Formale Bildung und Wohnungslosigkeit

Es ist vielfach empirisch belegt, wie maßgeblich formale Bildung für die gesellschaftliche Teilhabe und die Zukunftschancen junger Menschen ist. Wohnungslose junge Menschen weisen – neben weiteren Dimensionen sozialer Exklusion – im Vergleich zu ihren Gleichaltrigen geringere Schulleistungen und niedrigere Bildungsabschlüsse auf.

Betrachtet man ihre Wege die Wohnungslosigkeit, wird ein Erfahren multiperspektivischer Exklusion aus Familie, Schule und Jugendhilfe augenfällig. Hier zeigt sich, dass nach der sukzessiven Abwendung von Familie, Jugendhilfe und Schule die Straße(nszene) zur wesentlichen oder einzigen Sozialisationsinstanz wird. Mit zunehmender Dauer auf der Straße wird es für die jungen Menschen immer schwieriger, sich konventionelle Lebensentwürfe, gekennzeichnet durch die üblichen Strukturgeber der Biografie wie Familie, Schule, Ausbildung oder Erwerbsarbeit, anzueignen. Denn erstens entwickeln die jungen Wohnungslosen durch die akkumulierten Sozial- und Milieuerfahrungen massives Misstrauen in Fachkräfte, Lehrer*innen, Institutionen sowie deren Repräsentant*innen und zweitens übernehmen sie auf der Straße riskante Kompensations- und Überlebensstrategien, die ihre gesellschaftliche Exklusion weiter zementieren. Somit liegt es nahe, den Fokus auf frühe Interventionen und Präventionen zu legen, die in formaler Bildung liegen könnten.

Dies aufgreifend zielt das Projekt auf folgende Untersuchungsfrage:
Welche biografische Bedeutsamkeit wird formaler Bildung aus Perspektive der jungen Menschen in ihrem eigenen Leben zuteil?

Die Untersuchung wird mittels sechs biografisch narrativen Interviews als Vorstudie durchgeführt, die es den jungen Menschen ermöglichen, ihre eigenen Relevanzen zu setzen und so ihre subjektiven, individuellen Erfahrungen zum Ausdruck zu bringen. Dadurch wird rekonstruiert, was sie im Rahmen ihrer Bildungsbiografie erlebt haben, welche Bedeutung sie diesem Erleben damals beigemessen haben und aus gegenwärtiger Perspektive zuweisen.

Finanzierung
Forschungsfonds der Universität Trier

Laufzeit
10/2022-08/2023

Forschungseinrichtung
Universität Trier

Leitung: JProf.‘in Dr. Helena Kliche &  Dr. Philipp Annen

Mitarbeiterin
Lea Strerath (WHK)

Publikationen

  • Annen, P./Kliche, H. (2024): "Ich hab eigentlich die Schule immer positiv im Kopf“ – Die Bedeutung des Schulbesuchs für junge Wohnungslose. In: Middendorf, T./Parchow, A. (Hrsg.): Junge Menschen in prekären Lebenslagen – Theorie und Praxisfelder der Sozialen Arbeit. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 157-167.
  • Annen, P./Kliche, H. (2023): „Da wollte ich nicht nach Hause gehen, da wollte ich in der Schule bleiben“ – die Schulzeit aus Sicht junger Wohnungslose. In: Fifty Fifty – Straßenmagazin (i.E.).

Vorträge

  • Annen, P. (2024): Die Schulzeit junger Wohnungsloser – alles Krise?! AG „Wohnungslosigkeit als Krise – Krise(n) der Wohnungslosen?!“ (Kliche, H./Annen, P.). 29. DGfE-Kongress 2024 „Krisen und Transformationen“. Halle-Wittenberg, März 2024 (angenommen).
  • Annen, P./Kliche, H (2023): „Und wenn du das nicht machst, fliegst du einfach […] raus“ – Exklusionserfahrungen junger wohnungsloser Menschen. Tagung der ÖFEB-Sektion Sozialpädagogik. Klagenfurt, September 2023.
  • Annen, P./Kliche, H.: Die biografische Bedeutung der Schulzeit für junge Wohnungslose. AG "Zeit(lichkeit) gesellschaftlicher Exklusionen" (H. Kliche). Jahrestagung der Kommission Sozialpädagogik „Sozialpädagogische*s Zeit*en“. Rostock, 24. März 2023.

Arbeitsgruppen

  • AG „Wohnungslosigkeit als Krise – Krise(n) der Wohnungslosen?!“ mit Beiträgen von P. Annen/Universität Trier, J. Dittmann/Fachhochschule Nordwestschweiz, C. Reinprecht, I. Kachapova/Universität Wien & F. Sowa/TH Nürnberg. 29. DGfE-Kongress 2024 „Krisen und Transformationen“. Halle-Wittenberg, 13. März 2024.
  • AG „Zeit(lichkeit) gesellschaftlicher Exklusionen“ mit Beiträgen von P. Annen/Universität Trier, S. Heppchen/Universität Siegen, S. Schirmer/Universität Siegen & T. Sonnenberg/FH Dortmund. Jahrestagung der Kommission Sozialpädagogik „Sozialpädagogische*s Zeit*en“. Rostock, 24. März 2023.