Wer ist Pirx?

Pirx (,,Pilot Pirx``) ist eine Gestalt von Stanislaw Lem. Auf seinen Abenteuern hat Pirx oft mit Robotern oder Computern zu tun, wie z.B. auch mit Terminus. Die folgende Geschichte ist aus dem Buch ,,Die Jagd - Geschichten um den Piloten Pirx``, aus der Geschichte ,,Der Unfall``:


(...) Es gehörte noch jemand zu ihnen, allerdings kein Mensch, sondern besagter Aniel, ein nichtlinearer Automat, eines der auf der Erde produzierten neuesten Modelle für Forschungen der höchsten Selbständigkeitsstufe. Massena als Kybernetiker war lediglich durch einen Anachronismus hier, weil nämlich das Reglement verlangte, daß am Einsatzort eines Automaten auch jemand anwesend sein müsse, der ihn notfalls reparieren könne. Aber das Reglement war mittlerweile seine zehn Jahre alt - bekanntlich ändern sich Vorschriften nicht so schnell -, und Aniel hätte, wie Massena mitunter selbst zu sagen pflegte, notfalls eher ihn reparieren können als umgekehrt. Nicht nur, weil seine Funktionstüchtigkeit nichts zu wünschen übrigließ, sondern weil er auch über elementare medizinische Kenntnisse verfügte. Pirx wußte aus langjähriger Erfahrung, daß man einen Menschen oft leichter nach seinem Verhältnis zu den Robotern als zu seinen Mitmenschen beurteilen konnte. Seine Generation war in eine Welt hineingeboren worden, in der die Automaten ebenso selbstverständlich waren wie die Raumschiffe, aber die Sphäre der Roboter hatte sich ihr besonderes Fluidum bewahrt, ihr haftete noch immer ein Hauch von Irrationalität an. Manch einem fiel es leichter, eine gewöhnliche Maschine ins Herz zu schließen, das eigene Auto beispielsweise, als einen Apparat, der dachte. Die Zeit, da die Konstrukteure endlos herumexperimentiert hatten, neigte sich ihrem Ende zu - so sah es wenigstens aus. Es wurden nur noch zwei Typen von Automaten gebaut: hochspezialisierte und universell einsatzfähige. Einzig und allein der kleinen Gruppe der Universalautomaten hatte man annähernd menschenähnliche Formen gegeben, und das auch nur deshalb, weil von allen getesteten Konstruktionen diejenigen am leistungsfähigsten waren, die der Natur entlehnt waren, vor allem unter den erschwerten Bedingungen planetarischer Erkundungsfahrten. Die Ingenieure waren nie sonderlich beglückt, wenn ihre Produkte eine Spontaneität an den Tag legten, die unwillkürlich den Gedanken an ein Innenleben aufkommen ließ. Im allgemeinen hieß es, die Roboter könnten wohl denken, besäßen aber ,,keine Persönlichkeit``. Und in der Tat --- niemand hatte es je erlebt, daß ein Automat in Wut oder Entzücken geraten wäre, daß er geweint oder gelacht hätte. Sie waren ideal ausgeglichen, wie ihre Konstrukteure es wünschten. Weil ihr Hirn jedoch nicht auf dem Montageband entstand, sondern in einem langwierigen Zuchtprozeß von Monokristallen, die in ihrer statistischen Variabilität nicht zu beeinflussen waren, kam es zu gewissen Molekularverschiebungen, wenn diese auch noch so geringfügig waren. Solche Endabweichungen hatten zur Folge, daß es genaugenommen keine zwei Automaten gab, die absolut identisch gewesen wären. Also doch Individualität? Nein, lautete die Antwort des Kybernetikers, sondern Ergebnisse eines probabilistischen Prozesses. Diese Meinung vertrat auch Pirx, wie wohl jeder, der viel mit Robotern zu tun und jahrelang ihre schweigende, immer sinnvolle, immer logische Umsicht neben sich gespürt hatte. Gewiß, untereinander glichen sie sich viel mehr als den Menschen, aber auch sie hatten ihre Unarten, ihre Marotten, und unter ihnen fanden sich manche, die bei der Befehlsausübung sogar so etwas wie passiven Widerstand leisteten, ein Umstand, der mit einer Generalüberholung endetet, wenn sich dieser Zustand verschlimmerte. Pirx - und er war sicher nicht der einzige - hatte diesen merkwürdigen Maschinen gegenüber, die ihre Aufträge so exakt ausführten und zuweilen eine enorme Erfindungsgabe zeigten, kein ganz reines Gewissen. (...)
Holger Behmebehmephysik3.gwdgde