Praktikumsbericht Chabarovsk (Russland)

Staatliche Pädagogische Universität Chabarowsk, September - Oktober 2003

Praktikumsbericht von Marion Rutz "Der Ferne Osten Russlands"

Zu einem Praktikum in Russland rate ich all jenen, die sich über die vielen Semester drögen Unilebens hinweg eine gehörige Portion Abenteuerlust, Neugier und Organisationstalent bewahrt haben. Dass man gute Nerven brauchen wird, erkennt man schon bei der Überwindung der organisatorischen Hindernisse (Einladung der russischen Hochschule, Visumsantrag, Krankenversicherung, Flugbuchung). Ein Rat: Man sollte sehr früh mit der Vorbereitung anfangen, meine Einladung brauchte einen geschlagenen Monat, um die russische Bürokratie zu durchwandern und wenn man zu einem eher ausgefallenen Ziel wie Chabarowsk ganz im Osten der RF will, sind u.U. die Direktflüge über Moskau schon vier Wochen im Voraus ausverkauft. Aber nicht aufgeben, wo ein Wille ist findet sich ein Weg, z.B. mit Zwischenlandung und Übernachtung in Novosibirsk, wo man auch schon immer mal hin wollte.

Spätestens hier stellt man jedoch fest, dass es ohne Russisch nicht geht. Wer glaubt, mit Deutsch und Englisch durchzukommen, wird schnell eines besseren belehrt werden. In Chabarowsk sind die Überlebenschancen ein bisschen besser, als in anderen Städten, denn es gibt einen ultramodernen Supermarkt, wo man nur seinen Einkaufswagen vollzuladen braucht und sich an den digitalen Anzeigen der Kassen orientieren kann.  Mit den entsprechenden Sprachkenntnissen, ist ein Praktikum in Russland jedoch 100% vergnüglicher,  und wenn nur der vielen Komplimente wegen.

Was ich neben Russisch fleißig geübt habe, war die vielgerühmte interkulturelle Kommunikation. V.a. in der Form, dass ich in ein Fettnäpfchen nach dem anderen getreten bin, v.a. als Lehrerin, denn die Unterschiede zwischen dem deutschen und russischen Unterrichtssystem sind wirklich riesig. Wo sie liegen, will ich hier nicht verraten, um Spaß und Spannung nicht zu verderben.

Womit jedoch nicht gesagt werden soll, dass man an der Staatlichen Pädagogischen Universität Chabarowsk als deutscher DaFler nichts lernen könnte!! Von der sprachlichen und pädagogischen Leistung meiner Kollegen war ich gerade angesichts dröger Lehrbücher sehr beeindruckt, die Überlegung, was von unseren beiden Lehr- und Lernsystemen jeweils gut/schlecht ist, haben mich volle zwei Monate beschäftigt und angeregt.

Chabarowsk als Praktikumsort hat darüber hinaus zu bieten:

  • Einen wunderschöner Flug über ganz Eurasien mit erstklassigem Flugzeugessen (oder eine Woche in der Transsib), viel Spaß mit 9 Stunden Zeitverschiebung.
  • Die Welt einmal mit China, Japan und Korea als Nachbarn sehen.
  • Das autonome Hebräische Gebiet und Wladiwostok um die Ecke, für Abenteuerlustige auch China (Vorsicht mit den Visa!).
  • 500 000 Einwohner, drei Kinos, diverse Theater, einen Zirkus. Im Oktober „Tage der deutsch-russischen Kultur“ mit vielen KOSTENLOSEN Veranstaltungen.
  • Ein Lehrstuhl mit DAAD-Lektorin und viel Praktikantenerfahrung, der bei der Organisation der ersten Tage (Abholung am Flughafen, Wohnheim, Registrierung) hilft und alle Unterrichtswünsche erfüllt.
  • Spitzenmäßige Lehrkräfte, von denen man viel lernen kann.
  • Ein für russische Verhältnisse wirklich erstklassiges und KOSTENLOSES Wohnheimzimmer (Einzelzimmer, Fernseher, Bettwäsche, Bad und Toilette zusammen mit dem Nachbarzimmer) in Uni- und Supermarktnähe, nur die Partys der koreanischen Studenten im Stockwerk darüber sind am Wochenende etwas ruhestörend.
  • Die lustige Kantine der Eisenbahnerhochschule gegenüber der Uni, wo man sich als Kochmuffel günstig und essbar verpflegen kann; eine unerschöpfliche Auswahl von koreanischen Salaten, Fisch und Kaviar auf dem Markt; eine Buchhandlung mit gebrauchten Büchern, wo man sich mit Groschenkrimis eindecken kann

 

 

Was ich ein bisschen vermisst habe:

  • Meinen Computer, die Recherche an den Uni-PCs zehrte an den Nerven und der Internetsalon an meinen Geldreserven.
  • Den Kontakt mit Kollegen und Studenten über den Unterricht hinaus.