Dienstag, 6. Januar 2015, 18 Uhr – Theater Trier

Christa Hämmerle (Universität Wien)

„The second battlefield“. Kriegserfahrungen von Krankenschwestern am Beispiel Österreich-Ungarns

Der Vortrag geht von einer Formulierung der im Gebiet der Westfront tätigen US-amerikanischen Schriftstellerin und Kriegskrankenschwester Mary Borden aus, die das Geschehen in den dortigen Feldlazaretten als „second battlefield“ beschrieben hat. Es war ein Kampffeld, auf dem Ärzte, Sanitäter und Krankenschwestern unaufhörlich gegen die schrecklichen Verwundungen der Soldaten im industrialisierten Krieg, gegen Schmerz und Tod kämpften – und allzu oft verloren. Während deren Geschichte in der anglo-amerikanischen Forschung gut aufgearbeitet ist, gilt das für Österreich-Ungarn nicht. Wie gestalteten sich hier die Kriegserfahrungen der vielen Frauen, die – aus verschiedenen Motiven heraus  – zu Zehntausenden als (Hilfs-)Krankenschwestern „in den Krieg zogen“? Was sagen uns dazu meist im Selbstverlag erschienene oder unveröffentlicht gebliebene Kriegsmemoiren solcher Frauen? Warum fanden solche Aufzeichnungen, die unter anderem von ihrer mitunter lebenslang quälenden Traumatisierung im Krieg erzählen, wenig öffentliche Resonanz – obwohl ihre Autorinnen sich umgekehrt auch in hegemoniale Deutungsmuster des Ersten Weltkrieges einschrieben und einen Platz im Erinnerungskollektiv der „Frontgemeinschaft“ beanspruchten? Was lehrt uns die Geschichte der Kriegskrankenschwestern in Bezug auf die Notwendigkeit, den Ersten Weltkrieg auch in einer frauen- und geschlechtergeschichtlichen Perspektivierung zu deuten?


Christa Hämmerle

ist außerordentliche Universitätsprofessorin für Neuere Geschichte und Frauen- und Geschlechtergeschichte am Institut für Geschichte der Universität Wien. Sie ist dort Leiterin der „Sammlung Frauennachlässe“ und der Redaktion von „L´Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft“. Zu ihren zahlreichen Aktivitäten und Projekten in diesen Forschungsfeldern, der Auto/Biografie- und der Kriegs- und Gewaltforschung gehört zuletzt das gemeinsam mit Ingrid Bauer geleitete FWF-Projekt „(Über) Liebe schreiben. Historische Analysen zum Verhandeln von Geschlechterbeziehungen und -positionen in Paarkorrespondenzen des 19. und 20. Jahrhunderts“. Zwischen 2009 und 2012 war Christa Hämmerle als Humboldt-Gastwissenschaftlerin auch am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung/Geschichte der Gefühle in Berlin tätig.

Publikationen zuletzt u.a.

  • Heimat/Front. Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2014.
  • Gender and the First World War. Ed. with Birgitta Bader-Zaar and Oswald Überegger, Basingstoke: Palgrave McMillan 2014 (darin: "Mentally broken, physically a wreck ...": Violence in War Accounts of Nurses in Austro-Hungarian Service, pp. 89-107).