Demokratie kommunal: Die Mitglieder der rheinland-pfälzischen Stadträte in der frühen Nachkriegszeit (1945/1946-1964)
Die Hoffnung der französischen Besatzungsverwaltung, die Bevölkerung in den von ihr seit Juli 1945 kontrollierten Gebieten würde nach Ende der Diktatur zu Pazifismus und Demokratie finden, gründete maßgeblich in den Kommunen. In diesem Sinne titulierte Peter Heil seine maßgebliche Studie zur Thematik von 1997 nach dem zeitgenössischen Diktum „Gemeinden sind wichtiger als Staaten“. Nicht zuletzt verband sich mit diesem Motto der Demokratisierung "von unten" auch das Kalkül, jedweder Zentralisierung in der eigenen Besatzungszone entgegenzuwirken. Gegenüber allen unbestrittenen konstruktiven Zielen, die von französischer Seite mit der Föderalisierung der künftigen politischen Strukturen verbunden waren, besaß schließlich die Bewahrung der eigenen Sicherheit die absolute Priorität. Diese Sicherheit gegenüber Deutschland, das in weniger als 75 Jahren drei Angriffskriege gegen das eigene Land geführte hatte, galt in Frankreich auch nach Kriegsende noch als fragil: Unter dem Eindruck der erlittenen Kriegstraumata hatte sich über alle Parteigrenzen hinweg die Überzeugung eingestellt, die deutsche Bevölkerung sei mehrheitlich einer tiefwirkenden völkisch-nationalen Prägung erlegen und müsse in Zukunft einer planvollen politischen Umerziehung unterzogen werden. Gleichzeitig wusste man, dass die gewaltigen Wiederaufbauleistungen in den weitenteils zerstörten Städten nur durch die Tatkraft der Menschen vor Ort zu erbringen waren, denen dazu die rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden müssten.
Die Gremien der kommunalen Selbstverwaltung sollten deshalb künftig mit Repräsentantinnen und Repräsentanten der Städte besetzt sein, die sich erkennbar dem Auftrag zur moralischen, kulturellen und politischen Neubesinnung aus einem bürgerschaftlichem Geist heraus verpflichteten. Hier liegen – dem Anspruch nach – die demokratischen Anfänge des Landes Rheinland-Pfalz. Indes ist über diese lokalen Akteure bislang noch viel zu wenig bekannt. Das gilt für den biographischen und geistigen Horizont der Ratsmitglieder, um die es im Kern geht, vorneweg aber für ihre schiere Identität. In informierten Kreisen vor Ort stellt sich dies im Einzelfall gewiss anders dar. Gedruckte Informationen sind jedoch meist nur an sehr entlegener Stelle verfügbar. Darüber hinaus reichende biographische Forschungen berücksichtigen fast ausschließlich prominentere Persönlichkeiten, die es etwa zum Bürgermeisteramt brachten oder in die Landespolitik aufrückten. Nur wenigen Einzelnen ist somit eine Würdigung ihrer kommunalpolitischen Arbeit zuteilgeworden.
Vor diesem Hintergrund haben wir die Erstellung einer onlinebasierten Dokumentation der Stadträte in den aktuell 25 größten Kommunen in Rheinland-Pfalz von Alzey bis Zweibrücken in Arbeit genommen. Sie basiert wesentlich auf dem dankenswerten Engagement der Kommunalarchive, die zu diesem Zweck kontaktiert wurden. Die Dokumentation soll zunächst Listen der Stadtverordneten über die fünf von 1946 bis 1960 durchgeführten Kommunalwahlen beinhalten, daneben städtische Funktionsträger (Bürgermeister, Beigeordnete bzw. Dezernenten). In zwei Auswahlmenüs können entweder Städte ausgewählt oder einzelne Personen (verbunden mit Filterfunktionen "Geschlecht", "Partei") ausgewählt werden.


Zusätzliche Informationen werden aus älteren Statistiken des Landes Rheinland-Pfalz und aus der teils recht entlegenen lokalen Forschungsliteratur bezogen. Eine Reihe von Kurztexten wird in die Materie einführen und in kurz gefasster Form Orientierung über verschiedene Themen geben, die für die Einordnung der Kommunalwahlen und -politik relevant sind:
- Kommunale Selbstverwaltung: Traditionen, Ziele und Herausforderungen
- Die Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz im regionalen und bundesdeutschen Zusammenhang
- Zeitleiste zur rheinland-pfälzischen Landes- und zur bundesdeutschen Geschichte über die Jahre 1945 bis 1961
- Gesetzliche und organisatorische Grundlagen der Kommunalwahlen
- Die politischen Parteien in Rheinland-Pfalz
- Wählerinnen und Wähler – Determinanten und Tendenzen des Wahlverhaltens
- Die Stadtverordneten in Rheinland-Pfalz – Beobachtungen und Forschungsperspektiven
In einem zweiten Schritt ist an – mehr oder minder knappe – Biogramme zu ausgewählten Persönlichkeiten zu denken, die prägend für die Geschicke der jeweiligen Stadt waren oder darüber hinaus von Bedeutung in unterschiedlichen Kontexten der Nachkriegszeit waren. Besondere Aufmerksamkeit soll der politischen Betätigung von Frauen gewidmet werden.
Die Website wird über die Universität Trier gehostet und nach Vorbild der "Trierer Armenkarte" ohne Einschränkung zugänglich sein.
Projektbeginn: Die Onlinestellung der ersten Fassung hat sich aufgrund von Arbeitsbelastung verzögert und ist für den Spätsommer 2023 geplant.
Projektleitung: Stephan Laux
MitarbeiterInnen: Anja Ottilie Ilg M.A., Konrad Langner, Leonard Preisler, Svenja Weith