Urteil der Woche (KW 27)

Im heutigen Urteil der Woche (IX R 15/20) hat sich der BFH mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages in den Jahren 2020 und 2021 beschäftigt.

Kläger im vorliegenden Fall sind Eheleute, welche in den Jahren 2020 und 2021 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Das Finanzamt hatte für das Jahr 2020 einen Bescheid über 2.078 € und für das Jahr 2021 einen Vorauszahlungsbescheid über insgesamt 57 € Solidaritätszuschlag erlassen. Gegen diese Festsetzungen richteten die Eheleute ihre Klage. Das Finanzgericht gab den Klägern jedoch eine Absage. Im Rahmen der vor dem BFH eingelegten Revision beriefen sich die Kläger auf das Auslaufen des Solidarpakts II. Der Solidaritätszuschlag dürfe als Ergänzungsabgabe nur ausnahmsweise zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden. Sein Ausnahmecharakter verbiete eine dauerhafte Erhebung. Der Solidaritätszuschlag in seiner im Jahr 2021 in Kraft getretenen Form verstoße außerdem gegen den im GG verankerten Gleichheitsgrundsatz, da es sich um eine gleichheitswidrige "Reichensteuer" handele.

Der BFH wies die Klage ab und entschied, dass der Solidaritätszuschlag in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig war. Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG) habe die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Eine zunächst verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe könne dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. Der Solidaritätszuschlag sollte bei seiner Einführung im Jahr 1995 der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Lasten dienen. Auch in den Jahren 2020 und 2021 habe nach wie vor ein durch die Wiedervereinigung verursachter Finanzbedarf des Bundes bestanden.

Der Solidaritätszuschlag verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung sei aber gerechtfertigt, da bei Steuern, die an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig sei. Die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags sei mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt.

 

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