Typologie des Subjekts in der russischen Dichtung 1990-2010 (Projekt 08/2015 bis 07/2018)

Типология субъекта в русской поэзии 1990–2010-х гг. (на 2015-2017 гг.)

 

Gefördert auf deutscher Seite durch die DFG, Projektleitung: Prof. Dr. Henrieke Stahl, Universität Trier;
Mitarbeiterin: Dr. Ekaterina Friedrichs (geb. Evgrashkina)

Auf russischer Seite gefördert durch RGNF, Projektleitung: Dr. Svetlana Bochaver, Institut jazykoznanija RAN Moskau

 

Die russische Lyrik zeigt seit 1990 einen in ihrer Geschichte einmaligen Grad an Entwicklungsintensität und hat die Grenzen und Funktionen des Genres sichtbar verändert. Die neue Komplexität der literarischen Landschaft, geprägt einerseits durch die Umstrukturierungen nach Perestrojka, andererseits seit der Jahrtausendwende durch digitale Möglichkeiten und politisch-gesellschaftliche Herausforderungen, macht notwendig, das bisherige theoretische und methodische Instrumentarium der Philologie zu überdenken. Auch wenn die Lyrik im Vergleich zu anderen Gattungen kaum untersucht ist, hat die Forschung die ästhetische und zunehmend gesellschaftliche Relevanz der neueren Lyrik erkannt. Seit 2010 ist ein internationales Forschernetzwerk entstanden, welches sich dem Problem einer methodologisch reflektierten Beschreibung der russischen Gegenwartsdichtung widmet. Aus ihm ist das vorliegende Projekt hervorgegangen.

Die Strukturen des gegenwärtigen Lyrikfeldes erfordern einen Zugang, welcher mit Hilfe ästhetischer Parameter Innovationen sichtbar macht. Ziel des Projekts ist es, anhand der Kategorie des Subjekts die Vielfalt des Lyrikfeldes typologisch zu untersuchen. Diese Kategorie wurde ausgewählt, da das Subjekt, das traditionell als lyrisches Konstitutivum galt, nach seiner postmodernen Negation in der Gegenwartsdichtung und der ihr folgenden theoretischen Reflexion wider Erwarten erneut fundamentale Bedeutung gewonnen hat.

Die Gegenwartsdichtung bedarf eines weiten Begriffs von ‚Lyrik‘, der alle als poetisch gekennzeichneten Texte umfasst („poetische Texte“, „Dichtung“ werden daher als Termini bevorzugt). Auch das ‚Subjekt‘ wird als weiter Oberbegriff verstanden, der eine Pluralität literarischer sowie linguistischer Theorien und Methoden in Korrelation zur breiten Diversifikation der Phänomene anzuwenden erlaubt. Das ‚Subjekt‘ umfasst den sog. ‚Sprecher‘, aber auch abstraktere Formen des Ausdrucks von ‚Subjektivität‘. Untersucht werden die Formen und Verfahren der poetischen Darstellung des Subjekts in der Gegenwartsdichtung aus literaturwissenschaftlicher (deutscher Antrag) und linguistischer (russischer Antrag) Sicht. Zur Profilierung von Spezifika der russischen Gegenwartsdichtung werden punktuell komparatistische sowie transkulturelle Fragestellungen eingebunden. Als primäre Vergleichsliteratur fungiert die deutsche Lyrik, da ihre historischen Rahmenbedingungen Parallelen zeigen. Der Vergleich aktueller Subjektdarstellung in anderen Genres und der Philosophie leistet eine Kontextualisierung.

Das Projekt wird in koordinierter Zusammenarbeit eines Forschernetzwerkes umgesetzt, das Literatur- und Sprachwissenschaftler der Slavistik und einige Germanisten, Philologen anderer Literaturen sowie Philosophen umfasst. Es finden jährlich internationale Konferenzen statt; die erste Konferenz zu den theoretische und methodischen Fragen des Projekts wird 2.-5.11.2015 durchgeführt.