Projekt: Extreme Formen sozialer Ungleichheit

Projektbeginn: April 2023

Thomas Piketty hat die Einkommens- und Vermögenskonzentration im Zeitraum 1810-2010 für Frankreich, England und die USA auf Basis der verfügbaren Steuerdaten berechnet. Die höchste Vermögenskonzentration wurde in den drei Ländern für das Jahr 1910 geschätzt: Die reichsten Personen (Top-1% der Vermögensbesitzer) hielten in Frankreich 60%, in England 70% und in den USA 47% des nationalen Vermögens. 1970 war bisher das Jahr mit der niedrigsten Vermögenskonzentration. Den reichsten Personen gehörten in Frankreich und England 22% des nationalen Vermögens, in den USA 29%. Seither steigt die Vermögenskonzentration wieder an.

Die Analysen von Piketty stützen sich auf nationale Produktions-, Einkommens- und Steuerdaten. Im hier vorgestellten Projekt werden die Biographien und Geschäftsmodelle ausgewählter Unternehmer analysiert, die im jeweiligen nationalen und historischen Kontext einen exorbitanten Reichtum erworben haben. Wie kann man erklären, dass einzelne Personen während ihrer Lebenszeit ein Vermögen akkumulierten, das für die Zeitgenossen unvorstellbar und unerreichbar war? Welche ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen haben diese Form ökonomischer Machtkonzentration begünstigt? Dazu zwei Beispiele:

- Das Vermögen von John D. Rockefeller (Standard Oil) wurde 1915 auf ca. 900 Mio. US-$ geschätzt. Das jährliche Durchschnittseinkommen eines Industriearbeiters betrug in diesem Jahr ca. 680 US-$. Ein Industriearbeiter hätte also 1,3 Mio. Jahre arbeiten müssen, um dieses Vermögen zu akkumulieren.

- Das Vermögen von Bill Gates (Microsoft) wurde 2021 auf ca. 124 Mrd. US-$ geschätzt. Das jährliche Durchschnittseinkommen eines Fabrikarbeiters in den USA betrug in diesem Jahr ca. 33.150 US-$. Ein Fabrikarbeiter hätte also 3,7 Mio. Jahre arbeiten müssen, um dieses Vermögen zu akkumulieren.

Das jährliche Durchschnittseinkommen eines manuellen Arbeiters wird hier als Währungseinheit (numéraire) benutzt, um den Grad der Ungleichheit zwischen den unteren Einkommensklassen und den reichsten Personen in einer Gesellschaft zu messen. Wenn man diesen Maßstab zugrunde legt, wird deutlich, dass sich die extremen Formen sozialer Ungleichheit im 21. Jahrhundert verstärkt haben.

Die Reihe der Unternehmer, die für die Analyse ausgewählt werden, beginnt mit Jakob Fugger (1459-1525) und schließt mit einer Stichprobe aus der Forbes-Liste der Milliardäre für die Gegenwart. 

 

Literaturhinweise:
Thomas Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert. München 2016: Beck.
Daten zu den Millionären in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg sind verfügbar in:
Rudolf Martin: Das Jahrbuch der Millionäre Deutschlands in 20 Bänden. Berlin: 1912-13.