Forschungsprojekt im Master

Der Einsatz humanoider Roboter in Serviceprozessen: Analyse der Konsequenzen für Anbieter- und Kundenseite

Einjähriges Master-Forschungsprojekt im Sommersemester 2022 und Wintersemester 2022/23 

 

Forschungsleitung

Univ.-Prof. Dr. Katrin Muehlfeld (Professur für Management, Organisation und Personal)
Univ.-Prof. Dr. Rolf Weiber (Professur für Marketing, Innovation und E-Business)
M.Sc. Mi Nguyen (Professur für Marketing, Innovation und E-Business)
M.Sc. Jonas Ossadnik (Professur für Management, Organisation und Personal)

 

Themenstellung

Durch die rasanten Fortschritte der Robotertechnologien in Kombination mit Künstlicher Intelligenz, Big-Data-Analytics, Kameras, Sensoren und Spracherkennung sind Service-Roboter auf dem Vormarsch. Sie sind in der Lage, Aufgaben autonom durchzuführen, und erbringen für den persönlichen sowie kommerziellen Gebrauch datenbasierte, personalisierte Serviceleistungen (sog. Smart Services). So z. B. bringt der Roboter Botlr den Hotelgästen des Aloft Cupertino in Kalifornien Snacks sowie Toilettenartikel auf das Zimmer, der Staubsauger iRobot Roomba reinigt verschmutzte Bereiche im eigenen Zuhause, und der menschenähnlich aussehende (humanoide) Roboter Pepper berät die Kunden im Einzelhandel oder bietet Unterstützung für Hilfsbedürftige in Pflegeheimen. Was früher in Hollywood-Filmen noch reine Fiktion war, hält nun im Zuge der sich rasant entwickelnden Robotertechnologien immer stärker Einzug in den Alltag des Menschen. Der Einsatz von Service-Robotern verändert dabei die kunden- und anbieterseitige Serviceumgebung, sodass sich sowohl aus Marketingperspektive als auch mit Blick auf Organisation und Personalmanagement erhebliche Herausforderungen stellen.

Werden in einem Serviceprozess Leistungen nicht mehr (nur) von Servicemitarbeitern, sondern auch von einem Service-Roboter erbracht, so verändert dies auf der Kundenseite vor allem die sog. Customer Experience (CE), die die Erlebnisse und Erfahrungen beschreibt, die Kunden in einem Serviceprozess machen. Eine Veränderung der CE hat in der Folge Auswirkungen auf die Qualitätswahrnehmung, die Zufriedenheit usw. der Kunden mit dem Serviceprozess. Auch auf der Anbieterseite entsteht eine Arbeitsentlastung durch den Einsatz von Service-Robotern, was durch die sich verändernde Aufgabenallokation eine effizientere Serviceerbringung begünstigt, aber auch den Serviceprozess verändert. Die Zusammenarbeit des Menschen mit einem Service-Roboter führt zudem aus sozio-technischer Systemperspektive zu verschiedenen Veränderungen mit Blick auf Arbeit und Organisation, z. B. zu möglichen Veränderungen der Arbeitsprozesse, der Wahrnehmung der Arbeitsplatzsicherheit, und einem grundsätzlichen Hinterfragen von Berufseigenschaften und Tätigkeitsprofilen sowie möglicherweise veränderten Kompetenzanforderungen und Weiterbildungsbedarfen.

Diese sich durch den Einsatz von Service-Robotern verändernde Serviceumgebung stellt Anbieter vor der Herausforderung, die Service-Roboter sowie die von ihnen zu erbringenden Smart Services so zu gestalten und einzusetzen, dass auf der Kundenseite durch die Kunden-Roboter-Interaktion eine positive(re) Customer Experience generiert wird und auf der Anbieterseite durch die Mitarbeitenden-Roboter-Zusammenarbeit weiterhin eine hohe, möglicherweise sogar gesteigerte Arbeitszufriedenheit erzielt wird. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Forschungsprojektes, den Einsatz des humanoiden Service-Roboters Pepper und dessen Auswirkungen auf der Kunden- und Anbieterseite in konkreten Serviceprozessen zu untersuchen.

 

Kooperationspartner und Untersuchungskontext

Das Forschungsprojekt wird in Kooperation mit dem Studierendenwerk der Universität Trier (www.studiwerk.de) durchgeführt. Analysiert wird der konkrete Einsatz des humanoiden Roboters Pepper, der vom Fach BWL im Dezember 2021 angeschafft wurde, in den Serviceprozessen der Mensa der Universität Trier. Die Serviceprozesse der Mensa werden dabei zunächst ohne und anschließend mit Einsatz von Pepper sowohl aus Sicht der Mitarbeitenden des StudiWerks Trier als auch der Kunden (Mensabesucher) untersucht, um schließlich die Auswirkungen des Pepper-Einsatzes aus Kunden- und Anbietersicht zu analysieren.

 

Lernziele des Forschungsprojekts

Die Studierende dieses Forschungsprojektes erlernen die systematische Aufbereitung von wissenschaftlicher Fachliteratur zu den betrachteten Konzepten sowie die kritische Auseinandersetzung mit dieser Literatur. Die eigenständige Konzeption, Durchführung und Auswertung einer empirischen Erhebung sollen die Studierende weiterhin befähigen, die entwickelten sachlogischen und wissenschaftlich fundierten Überlegungen durch die Entwicklung geeigneter Erhebungs- und Auswertungsdesigns eigenständig empirisch zu prüfen. Zur Realisierung des Einsatzes von Pepper in der Mensa lernen die Studierende die Einsatzmöglichkeiten von Pepper selbst konzipieren und in einer einsteigerfreundlichen Programmierumgebung umzusetzen. Zudem sollen die Studierenden Teamarbeit und -kommunikation zielführend planen und umsetzen können. 

 

Ablauf des Forschungsprojektes

Sommersemester 2022:

April-Mai 2022
Die Studierende des Forschungssemesters sichteten wissenschaftliche Robotik-Literaturen im zu untersuchenden Forschungsumfeld und konzipieren gemeinsam mit den Dozent/innen das Erhebungsdesign. Außerdem wurde der Einsatz von Pepper an verschiedenen Örtlichkeiten in der Mensa auf technische und räumliche Bedingungen geprüft und festgelegt.

Mai-Juni 2022
Die dreiwöchige Mensabefragung zum Mensaerlebnis findet noch ohne Pepper-Einsatz (Phase 1) statt. Während diesem Erhebungszeitraum von Phase 1 bereiteten die Studierende die noch folgende Erhebung in Phase 2 (mit Pepper-Einsatz in der Mensa) vor. Dazu programmierten die Studierende Pepper für den Einsatz an den vorab festgelegten Stellen in der Mensa. Zuvor stellten die Dozent/innen den Studierenden die Software zur Programmierung von Pepper vor und begleiten den Programmierungsprozess.. 

Juni-Juli 2022
In der fünfwöchigen Phase 2 wurde Pepper täglich abwechselnd an verschiedenen Stellen in der Mensa eingesetzt. Die Studierende werteten in diesem Zeitraum des Forschungsprojektes zunächst die in Phase 1 erhobenen Daten zum Mensaerlebnis ohne Pepper-Einsatz mittels multivariaten Analysemethoden aus. Das Ergebnis zeigt, dass Mensabesucher ihr Erlebnis in der Mensa positiv bewerten und zufrieden sind.
Am 13.07.2022 präsentierten die Studierende ihre Ergebnisse vor allen Teilnehmenden des Forschungsprojektes.

 

Wintersemester 2022/23:

Oktober-November 2022
Die Studierende analysierten anhand der in der Phase 1 (ohne Pepper) und Phase 2 (mit Pepper) erhobenen Daten die Auswirkungen des Pepper-Einsatz auf das Mensaerlebnis. Es konnte kein Effekt von Pepper auf das Mensaerlebnis festgestellt werden. Aufgrund dieses "ernüchternden" Ergebnisses plante die Dozentin, Frau M.Sc. Mi Nguyen, eine weitere Studie zur Durchführung von Interviews, um den fehlenden Pepper-Effekt auf das Mensaerlebnis näher zu untersuchen.

November-Januar 2022
Gemeinsam mit den Studierenden führt Frau M.Sc. Mi Nguyen Interviews mit Mensabesuchern zum Pepper-Einsatz in der Mensa und untersucht weiterhin die Präferenz alternativer Roboter. Anschließend wurden die transkribierten Interviews inhaltlich analysiert.

 

Zentrale Forschungsergebnisse aus der Analyse der Kundenperspektive

Die Studie hat ergeben, dass Mensabesucher:innen in Mensa gehen, um primär ihren Hunger  auf schnelle und günstige Weise zu stillen. Der Mensabesuch ist also zielorientiert (Hunger stillen).
Mensabesucher:innen nehmen den Einsatz von Pepper in der Mensa allerdings insofern wahr, dass der Roboter in erster Linie unterhaltsam ist, als dass er sie bei ihrer Zielerreichung unterstützt. Dies liegt daran, dass Pepper als humanoider sozialer Roboter entsprechend eine Unterhaltungsquelle darstellt und daher für soziale Interaktionen (z. B. Gespräche führen, tanzen, Witze erzählen, spielen) ausgerichtet ist.
Da aber für Mensabesucher:innen das Essen für das Mensaerlebnis entscheidend ist und Pepper hierfür keine nutzenstiftende Funktion bzw. Serviceleistung bietet, hat der Einsatz von Pepper in der Mensa keinen Einfluss auf das Erlebnis der Mensabesucher:innen. Um einen Effekt auf das Mensaerlebnis zu erzielen, sollte Pepper in seinen Funktionen so gestaltet sein, dass er den Mensabesucher:innen einen praktischen Nutzen im Mensaprozess stiftet. Im Speziellen ist die Funktion der Speisenvorstellung mit Hinweis auf Inhaltsstoffen und Allergenen bei den Mensabesucher:innen besonders beliebt. Gerade weil Mensabesucher:innen eine praktische Unterstützungsleistung in ihrem Mensaprozess benötigen, sind soziale Roboter, aufgrund ihrer Beschränkung auf soziale Interaktionen, eher weniger geeignet. Vielmehr könnten im Kontext eines Mensabesuchs funktionale Roboter wie Bellabot zum Geschirrabräumen oder ein Tablet mit einem Avatar zur Speisenvorstellung die Kundenanforderungen erfüllen.

 

Präsentation der Forschungsergebnisse vor dem Studierendenwerk Trier

Am 15.02.2023 stellen die Studierende und Dozent:innen die aus dem Forschungsprojekt erzielten Erkenntnisse und abgeleiteten Handlungsempfehlungen dem Geschäftsführer des Studierendenwerks Trier, Herrn Andreas Wagner, sowie der Leiterin für Personal und Campusgastronomie, Frau Alexandra Reitz, vor.
Die Ergebnisse der Studierenden zum Einsatz von Pepper als humanoidem Service-Roboter im realen Anwendungsfeld liefern spannende Orientierungshilfen in einer Welt zunehmender technologischer Investitionsmöglichkeiten im Service-Bereich, sowie, ganz grundlegend, einen generellen, wissenschaftlichen Beitrag zu einem noch jungen Forschungsfeld mit jedoch erheblicher und steigender Relevanz.
Die kritische Ergebnisbetrachung und -diskussion hat letztendlich ergeben, dass sowohl aus der Kunden- und Mitarbeitendenperspektive als auch aus wirtschaftlichen Gründen keine Investition in den Pepper-Einsatz in der Mensa getätigt werden sollte.

 

FP_Abschluss_Foto

Von links nach rechts:
Herr Univ.-Prof. Dr. Rolf Weiber, Herr Nicola Keßler, Frau Jasmin Waziro, Frau Anna-Karolina Keßler, Herr Phillip Sader, Frau Sonja Pohl, Herr Florian Haumann, Frau Louisa Jung, Frau Verena Schmitter, Herr Jonas Kitzhöfer, Frau Univ.-Prof. Dr. Katrin Muehlfeld, Frau Katharina Schmitt, Herr Jonas Ossadnik, Herr Andreas Wagner, Frau Sonja Güllich, Frau Alexandra Reitz, Frau Mi Nguyen
Es fehlt Herr Konrad Szydlowski.

In der Mitte:
Pepper