Urteil der Woche (KW 23)

Der BFH hat mit Urteil vom 21.04.2022 (V R 48/20) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass sich Sportvereine gegenüber einer aus dem nationalen Recht folgenden Umsatzsteuerpflicht nicht auf eine allgemeine, aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) abgeleitete Steuerfreiheit berufen können.

Kläger im vorliegenden Fall ist ein Golfclub. Im Streitjahr 2011 erhob er neben den Mitgliedsbeiträgen zusätzlich gesonderte Entgelte für bestimmte Leistungen, wie z.B. die leihweise Überlassung von Golfbällen, die Nutzung des Platzes, Überlassung von Caddys, Durchführung von Golfturnieren, etc. Der Kläger stufte diese Leistungen unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL als steuerfrei ein. Das FA sah in diesen gesondert vereinbarten Leistungen steuerbare und steuerpflichtige Umsätze. In Bezug auf den Veranstaltungsbereich käme grds. § 4 Nr. 22 b) UStG als Steuerbefreiung in Betracht, jedoch lehnte das FA diesen mangels Gemeinnützigkeit des Clubs ab. Das FG gab der Klage zunächst statt und ging davon aus, dass es sich bei dem Club um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handele, die sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL berufen könne. Der BFH legte dem EuGH anschließend die Frage bzgl. der Unmittelbarkeit des Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL vor.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL keine unmittelbare Wirkung habe, sodass sich eine Einrichtung nicht unmittelbar hierauf berufen könne. Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL gewähre den Mitgliedsstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerbefreiten Dienstleistungen. Sofern ein Mitgliedsstaat lediglich eine begrenzte Zahl sportlicher Dienstleistungen von der Steuer befreie, sei eine unmittelbare Berufung auf die MwStSystRL für von der nationalen Regelung nicht erfasste Dienstleistungen nicht möglich. Darüber hinaus scheitere die Steuerfreiheit der Leistungen des Golfclubs ebenfalls daran, dass es sich nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handele. Der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben sei ein autonomer unionsrechtlicher Begriff, der voraussetze, dass das Vermögen der Einrichtung im Fall der Auflösung nicht an die Mitglieder verteilt wird. Nach der Entscheidung des EuGH änderte der BFH seine Rechtsprechung. Bisher hatte er die unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL bejaht.

Auswirkung für die Praxis:
Die Entscheidung des BFH hat für die Umsatzbesteuerung sportlicher Vereine grundsätzliche Bedeutung. Der BFH führte hierzu aus, dass - entgegen der bisher von den Finanzämtern geübten Praxis - Angebote von Sportvereinen an ihre Mitglieder gegen allgemeine Mitgliedsbeiträge steuerbar seien. Demnach komme es durch die nunmehr versagte Steuerbefreiung zu einer Umsatzsteuerpflicht. „Sportvereine müssen jetzt also damit rechnen, dass die Rechtsprechung ihre Leistungen auch insoweit als umsatzsteuerpflichtig ansieht, als sie derartige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sportliche Veranstaltung i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) handelt“. Gesetzgeberisch könne der Bund dies nach Einschätzung des BFH nur durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes lösen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210077/