PLAFIG130

Skulptur aus gelbem Sandstein, möglicherweise ursprünglich in der Marienkapelle aufgestellt oder als Teil eines Statuenportals inszeniert, das sich an der Eingangsseite des Hospitals mit angeschlossener Katharinenkapelle befunden hat (Bunjes / Irsch, S. 261).

Die Skulptur misst 1400 mm.

 

Die schlanke, kantige Gestalt der Skulptur lässt auf den ursprünglich rechteckigen Stein, aus dem sie gemeißelt worden ist, erkennen.

Eingebettet in ein ovales, schmales Gesicht hebt sich eine eckige Stirn ab. Auf der rechten Seite der Stirn befinden sich vermutlich altersbedingte Abschürfungen, durch die die Stirnpartie uneben erscheint. Sie wird von drei großen Locken bekrönt, die durch je eine kleinere Locke verbunden werden. In der Mitte einer jeden Locke befindet sich eine Einkerbung, um den einzelnen Strähnen Struktur zu verleihen. Das Haupthaar fällt in sanften Wellen bis auf den Rücken der Figur hinab. Große, abstehende Ohren halten das Haar aus dem Gesicht. Der Ohrmuschelrand ist sehr breit und wird durch eine leichte Vertiefung von der inneren, ausgehöhlten Ohrmuschel differenziert.

Tiefe Augenhöhlen, in denen halbmondförmige, pupillenlose Augen liegen, kennzeichnen das Gesicht der Skulptur. Ein schweres Oberlid betont die Form der Augen und verleiht der Skulptur einen melancholischen Blick. Die Augenbrauen sind kaum definiert und nur zu erahnen, bevor sie den Schwung der Nasenwurzel aufgreifen. Der Nasenrücken ist zunächst breit, wird immer schmaler, bis er in den scheinbar aufgeblähten Nasenflügeln mündet. Im Profil geht die Stirn fließend in den Nasenrücken über. Ein Teil der Nasenspitze ist abgebrochen, sodass die ausgeformten Nasenlöcher nur noch bedingt erkennbar sind.

Ein glatter Bart, der durch schmale, fingerbreite Linien in regelmäßigem Abstand gegliedert wird, hebt sich kaum vom Gesicht ab. Die einzelnen Strähnen beschreiben einen sanften Schwung zum Kiefer hin.

Dagegen zeichnen sich die Lippen im Profil deutlich vom Bart ab. Den Mund scheint die Figur leicht geöffnet zu haben, eine breite Linie zwischen Ober- und Unterlippe suggeriert das.

Der Hals, der den Kopf trägt, ist schlank und zierlich und wird von der Haarmähne unterstützt, die neben dem Hals einen Teil des Gewichts des Kopfes trägt. Der Adamsapfel beschreibt eine annähernd dreieckige Form und hebt sich deutlich von dem ansonsten ebenen Hals ab. Er mündet in der Drosselgrube, die halb von dem Rundausschnitt des Gewandes verdeckt wird.

Die Schultern der Skulptur fallen stark ab (vgl. PLAFIG 131). Sie trägt einen Mantel über der Kutte, die unterhalb des Brustkorbs geschnürt ist. Die Schnürung wird von dem Gegenstand verdeckt, den die Skulptur in der rechten Hand hält.

Der rechte Arm der Skulptur ist angewinkelt: Mit der Hand umschließt sie einen eckigen Gegenstand mit abgerundeten Kanten und zweifacher Einkerbung im unteren Drittel. Eine schräge Bruchkante verbindet die beiden Einkerbungen. Dabei handelt es sich vermutlich um eine beschädigte und wieder reparierte Stelle, da sich entlang der Bruchkante Mörtelreste finden. Aus der geschlossenen Hand geht ein abgebrochenes Stück desselben Gegenstandes hervor. Der Ärmel dieser Hand fällt ein Stück zurück, sodass sich drei große Falten bilden und der Ansatz vom Arm frei liegt.

Den linken Arm winkelt die Figur seitlich am Körper an und balanciert auf der Hand einen rechteckigen Gegenstand mit zwei umfassenden Gliedern. Bei diesem Gegenstand könnte es sich um ein Buch mit zwei Schließen handeln. Oberhalb der linken Hand rafft sich der Stoff, sodass eine große Falte entsteht.

Die Falten der Kutte und des Mantels fallen bis auf den Boden und vollziehen eine sanfte Bewegung nach rechts. Unterhalb des länglichen Gegenstandes bilden sich zwei Falten, die zusammen laufen und von den Falten links und rechts im Gewand allmählich verschluckt werden.

Über dem rechten Bein enden mehrere Stoffbahnen, die an eine Raffung oder einen mehrlagigen Stoff erinnern. Darunter schauen die nackten, grobschlächtigen Zehen der Figur heraus. Beide Füße sind sehr breit. Die Zehen wirken unnatürlich: Sie sind gleich lang, gleich breit und vollziehen eine leichte Krümmung nach unten. Der Stoff liegt auf den Füßen, verfügt allerdings über eine breite Kante, sodass dem Gewand jegliche Leichtigkeit genommen wird. Auf einem Sockel steht die Skulptur nicht (mehr).

 

Nach Bruder Valerius handelt es sich bei dieser Skulptur um Petrus, dessen Schlüssel im Laufe der Zeit stark beschädigt wurde. Ein Foto, das Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen und nun im Archiv von St. Matthias aufbewahrt wird, lässt eine andere These zu: Das Foto zeigt die Skulptur mit einem Stab, der nicht wesentlich höher reicht als die Bruchkante verläuft. Demnach könnte es sich hierbei um eine Schriftrolle handeln, sofern das Foto den ursprünglichen Zustand des runden Gegenstandes festhält. Sollte es sich bei den Attributen dieser Skulptur tatsächlich um Buch und Schriftrolle handeln, könnte sie als Prophet oder einer der Evangelisten identifiziert werden. Diese Hypothese stellten bereits Bunjes und Irsch auf, die in der Skulptur Johannes den Evangelisten vermuteten (Bunjes / Irsch, S. 249).

Da Bunjes und Irsch PLAFIG 129, PLAFIG 130 und PLAFIG 131 als Ensemble sehen, könnte es sich bei dem ursprünglichen Aufstellungsort der Skulptur sowohl um die Marienkapelle handeln, die zwischen 1242 und 1253 erbaut und 1809 niedergelegt worden ist (Bunjes / Irsch, S. 261), als auch um das rundbogige Statuenportal, das sich an der Eingangsseite des Hospitals mit angeschlossener Katharinenkapelle befunden haben und 1284 fertiggestellt worden sein soll (Bunjes / Irsch, S. 261). Ob es sich bei den drei Statuen PLAFIG 129, PLAFIG 130 und PLAFIG 131 tatsächlich um eine Gruppe gehandelt hat, bleibt fraglich. Obwohl die Figuren Analogien zueinander aufweisen (ähnliche Form der gesamten Statue / der Gesichter / der Füße, Gewänder und Faltenwurf, etc.), unterscheiden sie sich in Material, Größe und möglicherweise im Alter (vgl. PLAFIG 129). PLAFIG 130 weist große Ähnlichkeit zu PLAFIG 131 auf, infolgedessen eine ähnliche Datierung in die erste Hälfte bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts vorgenommen werden kann.