SoSAD - Social Simulation for Analysis of Infectious Disease Control
Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt sowohl unsere Gesellschaft als auch unser Wirtschafts- und Gesundheitssystem vor neue, große Herausforderungen. Wann sollten Schulen/ öffentliche Einrichtungen geschlossen werden? Welche Kontaktbeschränkungen sollten gelten? Wann können entsprechend der Infektionszahlen Lockerungen umgesetzt werden? Auf politischer Ebene entsteht ein Entscheidungsdilemma, in dem die Anwendung von Maßnahmen im Krisenmanagement zur Eindämmung und zur Kontrolle des Virus fundiert beschlossen werden sowie zeitnah und effektiv auf Veränderungen der aktuellen Gefahrensituation reagiert werden muss. Eine Unterstützung bei der Entscheidungsfindung ist hierbei unerlässlich. Die Wirksamkeit von Maßnahmen – wie beispielsweise die Lockerung oder Ausweitung von Kontaktbeschränkungen, verstärktes Home-Office und eine Umstellung des Schulbetriebs – sollte vorab untersucht werden können.
Wie kann die Entscheidungsfindung auf politischer Ebene unterstützt werden?
Methoden der künstlichen Intelligenz können dazu beitragen, die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen vorab einzuschätzen. Im Themenfeld Kognitive Sozialsimulation des DFKI und der Arbeitsgruppe Wirtschaftsinformatik I verfügen wir über umfangreiche Erfahrung in der agentenbasierten Modellierung und Sozialsimulation, die zum Beispiel für Simulationen von eskalierenden Infektionskrankheiten eingesetzt werden kann. Auf Basis eines bereits 2013 entwickelten Modells zur Untersuchung der Wirksamkeit von Maßnahmen bei der Ausbreitung von Influenza (Timm & Lasner, 2013) wurde das Simulationsmodell SoSAD (Social Simulation for Analysis of Infectious Disease Control) entwickelt. SoSAD modelliert Agenten, die z.B. Menschen, Haushalte, Schulen, Krankenhäuser, Freizeit- und Arbeitsorte repräsentieren. Verbindungen zwischen den Agenten bilden mögliche Kontaktpunkte und somit mögliche Infektionswege.
Bisher berücksichtigte Parameter, wie Krankheitsverläufe und Verhaltensmuster der Agenten, wurden aus verfügbaren Quellen recherchiert oder anhand von publizierten Daten abgeleitet. Als Quellen wurden insbesondere Informationen und Daten des Imperial College in London, der Europäischen Infektionsschutzbehörde (ECDC) und des Robert-Koch-Instituts verwendet. Außerdem berücksichtigt werden das allgemeine Sozialverhalten, die individuelle Freizeitgestaltung und Effekte der Sozialen Ansteckung, bei der Akteure sich an dem Verhalten anderer orientieren (Sozialer Druck, Soziales Lernen).
Zusätzlich können Daten für das Verhalten von Agenten in öffentlichen Einrichtungen wie z.B. Theater, Stadien oder Schwimmbäder in einem höheren Detailgrad mittels Personenstromsimulation generiert werden. Unter Verwendung von Pedestrian Dynamics® wird aktuell unter anderem die Ausbreitung des Coronavirus in einem Stadion untersucht (COVID-19 Simulation deutscher Universitäten).
Mit SoSAD können im Gegensatz zu statistischen Methoden das beobachtete Verhalten des Gesamtsystems auf Makroebene durch die lokale Interaktion von Akteuren auf Mikroebene erzeugt und somit auch Emergenzeffekte dargestellt werden.
Anwendung von SoSAD in der Praxis – Modellierung realer Städte
Mit SoSAD können bereits eine große Anzahl an Akteuren und deren Interaktionen zeitgleich abgebildet werden. In Kooperation mit dem DFKI LivingSmartLab Smart Cities wurde für die Stadt Kaiserslautern auf Basis von Realdaten bereits eine konkrete, lokale Infrastruktur mit den darauf befindlichen Akteuren modelliert und analysiert. Eine zusätzliche Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ITWM mit dem Tool EpiDeMSE baut auf diesen Arbeiten auf und ermöglicht in Kombination eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Stadt betreffend COVID-19. Eine Übertragung des Simulationsmodells auf andere Bereiche des Lebens (z.B. Smart City) sowie andere Städte ist aufgrund der modularen Struktur des Modells umsetzbar.
3. DIGITALFORUM Rheinland-Pfalz (Beitrag zu SoSAD ab ca. 1:19:20)