Forschungsrelevanz
Der Nachbau eines römischen Seehandelsschiffs vom Typ Laurons 2 ist für die Erforschung der Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit von grundlegender Bedeutung. Die antike Wirtschaft der damaligen Zeit war in vielfältiger Form auf den Seehandel angewiesen. Getreide musste bspw. aus Ägypten, Sizilien oder Nordafrika nach Italien transportiert werden, um die dortige Bevölkerung versorgen zu können. Auch Olivenöl war ein Massengut, welches für unzählige Verwendungsmöglichkeiten, z.B. in der Zubereitung und Konservierung von Lebensmittel, zur Pflege von Metallgegenständen oder als Energieträger in Öllampen, gebraucht wurde. Das dominierende Produktionszentrum lag in der Provinz Baetica in Hispanien, von wo aus das Öl über weite Strecken auf Mittelmeer, Atlantik oder Nordsee transportiert wurde. Weitere Fernhandelsgüter waren bspw. Wein, Marmor und Granit, verschiedene Früchte oder auch Sklaven. Generell war ohne eine stetige Seefahrt das Imperium Romanum als solches ökonomisch gar nicht überlebensfähig.
Trotz dieser enormen Bedeutung des Seehandels ist selbiger lediglich in vereinzelten Nachrichten in die antike Überlieferung eingegangen. Aus Inschriften, Papyri und Rechtsquellen kennen wir die Akteure des Handels, also Seefahrer, Matrosen, Händler, Schiffseigner, Kreditgeber u.a. relativ gut. Auch die Preise verschiedener Produkte und Waren sind durch Inschriften und Graffiti, besonders aber durch Papyri vereinzelt überliefert. Jedoch ist es auf der Grundlage der dennoch insgesamt fragmentarischen Quellenlage bislang nicht möglich eine genaue Kostenanalyse für den Fernhandel der römischen Kaiserzeit zu erstellen.
Bedeutung
Aktuelle Forschung
In jüngerer Zeit konnte die wirtschaftsgeschichtliche Forschung einen wichtigen Schritt nach vorne machen. Mittels einer exakten und quellenkritischen Aufarbeitung der nautischen Bedingungen in der Mittelmeerwelt war es möglich, die Reisedauer verschiedener vielbefahrender Seehandelsrouten für unterschiedliche Phasen des Jahres verlässlich zu erschließen; dies gelang u.a. mit Hilfe des Einsatzes moderner digitaler Segel- bzw. Wettersoftware. Dadurch ist es erstmals möglich, die Dauer von Seereisen und auch die Wahl einzelner Seerouten bei der Frage nach den Kosten und den ökonomischen Risiken von Seeunternehmen zu untersuchen. Ferner kann seit kurzem mittels der Analyse antiker Binnenschifffahrt die ökonomische Effizienz der römischen Flussschifffahrt erörtert werden. Die Distribution von Warenströmen, die über die Meere an die Flussmündungen gebracht und dort weiter befördert werden mussten, wird durch die Versuche am Nachbau eines römischen Prahms erstmals mit konkreten Daten über Beförderungsvolumen pro Schiff sowie Personal- und Arbeitsaufwand erschließbar.
Potentiale
Trotz dieser Fortschritte in der antiken Wirtschaftsgeschichte stellt der Seehandel nach wie vor ein weitgehend unbekanntes Terrain dar, da wichtige Informationen wie etwa Personal- oder Materialkosten, aber auch Schätzungen über die Segeleigenschaften von Schiffen und dem damit verbundenen Risiko von Seereisen bis auf wenige, meist nicht sicher in einen Kontext einzuordnende Quellennachrichten nicht auf uns gekommen sind. Durch den Nachbau von Laurons 2 ist es nun erstmals möglich, die Eigenschaften eines römischen Handelsschiffes im Experiment zu testen. Wie reagiert es bei unterschiedlichen Seebedingungen? Welche Winde können mit einem Rahsegler bei voller Ladung gefahren werden? Wie erhöht sich dadurch das Risiko? Wie reagiert das Schiff bei unterschiedlicher Auslastung? Wie hoch ist der Personalaufwand? Wie weit konnten antike Seehandelsschiffe auch in die Binnenwasserwege einfahren? Wieviel Stauraum bleibt für Beifracht? Wie schnell sind Beladen und Löschen der Ladung möglich? Wie und wo konnte sich die Mannschaft auf oder unter Deck aufhalten? Wie viel Raum für die Verpflegung der Mannschaft ist verfügbar und wie lange konnte man ohne erneute Übernahme von Trinkwasser fahren? War es möglich, Teile der Ladung auch auf Deck zu transportieren?
Simulation einer antiken Seeroute von Ephesos nach Karthago (Pascal Warnking)