Evaluation des menschlichen Leistungsfaktors

Fragestellungen

In der zweiarmigen Querschnittsstudie sollte das biologische Beanspruchungsprofil der zwei unterschiedlichen römischen Flusskriegsschiffe Lusoria Rhenana (4. Jh. n. Chr.) und Victoria (1. Jh. n. Chr.) über die Erhebung biologischer Beanspruchungsparameter verglichen werden.

Ein derartiges Militärfahrzeug, wie die VICTORIA oder die LUSORIA RHENANA, kann nur so schnell sein, wie es von seinen Ruderern angetrieben werden kann. Aus eigenen Erfahrungen ist jedem nachvollziehbar, dass es erhebliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von der Intensität, Distanz und Belastungsdauer gibt, d.h. die Leistungsfähigkeit der Ruder stellt bei der Untersuchung einen limitierenden Faktor dar.

Laktat (Milchsäure) eignet sich gut als Indikator, um Einblicke in die individuelle Kapazität zu bekommen. Setzt man den Laktatspiegel mit der individuellen Leistung in Beziehung, hier in unserem Beispiel die Geschwindigkeit der römischen Militärschiffe, so kann man Rückschlüsse auf das Tempo ziehen, das über eine längere Zeit (aerob) oder im Maximaltempo (anaerob) durchgehalten werden kann. Daher war Laktat war für die Untersuchung mit den römischen Schiffen der wesentliche Parameter.

Daneben wurden auch kardiozirkulatorische Daten erhoben. Die Herzfrequenz erlaubt grobe Rückschlüsse auf den Beanspruchungsgrad des Herzkreislaufsystems, ist aber auch ein einfacher Parameter zum Transfer. Wenn es darum geht, Ergebnisse der Laktat-Leistungsdiagnostik in die Praxis zu übertragen bzw. Rückschlüsse aus der Praxis auf die Leistungsdiagnostik zu ziehen, bedient man sich der Herzfrequenz. Da die Herzfrequenz keine Apparatekonstante ist, wird sie von einer Vielzahl individueller Variablen beeinflusst (Alter, Geschlecht, Körpermaße, Trainingszustand, vegetative Reaktionslage etc.). Es bedarf daher stets einer individuellen Angabe der Herzfrequenz.

Hauptfragen der durchgeführten Tests waren:

Zu welcher maximalen Geschwindigkeit können die Schiffe durch eine volle Besatzung Ruderer angetrieben werden?

Welche Durchschnittsgeschwindigkeiten kann eine volle Besatzung Ruderer in den beiden Typen römischer Kriegsschiffe über eine längere Zeit von ca. zwei bis drei Stunden halten?

Untersuchung

Anfang September 2012 fanden die Fahrten auf einem Stausee statt. Als Untersuchungsort wurde der Halterner Stausee gewählt. Für eine volle Bootsbesatzung wurden 20 junge männliche und weibliche erfahrene Sportler zwischen 20 und 30 Jahren gewonnen.

Die Untersuchung gliederte sich in vier Phasen:

1. Vorversuchsphase: Das Rudern in den Flusskriegsschiffen ist natürlich ein Rudern ohne Rollsitzeinsatz. Die Ruderaktivität beschränke sich also weitgehend auf den Einsatz der Arme und des Rumpfes. In Vorversuchen auf einem Ruderergometer wurde erprobt, welche Schlagfrequenz und Schlagtechnik den ökonomischsten Einsatz gewährleisten könnten.

2. Gewöhnungsphase: Hier nutzten die Tester die Gelegenheit, sich an die Sitz- und Hebelverhältnisse in den Militärschiffen zu gewöhnen, die Rudertechnik auszuprobieren und Manöver wie Wenden, Abbremsen, Anlegen etc. zu üben.

3. Dreistufiger Feldstufentest: Am Testtag wurde zuerst auf der LUSORIA und dann auf der VICTORIA ein Dreistufentest gefahren. Die Teststrecke von 1.000 m wurde dreimal in einer Richtung mit subjektiv – da keine Geschwindigkeitserfahrungen in den einzelnen Belastungsbereichen für die Boote vorlagen – moderater, mittlerer und hoher Geschwindigkeit durchfahren.

Es wurden folgende Parameter erhoben:

- Die Geschwindigkeit der Boote im Wasser wurde gemessen und Fahrt über Grund mit GPS ermittelt

- Witterungsparameter, wie Temperatur, Wind etc.

- Herzfrequenz: Die Herzfrequenz wurde kontinuierlich registriert. Jeder Ruderer trug einen Brustgurt, der über EKG-Sensorik die Herzfrequenz ermittelte

- Blutlaktatkonzentration: Nach jeder Belastungsstufe sowie zusätzlich in der dritten und fünften Nachbelastungsminute der letzten Stufe im Feldtest wurden 10 μl Blut aus dem hyperämisierten Ohrläppchen entnommen.

4. Individueller, laborgestützter Ruderergometertest: Zur differenten Ermittlung der Leistungsfähigkeit wurde bei einem Teil (n = 11) der Ruderer eine ebenfalls dreistufige Ruderergometrie auf einem Ruderergometer der Firma Concept durchgeführt, wobei folgende Parameter erhoben wurden: Herzfrequenz, Laktat und die Leistung in Watt.

Ergebnisse

Die Testergebnisse gelten natürlich nur für vergleichbare Witterungs- und Beladungsbedingungen sowie für stehende Gewässer. Geschwindigkeitsvariablen, die bei allen Betrachtungen nicht berücksichtigt wurden, sind die Fließgeschwindigkeit der Gewässer und natürlich die Fahrtrichtung. Der Test erfolgte auf einem nahezu ruhenden Gewässer, eine Strömung würde die Wertung sowohl positiv (stromab) als auch negativ (stromauf) beeinflussen.

Jede Belastungsstufe führe zu einem kontinuierlichen Anstieg sowohl der Herzfrequenz als auch der Laktatkonzentration. Ausgehend von Herzfrequenzruhewerten um die 80 s/min stieg die Herzfrequenz auf ca. 125 s/min bei moderatem Tempo, auf ca. 135 s/min bei mittlerem Tempo und auf gut 150 s/min bei hohem Tempo. Die Laktatwerte stiegen von 1,2 mmol/1 in Ruhe auf 1,8 mmol/l bei moderatem Tempo, 3,2 mmol/l bei mittlerem Tempo und 4,0 mmol/1 bei hohem Tempo. Insgesamt haben die beiden Tests gezeigt, dass die konstante Crew zweimal vergleichbare Belastungen auf den Booten erreicht hat.

Bezieht man die ermittelten Parameter auf die Geschwindigkeiten in Knoten oder km/h, so trennen sich die beiden Kurven deutlich. Das Geschwindigkeitsspektrum der LUSORIA liegt deutlich unter dem der VICTORIA. Die Maximalgeschwindigkeit der LUSORIA lag bei 4,7 kn bzw. 8,7 km/h, die der VICTORIA bei 5,3 kn bzw. 9,8 km/h. Bei der Maximalgeschwindigkeit wurde ein Wert für die Gesamtgruppe von ca. 4,0 mmol/1 Blutlaktat erreicht. Vorsichtig hochgerechnet würde die Maximalgeschwindigkeit, die von den Testbooten mit der Testcrew erreicht wurde, allenfalls für 15 bis 20 Minuten unter größter Anstrengung durchgehalten werden können.

Durchschnittsgeschwindigkeit: Belastungen über längere Zeit können nur dann durchgehalten werden, wenn sie aerob erfolgen, d. h. genügend Sauerstoff und Enzymkapazität zur Verfügung steht. Die Geschwindigkeit, die bei 2,5 mmol/1 Laktat erreicht wird, beträgt für die LUSORIA 8,35 km/h bzw. 4,48 kn, für die VICTORIA 9,45 km/h bzw. 5,10 kn. Bei gleichem Anstrengungsgrad ist also die VICTORIA 1,1 km/h bzw. 0,62 kn schneller. Dass es sich bei den Ruderern in den beiden unterschiedlichen Schiffen bei dieser Laktatkonzentration um den identischen Anstrengungsgrad handelt, belegen auch die korrespondierenden Herzfrequenzen. In beiden Schiffen lag für die gesamte Mannschaft die Herzfrequenz im Mittel bei exakt 140 Schlägen pro Minute.

Veröffentlichung

Den ausführlichen Beitrag finden Sie in dem 2016 publizierten Buch: Lusoria Rhenana. Ein römisches Schiff am Rhein.

(Fromme, Albert/Thorwesten, Lothar/Völker, Klaus: Rudern wie die Römer. Evaluation des menschlichen Leistungsfaktors, S.134-147)

Die Tests wurden mit der freundlichen Unterstützung des Instituts für Sportmedizin des Universitätsklinikum Münster ausgeführt.

 

Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des Schiffes.