher oder ‚abgehängt‘. Zugleich haben sie eine große Bedeutung für Nahrungsmittelproduktion, Energiewende, Anpassung an den Klimawandel, Naherholung und Tourismus und waren historisch auch Reservoirs von Arbeitskräften für Großstädte. Ländliche Räume sind also entscheidend für Kapitalakkumulation und die wirtschaftliche Entwicklung von Großstädten und Ballungszentren, wobei die ländliche Bevölkerung nicht unbedingt von solchen selektiven und oft extraktivistischen Prozessen profitiert.
Häufig wird der Tourismus als Entwicklungsstrategie für ‚benachteiligte‘ und insbesondere auch ländliche Räume gesehen. Aus touristischer Perspektive können Abgeschiedenheit, geringe wirtschaftliche Erschließung, Naturnähe und weniger gute verkehrliche Anbindung peripherer Räume in Form ‚romantischer‘ Imagination zur Attraktion gemacht und touristisch in Wert gesetzt werden. Diese Inwertsetzung kann Investitionen in andere Wirtschaftszweige nach sich ziehen und genau dies ist oft das explizite Ziel ländlicher Placemaking-Strategien. In der Folge führt diese touristische Valorisierung jedoch nicht automatisch zu lokalen Wohlstandsgewinnen und öfter zu Leakages, also dem Abfluss von erwirtschaftetem Kapital in die Zentren. Andererseits sind manche Regionen (z.B. Inseln oder entlegene Gebirgsregionen) überzeugt, dass der Tourismus für sie die einzige verbliebene Entwicklungsmöglichkeit darstelle.
Diese Phänomene sind begleitet von komplexen Prozessen der kulturellen und sozialen Aushandlungen und Transformation, die sich nicht selten antagonistisch artikulieren. So können einerseits Wahlergebnisse immer stärker divergieren, lokalisierte Selbst- und Fremdzuschreibungen sich in identitären oder kulturellen Kämpfen verhärten oder sich ländliche Regionen bewusst gegen die großstädtischen Zentren, in denen vermeintlich alle wichtigen politischen Entscheidungen getroffen werden, positionieren. Andererseits bieten sich durch die Dynamiken der Umwertung auch Möglichkeiten zur Überwindung solcher Differenzen, zum Beispiel wenn sich in ländlichen Räumen durch Momente der touristischen Aufwertung veränderte Perspektiven auf Zugehörigkeit oder neue Orte des politischen Zusammenkommens eröffnen.
Mit der Tagung wollen wir dieses breite Spannungsverhältnis von Attraktion und Inwertsetzung von Räumen einerseits und räumlicher Marginalisierung andererseits diskutieren. Wir laden dazu ein, über die Produktion und Konstruktion von Räumen in dieser Widersprüchlichkeit aus negativen und positiven Zuschreibungen aus touristischer Perspektive und der Ländliche-Räume-Forschung nachzudenken.
Wir freuen uns über Beiträge, die:
- die Widersprüche aus Inwertsetzung und Marginalisierung von touristischen und/oder ländlichen Räumen reflektieren;
- diskutieren, wie Attraktionen mit Hilfe von privatwirtschaftlichen und staatlichen Investitionen, Destination-Management-Organisationen, Marketing und Werbung produziert bzw. konstruiert werden;
- sich mit den materiellen und symbolischen Praxen von lokalen Akteur:innen und Tourist:innen sowohl in Hinblick auf die Schaffung von Tourismusorten als auch der Produktion lebenswerter ländlicher Räume auseinandersetzen;
- empirisch die Ursachen und Folgen von positiven wie negativen Zuschreibungen zu ländlichen Räumen (auch durch Tourismus) untersuchen;
- über die Rolle von Wissenschaft in der Inwertsetzung und der Marginalisierung von ländlichen Räumen und touristischen Destinationen reflektieren; die materiellen Grundlagen räumlicher Peripherisierungs- und Inwertsetzungsprozesse (z.B. durch Infrastrukturen, Energie-, Wasser- und Landwirtschaft) kritisch diskutieren.
Wir freuen uns über konzeptionelle Beiträge ebenso wie über methodisch orientierte und/oder empirische Analysen.
Wir laden zur Einreichung von einzelnen Vorträgen, aber auch ganzen Fachsitzungen ein. Wir begrüßen auch verwandte Beiträge aus der Tourismus- und Ländliche-Räume-Forschung, zum Beispiel zu Prozessen der Touristifizierung und Marginalisierung in großstädtischen Kontexten.
Wir bitten um die Einreichung von Beitragsvorschlägen von max. 300 Wörtern bis zum 15.01.2026 an tourismusgeouni-trierde.
Fabian Frenzel, Robin Marlow, Michael Mießner, Nora Müller und Januschka Schmidt
Aufruf zu einer Ad-hoc-Session
CfP Subsession„Wer will da noch hin?“ Ländliche Räume, Tourismus und die extreme Rechte"
Call for Papers für eine Ad-hoc-Session auf der Tagung „Off the Beaten Track - Ländliche Räume zwischen touristischer Aufwertung und Marginalisierung" der Arbeitskreise „Ländliche Räume“ und „Tourismusforschung“ in der Deutschen Gesellschaft für Geographie, 27.-29. Mai 2026 in Trier.
Wir freuen uns über Abstracts von maximal 300 Wörtern zu diesen oder weiteren Fragen. Die Abstracts sind bis zum 10. Januar 2026 an andreas.kallertkude zu senden.
Bernd Belina (Frankfurt am Main), Andreas Kallert (Eichstätt) und Matthias Naumann (Würzburg)
