Forschungsprojekte in Kultur- und Politischer Geographie


Carceral Meere: Ocean Governance jenseits der Grenzen

Turner (2014, 2016) hat in einer langjährigen Arbeit die Rolle der „Grenze“ als wesentlich für das Verständnis von Kriminalität und Karzeralität betrachtet. So werden beispielsweise Personen, die ein Verbrechen begehen und dafür verurteilt werden, oft durch den Akt der Grenzziehung aus der Gesellschaft entfernt, indem sie innerhalb einer Grenze hinter Gitter gebracht werden. Doch wie Turner zeigt, sind Grenzen viel durchlässiger, als viele denken. Diese Forschung baut auf dem Interesse an Grenzen auf, um das Verständnis dessen zu erweitern, was wir unter Räumen der Inhaftierung, der Begrenzung, der Eingrenzung und des Einsperrens verstehen. Auch andere Räume als das Gefängnis, beispielsweise das Arbeitshaus oder die Jugendstrafanstalt haben „karzerale“ Eigenschaften der Kontrolle, des Ausschlusses und der Eingrenzung. Wenn wir andere Räume durch die konzeptionelle Linse der „Karzeralität“ betrachten, versuchen wir die gelebten Erfahrungen, die Formen des Regierens und die Politik der Kontrolle besser verstehen - historisch und aktuell. Diese Forschung untersucht Offshore-Räume als Orte des Verbrechens und der Karzeralität. Die Arbeit befasst sich mit der Politik der Eingrenzung von Menschen auf See (auf dem Gefängnisschiff) sowie mit den grenzüberschreitenden Praktiken, die die moderne Meerespolitik kennzeichnen (in Form von grenzüberschreitenden räumlichen Verwaltungsinstrumenten wie Meeresschutzgebieten). Prof. Dr Jennifer Turner arbeitet zusammen mit Prof. Dr Kimberley Peters, Dr Paula Satizábal und Alexa Obando-Campos am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität (HIFMB).


CCWORK: A longitudinal study of Canadian correctional workers’ well-being, organizations, roles and knowledge

Dieses Projekt untersucht, wie sich die Arbeit im Gefängnisumfeld auf das Wohlbefinden von Justizvollzugsbeamt:innen in kanadischen Bundesgefängnissen auswirkt. Unter Verwendung von qualitativen und quantitativen Datenerhebungsstrategien (z.B. Umfragen, Interviews und klinische Beurteilungen) begleitet CCWORK neu eingestellte Beamt:innen bis zu zehn Jahre lang, um die Folgen der Stressfaktoren, die die Gesundheit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz im Gefängnis beeinträchtigen können, zu ermitteln und zu verstehen. Prof. Dr Jennifer Turner ist Teil eines internationalen Forscherteams, das unter der Leitung von Prof. Rose Ricciardelli (Memorial University, Kanada) und in Zusammenarbeit mit Correctional Services Canada und der Union of Canadian Correctional Officers, Kanada, an dem Projekt arbeitet. Klicken Sie hier, um weitere Informationen über das Projekt zu erhalten.


Justizvollzugspersonal in Kanada: Von den Militärs zur zivilen Beschäftigung

In Gefängnissen wird häufig Personal eingestellt, das aus den Streitkräften kommt. Im Anschluss an eine erfolgreiche britische Studie erforscht dieses Projekt die Rolle des Gefängnisses als Ort des Übergangs vom Militär zum Zivilleben für ehemalige Angehörige der Streitkräfte im kanadischen Kontext. Mit Hilfe einer umfassenden Umfrage untersucht das Projekt, wie sich ehemalige Angehörige der Streitkräfte an die Arbeit im Gefängnis anpassen, wie sie einschätzen, dass Vorgesetzte, Kolleg:innen und Gefangene ihren militärischen Hintergrund wahrnehmen, ihr Potenzial, bevorzugte Verhaltensweisen zu „modellieren“, die Karrierewege, die sie einschlagen, und die Art ihrer Führungsrolle im Gefängnisumfeld. Prof. Dr Jennifer Turner arbeitet mit Prof. Rose Ricciardelli (Memorial University, Kanada), Prof. Anna Eriksson (Monash University, Australien) und Prof. Dominique Moran (University of Birmingham, Großbritannien) zusammen.


Rethinking the Role of Informality in the Global North-South Divide through Spatial Planning in Germany

In den letzten 30 Jahren hat sich die deutsche Raumplanung stark gewandelt, weg von einer klar hierarchischen staatlichen Aufgabe hin zu einer für verschiedene Interessengruppen offenen Governance und einer verstärkten Einbeziehung von informellen Elementen. Während dieser Wandel in den Raumwissenschaften auf unterschiedliche Weise interpretiert wurde, ist das Konzept der Informalität in diesem Zusammenhang weitgehend unberücksichtigt geblieben. Obwohl sich Informalität auf den Globalen Süden konzentriert, ist das Konzept ein Instrument zur Analyse sozialer Organisation in unklar geregelten Bereichen im Allgemeinen. Gleichzeitig wächst die Kritik der überwiegenden akademischen Betrachtung von Informalität als ein Phänomen des Globalen Südens, wobei sich die Forschung vermehrt Informalität im Globalen Norden widmet. In diesem Projekt wird untersucht, inwiefern Informalität zum Verständnis der Raumplanung im Globalen Norden beitragen kann. Der Fokus liegt dabei auf ländlichen Gemeinden in Rheinland-Pfalz, welche informelle Planung nutzen, um wachsenden Herausforderungen zu begegnen. Zwei Regionalentwicklungsinitiativen mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen und Formalisierungsgraden wurden über einen Zeitraum von jeweils 14 Monaten mittels Online-Befragungen, teilnehmenden Beobachtungen und Interviews untersucht. Dieses Projekt untersucht, wie eine Analyse mittels Informalität dazu beitragen kann, 1) Akteursdynamiken und die Aushandlung von Macht in der Raumplanung sowie 2) die Grenzen von Regulierungen zu verstehen, bei gleichzeitiger Betonung der Notwendigkeit einer stärkeren Auseinandersetzung mit ungeregelten Interaktionen. Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, das Nord-Süd-Gefälle in den Sozialwissenschaften zu vermindern. Maximillian Haße leitet dieses Projekt als Teil einer Doktorarbeit.


The persistence of the Victorian prison: Alteration, inhabitation, obsolescence and affirmative design

In England und Wales lebt heute mehr als ein Viertel der Inhaftierten in Gefängnisunterkünften aus der viktorianischen Ära. Der Weiterbetrieb dieser historischen Gefängnisse ist Gegenstand heftiger Kritik, da diese Gebäude häufig als veraltet und untauglich bezeichnet werden. Dieses Forschungsprojekt nutzt die Analyse von Archivmaterial, Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter:innen und Inhaftierten sowie kreative Arbeiten von derzeit inhaftierten Männern in zwei Gefängnissen in England und Wales, um die Auswirkungen der Langlebigkeit und des Fortbestands des viktorianischen Gefängnisses zu verstehen. Prof. Dr. Jennifer Turner arbeitet mit Prof. Dominique Moran (Projektleiterin) und Prof. Matt Houlbrook (University of Birmingham, Großbritannien) und Prof. Yvonne Jewkes (University of Bath, Großbritannien) zusammen. Klicken Sie hier für weitere Informationen über dieses Projekt.


Women's imprisonment, social control and the carceral state (WISCA)

Frauen sind in Studien zu Schlüsselthemen wie Kontrolle, Ausgrenzung und Erfahrungen mit dem Freiheitsentzug bisher weitgehend unberücksichtigt geblieben. Dabei sind weibliche Gefangene besonders wichtig, weil viele Reformpläne an dieser relativ kleinen Gruppe erprobt werden, mit welcher vermeintlich leichter umzugehen ist. WISCA setzt eine Umfrage und Interviews mit inhaftierten oder kürzlich entlassenen Personen und (ehemaligen) Mitarbeiter:innen in  Frauengefängnissen in Nordrhein-Westfalen ein, um die gelebten Erfahrungen im Gefängnissystem in Deutschland zu verstehen. Das Projekt wird von Dr. Anna Schliehe geleitet. Klicken Sie hier, um weitere Informationen über das Projekt zu erhalten.