Who Are You? Zur Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen im Landkreis Trier-Saarburg.

Who Are You? Zur Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen im Landkreis Trier-Saarburg. Ergebnisse einer Befragung im Jahr 2016.

Selten hat ein Thema die öffentliche gesellschaftliche und politische Diskussion so bewegt und zu so gegensätzlichen Reaktionen geführt wie die Flüchtlingsbewegung, die im Sommer 2015 auch die Bundesrepublik erreicht haben. Aufgabe der Sozialwissenschaften ist es, solche Transformationsprozesse zu begleiten. Aus diesem Überlegungen heraus entstand die Idee, ein empirisches Forschungsprojekt unter dem Titel „Who are You?“ durchzuführen, das sich mit der Frage nach der sozialstrukturellen Zusammensetzung der Asylsuchenden und Flüchtlingen beschäftigt. Wer sind die Menschen, die aufgrund von Kriegen, Terror und Armut aus ihrer Heimat geflohen sind oder vertrieben wurden? Aus welchen Ländern kommen die Menschen? Fliehen vor allem junge Männer oder ganze Familien? Sind es vor allem die hoch gebildeten Personen oder eher die, die bereits in ihrer Heimat eher schlechte Ausgangsbedingungen und Chancen hatten? Haben die in Deutschland angekommenen Flüchtlinge eine Rückkehroption oder -vision? Planen oder erhoffen sie also eine Rückkehr sobald sich die politische, humanitäre und wirtschaftliche Situation geändert hat? Oder suchen sie dauerhaft eine neue Heimat in Deutschland? Wie setzt sich die wahrscheinlich sehr heterogene Gruppe zusammen? Sind es vor allem Asylsuchende oder Kriegsflüchtlinge, Kontingentflüchtlinge oder sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“? Diese – und andere Fragen mehr – waren zu Beginn der Überlegungen zu diesem Projekt offene Forschungsfragen und sind es vielfach bis heute. Eine sozialwissenschaftliche Begleitforschung erscheint dringend notwendig. Und dies gerade auch auf regionaler Ebene: Erstens obliegt die konkreten Integrationsleistungen in der Regel den Kommunen und auch hier benötigt man dann entsprechende Informationen. Fast wichtiger ist jedoch zweitens, dass die meisten amtlichen Berichte zwar eine breite Datengrundlage haben, jedoch nur ausgesprochen selten diese an sich gute Quellenlage adäquat auswerten. Aber erst durch den Einsatz multivariater Analyseverfahren kann man soziale Prozesse und Mechanismen entsprechend nachvollziehen und verstehen und genau dieses Verständnis sozialer Prozesse ist ja letztlich die Aufgabe der Sozialwissenschaften.

Das Forschungsprojekt wurde vom Bistum Trier und dem Ministerium für Familien, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz finanziell unterstützt. Da eine mündliche Befragung der Flüchtlinge und Asylsuchenden vor unüberwindbaren logistischen Problemen stand, wurde ein schriftlicher Befragungsmodus gewählt. Mit Hilfe des Projektes „Flucht und Asyl“ des Caritasverbandes Trier e.V. – hier sei allen Beteiligten von Herzen gedankt – wurden Fragebögen in der jeweiligen Muttersprache an rund 1.700 Personen verteilt. Die Teilnahmequote war trotz verschiedenster Maßnahmen bedauerlich gering. Im Folgenden werden jedoch die Ergebnisse vorgestellt, die trotzdem statistisch abgesichert sind:

  • Flüchtlinge kommen zum überwiegenden Teil aus Syrien und Afghanistan und sind vor allem Muslime.
  • Die hier lebenden Frauen sind – zumindest ab einem gewissen Alter – verheiratet oder dann eben auch verwitwet. Bei den Männern ist die Verheiratungsquote circa 50 Prozent.
  • Wer verheiratet ist, hat in der Regel auch Kinder, allerdings ist die Kinderzahl deutlich geringer als häufig kolportiert.
  • Sehr viele Partner, vor allem aber viele Kinder leben bereits ebenfalls in Deutschland.
  • Für die nicht hier lebenden engen Familienangehörigen gibt es zwar durchaus Nachzugspläne. Eine sicherlich kritisierbare Schätzung des Nachzugspotentials geht aber von einer Quote von unter 50 Prozent aus. Auch wenn dies eine Herausforderung darstellt, ist diese Aufgabe sicherlich lösbar.
  • Das Bildungsniveau ist relativ hoch, wobei vor allem die Männer und Frauen aus Afghanistan eine deutlich geringere durchschnittliche Schulzeit aufweisen.
  • Die Sprachkenntnisse sind deutlich zu verbessern. Relativ sind die Englischkenntnisse bei den Flüchtlingen aus Syrien und die Deutschkenntnisse bei den Personen aus Afghanistan am besten.
  • Vor allem die Männer waren – wenn auch altersabhängig unterschiedlich – im Heimatland berufstätig und hierbei vor allem im handwerklichen Bereich.
  • Trotz der – bei Ortsbesichtigungen deutlich werdenden – Mängel sind die befragten Personen mit ihrer Unterbringung, vor allem aber mit der Betreuung und Unterstützung sehr zufrieden. Auch hier sind übrigens die Zufriedenheiten bei den aus Afghanistan kommenden Personen am höchsten.
  • Die aktuelle Wohnsituation ist – vor allem Personen, die nur mit Fremden oder alleine leben – belastend.
  • Der Kontakt mit dem Heimatland wird vor allem von den aus Syrien stammenden Personen aufrechterhalten, diese Gruppe hat auch die meisten freundschaftlichen Beziehungen zu der autochthonen Bevölkerung.
  • Die Gruppe der aus Syrien stammenden Personen weist dann aber überraschenderweise auch die höchsten Werte auf der sogenannten Depressivitätsskala auf. Dies mag allerdings mit der aktuellen kriegerischen Situation in Syrien zusammenzuhängen.
  • Als Zukunftsziele geben die meisten Personen an, sich weiterbilden zu wollen oder zu arbeiten. Erwartungsgemäß ist hier insbesondere das Potenzial für bzw. auch das Interesse an handwerklichen Tätigkeiten zu betonen, nach unseren Analysen ist die Hoffnung auf eine Deckung von Bedarfen in diversen Mängelberufen in diesem Sektor somit nicht unbegründet. Die häufigste Nennung ist jedoch die Bildung von Freundschaften mit Deutschen und somit die aktive Integration.
  • Konsequenterweise ist für die meisten Personen eine Rückkehr keine realistische Option. Die Menschen sehen ihre Zukunft in der näheren Umgebung und die politisch Handelnden sollten sich auf die entsprechenden Aufgaben vorbereiten.

Der ausführliche Bericht des Forschungsprojektes ist hier erhältlich.