Extra muros, intra muros (Stephan Laux)

Im Rahmen der Forschungsgruppe „Aschkenas in neuen Lebenswelten“ (siehe dort) ist ein Teilprojekt (Nr. 3) der Frage gewidmet, unter welchen normativen und realen Bedingungen Jüdinnen und Juden nach den spätmittelalterlichen Vertreibungen Zugang zu den Reichs- und Autonomiestädten im Alten Reich gewährt wurde. Der Arbeitstitel lautet „Extra muros, intra muros: Zugangsregulierungen gegenüber Juden in den Reichs- und Autonomiestädten der Frühen Neuzeit zwischen Norm und Praxis“. Das Projekt wird zwar notwendigerweise eine Auswahl von Städten treffen und unterschiedliche Grade der empirischen Vertiefung ansetzen müssen. Gleichwohl nimmt es sich erstmals eine systematische Analyse der Zugangspraxis vor.
Die Thematik ist ein ausgesprochenes Desiderat der Forschung. Die Frage der Stadtbetretungsregulierung – respektive deren Verwehrung – betraf schließlich auch Fremde, Handwerker, Nichtsesshafte, Standespersonen bzw. Adlige etc., was vielfältige Anknüpfungspunkte jenseits des jüdischen Erfahrungshorizonts ermöglicht.
Die Ausgangslage ist vordergründig klar: Juden war die Betretung der inneren Städte in den allermeisten Reichsstädten seit den Vertreibungen verboten, erstmals konsequent in Straßburg 1390. In vielen Städten war Juden der Zugang indessen durchaus erlaubt, unter stets restriktiven, aber teils unterschiedlichen Vorgaben. Diese berührten diverse Modalitäten, geltend für Tageszeiten und Dauer, Areale, Statusgruppen, Tätigkeiten, Auszeichnungs- und Gebührenpflichten. Und es ist unbedingt eine chronologische Achse einzuziehen, außerdem auch Gegenläufigkeit oder Inkonsistenz in Rechnung zu stellen.
Der soziale und topographische Austragungsort der Thematik sind Stadtmauern und Stadttore, durch die sich In- und Exklusion materialisierten. Hier interessieren mich konkrete Situationen, Obrigkeitshandeln zwischen Norm und Informalität sowie Verfahren und Tricks, sich durchzulavieren. Das Projekt nimmt in der ersten von zwei geplanten Förderungsphasen eine Bestandsaufnahme vor, wobei das Augenmerk zunächst auf Normen und Praktiken gerichtet wird, die idealerweise bereits Aufschluss über die Genese und Veränderungen von Zugangsregulierungen erlauben.