Urteil der Woche (KW 9)

Im heutigen Urteil der Woche liefert der BFH in seinem Urteil vom 28.07.2021 (X R 15/19) eine Definition für das rückwirkende Ereignis im Falle des Ehegattensplittings.

Die Klägerin reichte ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 am 27.07.2008 beim Finanzamt ein. In dieser wurden keine Unterhaltsleistungen im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG angegeben. Die Erklärung wurde mit Bescheid vom 25.09.2008 erklärungsgemäß veranlagt. Der geschiedene Ehegatte reichte die Anlage U mit der Zustimmung der Klägerin zur Einkommensteuererklärung bei dem für ihn zuständigen Finanzamt am 12.02.2010 ein. Da die Anerkennung der Zahlung des Abgeltungsbetrags von 10.000 € als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zunächst umstritten war, wurde sie erst mit Änderungsbescheid vom 15.09.2015 als abziehbare Unterhaltsleistung anerkannt.
Anschließend erging ein Änderungsbescheid am 26.11.2015 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für die Klägerin in der die berücksichtigte Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG als Einkünfte festgesetzt wurde. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage vor dem FG, mit der Begründung, dass das rückwirkende Ereignis bereits mit Antrag auf Abzug der Unterhaltsleistungen beim Geber vorliege und daher der Änderungsbescheid außerhalb der Festsetzungsfrist ergangen sei. Nach Abweisung der Klage ging die Klägerin in Revision.

Der BFH gab der Klägerin recht. Bereits in der Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers sei das rückwirkende Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007 führt, zu sehen. Schon der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Empfängers sei rechtsgestaltend. Sie überführen die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und ändern so ihren Rechtscharakter. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber komme es nicht an. Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO begann die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO aufgrund des in 2010 eingetretenen rückwirkenden Ereignisses mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen und endete damit mit Ablauf des Jahres 2014. Demnach war die vierjährige Festsetzungsfrist bei Ergehen des Änderungsbescheides für die Klägerin im Jahre 2015 bereits abgelaufen und der Bescheid aufzuheben.

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