Zusammenfassungen (Abstracts) der Vorträge

8. November 2023 

Vom globalen Klimawandel zur lokalen Anpassungsmaßnahme

Dr. Tilmann Sauer, Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen, Trippstadt

Der Vortrag zeigt die Aufgaben des Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen im Rahmen der Themenfelder Klimawandel – Klimawandelfolgen – Anpassung. Am Anfang steht die Aufbereitung von Regionalen Klimainformationen für Vergangenheit und Zukunft. Dabei stellt die Kommunikation der Ergebnisse von Klimalimaprojektionen eine besondere Herausforderung dar. Am Beispiel der Handlungsfelder „Wald“ und „Menschliche Gesundheit“ werden Klimawandelfolgen für Baumarten und Hitze in Rheinland-Pfalz aufgezeigt. Am Ende steht die Entwicklung und Empfehlung von Anpassungsmaßnahmen auf regionaler und lokaler Ebene. Für die Umsetzung von Maßnahmen sind Landesprogramme und die kommunale Beratung besonders wichtig. Hier zeigt der Vortrag die Strukturen in Rheinland-Pfalz auf.

 

22. November 2023

Warum durch Digitalisierung der Konsum (nicht) nachhaltiger wird

Prof. Dr. Lorenz Hilty, Forschungsgruppe Informatik und Nachhaltigkeit, Universität Zürich & Direktor des Zurich Knowledge Center for Sustainable Development

Bis vor wenigen Jahren waren die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung im öffentlichen Diskurs wenig verknüpft. Der Nachhaltigkeitsdiskurs wurde im Kontext von Energie- und Mobilitätswende, von Agrar- und Ernährungsfragen geführt, meist mit Bezug zum Klimawandel. Der Digitalisierungsdiskurs dagegen war dominiert von Themen wie Wettbewerbsfähigkeit und Bildung, aber auch Sicherheit und Privatsphäre, weit weg von Fragen der Klimakrise. Seit einiger Zeit beginnen die Medien, die Verknüpfung der Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu entdecken – dabei dominieren zwei Narrative:

  • Entkoppeltes Wachstum wird dank Digitalisierung möglich. Optimierungs- und Substitutionseffekte der digitalen Technologie werden dafür sorgen, dass wir die Ressourceneffizienz steigern und damit mehr Bedürfnisse mit weniger Naturverbrauch befriedigen können. Von Industrie 4.0 über E-Autos bis zum smarten Acker wird nun alles getan, um nachhaltigen Konsum zu ermöglichen.
  • Der unterschätzte Fussabdruck der Digitalisierung macht alles noch schlimmer. Die digitalen Technologien tragen über ihren Lebensweg deutlich mehr zu Ressourcenabbau, Abfall und Emissionen bei als bisher bekannt. Vom Videostreaming über Kryptowährungen bis hin zur Künstlichen Intelligenz: der neue Energiehunger ist unersättlich.

Beide Narrative enthalten einige Körnchen Wahrheit, die aber mit falschen Schlussfolgerungen vermischt sind. In meinem Vortrag versuche ich die wichtigsten Argumente zu sortieren und ein differenzierteres Gesamtbild zu zeichnen.

 

6. Dezember 2023

Klimasimulationen für Polargebiete

Rolf Zentek, Umweltmeteorologie, Universität Trier 

Im Fach Umweltmeteorologie der Universität Trier liegt ein Schwerpunkt unserer Forschung auf dem Wetter und Klima der Polarregionen. In dem Vortrag möchte ich vorstellen, welche Forschung wir hier durchführen und im Speziellen mehr über meine eigene Forschung zu Klimasimulationen erzählen. Im Rahmen unserer Forschung erheben wir Messdaten, z.B. auf dem deutschen Forschungsschiff Polarstern, welches in Polargebieten mit Meereis eingesetzt wird. Als Messgerät nutzten wir ein Doppler Wind-Lidar, mit welchem wir verschiedene Windmessungen durchgeführt haben. Damit wurden Datensätze erstellt, die später zum Vergleich mit Simulationen herangezogen werden können. Wir nutzen das regionale Klimamodell COSMO-CLM (COSMO model in CLimate Model), welches sich aus dem Modell COSMO ableitet, das von verschiedenen nationalen Wetterdiensten entwickelt und verwendet wurde. Im Rahmen verschiedener Projekte wurden Simulationen für die Gegenwart (2000-2020) oder Zukunft (bis 2100) durchgeführt. Die Analyse der Simulationsdaten ist sehr umfassend. Sie beginnt mit einer Auswertung, in der durch einen Vergleich zu anderen Messungen oder Modellen die Fähigkeiten und Grenzen der Simulation abgeschätzt werden. In weiteren Analysen haben wir uns mit Themen wie der Meereisbildung auseinandergesetzt. Mein letzter Forschungsschwerpunkt ist die Analyse eines Phänomens, das sich Low Level Jet (LLJ) nennt. LLJs sind erhöhte Windgeschwindigkeiten in der unteren Atmosphäre, die durch verschiedene Effekte auftreten können und vor allem in der Antarktis sehr häufig vorkommen. 

 

20. Dezember 2023

Leugnung und Vereinnahmung der Klimakrise durch Akteure der extremen Rechten

Prof. Dr. Daniela Gottschlich, Professur für Nachhaltigkeit und Gesellschaftsgestaltung, Hochschule für Gesellschaftsgestaltung

Unsere Gegenwart ist geprägt von sozial-ökologischen Krisen wie der Klimakrise, dem Artensterben und dem Verlust der Bodenfruchtbarkeit. Zugleich erleben wir in den letzten Jahren ein Erstarken der extremen Rechten. Autoritäre Regime, rechtsextreme Netzwerke, Gruppierungen und Parteien gewinnen weltweit an Zuspruch. Diese beiden großen Trends sind miteinander verwoben. In meinem Vortrag fokussiere ich den Umgang von Akteuren der extremen Rechten mit der Klimakrise. Ich werde dabei auf zwei idealtypische Strategien eingehen: Leugnen und Integrieren. Beide Strategien können als Kehrseite ein und derselben Medaille verstanden werden. Beide verschärfen die Klimakrise und unterminieren eine lebensfreundliche Zukunftspolitik.Einerseits leugnen rechtsextreme Akteure den vom Menschen verursachten Klimawandel, um nichts an der bisherigen Lebensweise ändern zu müssen. Andererseits wird die Klimakrise genutzt, um ein völkisches Projekt voranzutreiben. Ökofaschisten warnen in diesem Zusammenhang nicht nur vor Migration und ‚Überfremdung‘, sondern erklären die Geburtenraten in Ländern des Globalen Südens zur zentralen Ursache der Klimakrise. In meinem Vortrag werde ich zeigen, dass sich neo-malthusianische Narrative („Es gibt zu viele Menschen auf dem Planeten“, „Weniger Menschen - weniger Umweltzerstörung“) nicht nur in der Argumentation der extremen Rechten, sondern auch in der von Umwelt- und Naturschutzbewegungen finden. Um rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz wirksam bekämpfen zu können, ist es jedoch notwendig zu lernen, was emanzipatorischen Umweltschutz vom rechtsextremen Ökologismus unterscheidet

 

10. Januar 2024

Hundert Jahre Waldzukunft: Wie sich der Wald verändern muss

Dr. Christian Kölling,Bereichsleiter Forsten, Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Fürth-Uffenheim (Bayern)

Die hundert Jahre Waldzukunft werden eine ereignisreiche Periode in der Forstgeschichte sein. Die wichtigsten Elemente, die erforderlich sind, um den Gegenwartswald in den Zukunftswald zu überführen sind folgende: Zuerst identifizieren wir so gut es geht die Zwillingsregionen, in denen heute schon das Klima herrscht, das wir bei uns erwarten. Danach schauen wir auf die Baumarten, die in den Zwillingsregionen vorkommen. Mit Hilfe des Verfahrens der unterstützten Wanderung ermöglichen wir einer Auswahl aus diesen Baumarten, mit der Wanderung des Klimas Schritt zu halten, alle Hindernisse zu überwinden und den Weg in unsere Wälder zu finden. Damit ahmen wir den natürlichen und historisch bewährten Vorgang der Vegetationswanderung nach und stützen uns dabei auf ein Höchstmaß an wissenschaftlicher Evidenz. In unseren Wäldern geben wir vor Ort den ankommenden Baumarten aus den Zwillingsregionen ein neues Zuhause. Wir gehen dabei nach dem Prinzip der bedachten Anreicherung vor, indem wir die neuen Elemente auf eine sanfte Art mit den alten Elementen kombinieren. Wir vermeiden brutale Eingriffe auf großer Fläche zugunsten kleinflächiger, minimaler, aber dennoch wirksamer Veränderungen der bestehenden Strukturen. Mit sparsamen und gut verteilten Pflanzungen ergänzen wir die natürliche Verjüngung der Wälder. Wir pflegen die Vorkommen der Neuankömmlinge, so dass diese sich wohlfühlen und so vital aufwachsen, dass sie bald Nachkommen haben und sich vermehren. Mit diesem durchdachten Verfahren erzielen wir in relativ kurzer Zeit eine brauchbare und flächenwirksame Anpassung. Da wir stets kleinflächig arbeiten, haben wir die besten Möglichkeiten, unser Handeln laufend an neue Erkenntnisse anzupassen und damit auf Fehlentwicklungen und Irrtümer zu reagieren. Wir arbeiten nicht dogmatisch und starr, sondern adaptiv und flexibel. Wir sind überzeugt, dass auf diese Weise ein Zukunftswald entstehen kann, der den Namen verdient.

 

24. Januar 2024

Einflüsse des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit – was kommt in Deutschland auf uns zu?

Prof. Dr. Elke Hertig,Regionaler Klimawandel und Gesundheit, Medizinische Fakultät, Universität Augsburg

Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet den Klimawandel als die größte Bedrohung der Gesundheit weltweit im 21. Jahrhundert. Auch für Deutschland ergeben sich zahlreiche Herausforderungen für das Gesundheitswesen aufgrund von zum Beispiel Belastungen durch mehr Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Gesundheitsgefahren durch Luftschadstoffe und die mögliche Zunahme von Infektionskrankheiten. So wird die Anzahl der heißen Tage im Sommer stark ansteigen, was zu einem deutlichen Anstieg hitzeassoziierter Erkrankungen bis hin zu Hitzetoten führen kann. Gefährdet sind hier insbesondere ältere Menschen mit Vorerkrankungen, aber auch Kinder sowie Menschen, die im Außenbereich arbeiten. Die Auswirkungen von Hitze sind von Region zu Region, zwischen ländlichen und städtischen Räumen und innerhalb von Städten von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich, was von der Art der Bebauung, aber auch der unterschiedlichen Verwundbarkeit der Wohnbevölkerung abhängt. Der Klimawandel führt außerdem zu einem Anstieg von Luftschadstoffen wie das bodennahe Ozon. Da hohe Konzentrationen von bodennahem Ozon vor allem an sonnigen Tagen im Sommer auftreten, ergibt sich häufig eine gemeinsame Belastung zusammen mit Hitze und UV-Strahlung. Solche Multiexpositionen können erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben und werden unter dem Klimawandel an Bedeutung zunehmen. Neben Änderungen der atmosphärischen Expositionen ergeben sich auch indirekte Auswirkungen des Klimawandels wie das vermehrte Auftreten von Vektoren (Mücken, Zecken). Dadurch könnte es vermehrt zu durch Vektoren übertragenen Krankheiten, wie Dengue- oder West-Nil-Fieber in Deutschland kommen. Aus der Zunahme der gesundheitlichen Risiken durch den Klimawandel ergibt sich klar die grundsätzliche Notwendigkeit Klimaschutzmaßnahmen zu verstärken, denn eine Begrenzung der Erderwärmung mildert die gesundheitlichen Folgen ab. Da sich der Klimawandel jedoch nicht mehr aufhalten lässt und seine Auswirkungen bereits deutlich zu spüren sind, sind auch Anpassungsmaßnahmen unerlässlich.

 

7. Februar 2024

Die kommunikative Abwehr des Klimawandels: Soziologische Perspektiven auf die massenmediale Bearbeitung der Klimabewegung

Dr. Nils Kumkar, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen

Die Hitzigkeit, mit der insbesondere die Aktionen der Letzten Generation durch das ganze politische Spektrum der im Bundestag vertretenen Parteien kritisiert werden, verwirrt, ganz unabhängig von der Frage, was man von diesen Aktionsformen halten mag. Es lässt sich zum Beispiel kaum erklären, was die Aussage des grünen Landwirtschaftsministers, die „#lostgeneration“ hätte dem Klimaschutz „schon genug geschadet“, bedeuten soll, wenn man nicht berücksichtigt, wie deren Aktionen zwischen die Fronten verschiedener Dethematisierungskonflikte rund um den Klimawandel geraten sind. Der Vortrag schlüsselt dieses Problem vor allem in zwei Hinsichten auf: Zunächst wird mithilfe einer Theorie alternativer Fakten als Praxis der Erkenntnisverweigerung gezeigt, wie die monströse soziale Komplexität der Bearbeitung des Klimawandels auch in den vergangenen Dekaden schon Ausgangspunkt diverser Dethematisierungsstrategien war und warum Fridays for Future gerade in der deutschen Öffentlichkeit für einen kurzen Moment so große Sympathien bündeln konnte. Davon ausgehend entwirft er die sich seitdem veränderte Bedeutung des Klimawandels in den Konflikten der politischen Öffentlichkeit und erklärt, warum sowohl die Aktionen der Letzten Generation als auch die scharfe Kritik, die ihnen (und inzwischen auch der restlichen Klimabewegung) entgegenschlägt, beide als Symptom dieser verschobenen Konfliktlage verstanden werden müssen.