Ferienintensivkurs 2022

A Groys Fargenign!

Am 26. September 2022 bildete sich ein Grüppchen aus nacheinander eintreffenden Personen vor einem Gebäude der Uni Trier. Zunächst noch etwas scheu, neugierig die anderen beäugend, einschätzend, wurde von jeder neu ankommenden Person die zögerliche Frage gestellt: »Seid ihr auch für den äh Jiddischkurs hier?«. Mit jedem ertönenden »Ja!« brach das Eis ein wenig weiter ein, und schließlich entstand ein kleiner Gesprächskreis, in dem die wichtigsten Fakten ausgetauscht wurden: »Wie seid ihr denn hierhergekommen? Was führt Euch zu Jiddisch? Ach, ihr kommt auch gar nicht aus Trier? Gut! Ich dachte, ich sei die einzige Person von außerhalb!«.

Im Laufe der offiziellen Vorstellungsrunde am ersten Unterrichtstag stellte sich heraus, wie unterschiedlich unsere Hintergründe tatsächlich waren: Simon Neuberg eröffnete den Intensivkurs mit einer Kennlernrunde, in der wir davon berichteten, wie wir bisher mit Jiddisch in Kontakt gekommen waren, – oder eben auch nicht. Biographische Bezüge waren zu hören: Da gab es die Großmutter, die Jiddisch gesprochen, aber diesen Sprachschatz nicht an die folgenden Generationen weitergegeben hatte, die nun im Kurs waren, um diesen Teil ihrer Geschichte nachzuholen. Einige Teilnehmenden beschäftigten sich in akademischen Zusammenhängen mit Dokumenten auf Jiddisch, die sie gerne selbstständig lesen lernen wollten. Immer wieder war zu hören: »Ich kann gar nicht genau sagen, was genau mich an dieser Sprache so fasziniert. Aber sie berührt mich!«. Und: »Die Musik! Ich höre so gerne jiddische Lieder und möchte sie verstehen!« Für manche teilnehmende Person reihte sich Jiddisch ganz natürlich in die Sammlung bereits erlernter Sprachen ein, und bildete ein neues Objekt der Sprachneugierde.

Von der ersten Begrüßung an sprach Simon Neuberg ausschließlich Jiddisch mit uns, und von der gemäßigten Moderation dieser ersten Vorstellungsrunde an nahm er stringent Fahrt auf. Leinen los! Im Nu wurden wir in einen euphorisierenden Strudel eingesogen und bekamen ein Gefühl für die Intensität, die dieser Kurs haben würde. Die folgenden Tage waren dem Erlernen des hebräischen Alphabets gewidmet, hier hatten Teilnehmende mit Vorkenntnissen oder die, die Hebräisch gelernt hatten, gute Startbedingungen. Es kristallisierten sich unterschiedliche Lerntempos innerhalb der Gruppe heraus, an mancher Stelle wurde konzentriert geschnaubt oder sich latent gestresst am Kopf gekratzt. Simon Neuberg navigierte uns souverän und unerschrocken durch diese Wellen des Erstkontakts und sorgte auch bei aufkeimender Resignation stets für eine lockere, humorvolle und offene Atmosphäre. Seine Lieblingsfrage an die Gruppe war: »Nu? Alts farshtanen? Nisht keyn frages?«. Unsere Köpfe antworteten aus der kollektiven Konzentration heraus mit Rauchzeichen.

Nebenbei und besonders an den Nachmittagen entstanden Gespräche, die im Laufe der Tage eine bilinguale Tendenz entwickelten: Dadurch, dass wir ausschließlich auf Jiddisch unterrichtet wurden, mischten sich die jiddischen Wörter und Ausdrücke irgendwann wie von selbst ins Deutsche. Hier und da wurde gemunkelt, wann wir wohl beginnen würden, auf Jiddisch zu träumen…

Nachmittags und an einigen Abenden erlebten wir Programmpunkte, die über das reine Erlernen der Sprache hinausgingen: Ein gemeinsamer Kinobesuch, im Zuge dessen wir den Film »Die jungen Kadyas« ansahen, der ein jiddisches Chorprojekt während des Yiddish Summer Weimar vor einigen Jahren porträtiert; eine Lesung der Autorin Sandra Kreisler aus ihrem Buch »Jude sein« in der Synagoge Trier; sowie einen Streifzug durch die Uni Bibliothek- auf der Suche nach jiddischer Literatur.

Rückblickend erlebten wir in dieser Woche tatsächlich genau das, was ihre Überschrift versprochen hatte: einen Intensivkurs. Neben dem Erleben der jiddischen Sprache und Schrift waren wir umgeben von Simon Neubergs Leidenschaft für Bücher, insbesondere für Wörter,- und Kinderbücher, die nach euphorischen Kurzrezensionen und Inhaltsangaben durch die Reihen gereicht wurden, wie wertvolle Geschenke. Am letzten Tag waren wir als Gruppe sichtlich zusammengewachsen und geradezu melancholisch ob des doch abrupten Endes dieses Feuerwerks an Inhalten, Begegnungen und Inspirationen. Wie am Montagmorgen standen wir nun am Freitagnachmittag im Kreis und stellten uns Fragen. Diesmal allerdings:

»Und wie geht es bei Dir jetzt weiter mit Jiddisch? Wohin zieht es Dich als Nächstes?«. Bevor sich die Gruppe nach und nach auflöste, wurden Nummern ausgetauscht, Ideen für mögliche Orte des Wiedersehens überlegt und es wurde klar: Diese Woche wird nachwirken- im besten Sinne.

Für alle zukünftigen Teilnehmenden sei gesagt:

Hot nisht keyn moyre, s’iz nisht azoy shver. S’iz ale mol a groys fargenign!

A sheynem dank, Simon Neuberg!

Elena Kraft, Bremen

 

Intensivkurs Jiddisch 2014

Der Sprachkurs „Intensivkurs Jiddisch I“ unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Simon Neuberg führte Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Archäologie, Germanistik, Kunstgeschichte, Theologie, Psychologie und Judaistik, sowie Berufstätige und Liebhaber der jiddischen Sprache zusammen.

Die Geschichte des aschkenasischen Judentums und mit ihm die Geschichte der jiddischen Sprache begann vor ca. 1000 Jahren. Reiche jüdische Gemeinden entstanden entlang der großen Flüsse Mitteleuropas sowie in den Siedlungsgebieten an Rhein und Mosel. Die Juden lebten überwiegend innerhalb der Städte und grenzten sich als Gruppe gegenüber ihrer christlichen Umwelt ab. Von Außen begegnete man ihnen häufig mit Diskriminierung. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die jüdischen Gemeinden immer wieder zum Ziel antijudaistischer Ausschreitungen und Enteignungen. Im Inneren der gut organisierten Gemeinden entwickelte sich eine reiche, eigene Kultur, religiöse Tradition und Sprache. Durch das Ursprungsgebiet erklärt sich auch, dass das Jiddische auf deutsche Muttersprachler sehr vertraut wirkt. Eine Quelle der jiddischen Sprache ist das Deutsche.

Um 1500 hatte sich das Zentrum der aschkenasischen Kultur aus dem Rheinland nach Osteuropa verlagert, wo Elemente slawischer Sprachen das Jiddische bereicherten. Daneben bildeten linguistische Mitbringsel aus Norditalien und Frankreich, sowie das Hebräisch-Aramäische einen integrierenden Bestandteil des jiddischen Sprache. Zu diesen fremdartigen und für Erstlerner exotischen Anteilen zählt auch, dass Jiddisch in hebräischen Buchstaben, von rechts nach links geschrieben und gelesen wird. Ebendiese Mischung aus Vertrautem und Fremdem, macht auch den Reiz der jiddischen Sprache aus.

Ab dem 19. Jahrhundert schließlich entstanden Sprachinseln in den USA und Lateinamerika. Das Jiddische erfährt eine globale Verbreitung.

Als einer von zwei Lehrstühlen bundesweit, die der Erforschung der jiddischen Sprache und Kultur gewidmet sind, ist die Jiddistik ein Alleinstellungsmerkmal der Universität Trier. Einige Teilnehmer des Sprachkurses waren extra für den Jiddischkurs aus Freiburg und Mainz angereist.
Genauso vielfältig und bunt wie die Teilnehmerschaft war auch das Programm. Den Sprachschülern wurden erste Kenntnisse der Schrift, der Grammatik, sowie des Wortschatzes vermittelt. Darüber hinaus erhielten sie einen Einblick in viele Bereiche der jiddischen Literatur.
Auf großes Interesse stießen die sehr schön ausgewählten Tierfabeln, die Grunderfahrungen des zwischenmenschlichen Kontakts thematisieren. Darüber hinaus hatten die Teilnehmer die Chance Werke der älteren jiddischen Literatur kennen zu lernen und den zugrundeliegenden Druck- und Buchbindetechniken auf die Spur zu gehen.
Einige Stunden waren für die Klezmer-Musik reserviert, die, mal traurig-leidenschaftlich, mal fröhlich und unbeschwert, vor allem als musikalische Begleitung zu Hochzeiten diente. Schließlich erhielten die Teilnehmer Einblicke in die Projekte von Liebhabern des Jiddischen weltweit. Von Koch- und Yogakursen in jiddischer Sprache, über Kinderbücher, bis hin zu eifrig geführten Debatten darüber, ob dem Wort Mobilke oder Keshene – Telefon als jiddischem Ausdruck für Handy der Vorzug gegeben werden sollte.
Bleibt zu erwähnen, dass neben den intensiven Lernphasen auch noch genug Zeit zur Verfügung stand, nette Leute aus ganz Deutschland kennen zu lernen und gemeinsam die letzten, späten Sonnenstrahlen zu genießen.

Eine Beschäftigung mit der Sprache der aschkenasischen Juden lohnt in jedem Fall. Jiddisch bietet viel Material für sprach- und literaturwissenschaftliche Untersuchungen. Es ermöglicht den Zugang zu zahlreichen Dokumenten, die für die Literatur-, Sprach-, Religions- und Geschichtswissenschaft von Bedeutung sind, aufgrund der Klezmer Musik ergeben sich Schnittmengen mit der Musikwissenschaft.
Nicht zuletzt ist das Jiddische eine Sprache voller Schönheit, Eleganz und unzerstörbarem Witz. Sie hat eine warme, direkte und herzliche Ausdrucksweise, legt Zeugnis ab von einer reichen Kultur und Geschichte und bewahrt Lebenserinnerungen aus vielen Jahrhunderten.
 

Literaturempfehlungen:

Marion Aptroot; Roland Gruschka: Jiddisch. Geschichte und Kultur einer Weltsprache. 2010. München: C. H. Beck
Mordechai Breuer; Michael Graetz: Deutsch – jüdische Geschichte der Neuzeit. 2000. München: C.H. Beck


Zwei Seminarteilnehmerinnen sollen noch zu Wort kommen:

Heidi Rautert kommentiert den Kurs so:
„Mit vollen Segeln, unermüdlicher Energie, Esprit und Intensität ist Prof. Neuberg aufs Yidish-Meer gesegelt. Da bin ich gerne zugestiegen, habe wohl zuzeiten vor lauter oysyes und lemoshel in den Seilen gehangen. Es war herrlich. Diese Sprache hat etwas  herzerwärmendes, schwer zu greifen, warum, efsher lag es am Sprecher.
Warum ich zu der netten Gruppe gekommen bin? Zweckfreies Interesse, Sprache bietet besten Zugang zu interessanten Kulturen.
Zum Abschied sage ich jetzt immer gerne - zay gezunt!“

Und Sigrid Wald meint:
„Es gibt viele Gründe, weshalb ich Jiddisch interessant finde. Ich habe schon immer gedacht, dass es schön wäre, die Sprache zu lernen. Es ist eine wichtige Sprache der europäischen Kultur und Geschichte. Ich fand es auch schön, mit so vielen sympathischen Menschen zusammen zu sein und kann mir gut vorstellen, dass ich meine Kenntnisse in Zukunft im Zusammenhang mit meinem Interesse an Sprachen und Geschichte nutzen kann.“

 

Ferienintensivkurs 2009

Vom 12. bis zum 16. Oktober 2009 lud die Jiddistik an der Universität Trier wieder interessierte Schülerinnen und Schülern (ab der 10. Jahrgangsstufe) sowie Studierende (im Grundstudium) zu einem Sprach-Intensivkurs ein. Es kamen 10 TeilnehmerInnen, die das Jiddische kennenlernen wollten. Schülerinnen aus Trier lernten gemeinsam mit Studierenden unter der Leitung des Lektors Michael Felsenbaum die Schriftzeichen des hebräischen Alphabets und erwarben Grundkenntnisse der jiddischen Grammatik und des Wortschatzes, um leichte jiddische Texte lesen zu können. Das Kulturprogramm am Nachmittag vermittelte Grundbegriffe des jüdischen Lebens und der osteuropäisch-jüdischen Kultur vermittelt, die auch für das Textverständnis nötig sind. 

 

Ferienintensivkurs 2008

Der SWR2 berichtete in seinem "Journal am Mittag" am 09.10.2008 über den Intensivkurs 2008.