Legal Tokyo


Hier können Sie den Artikel über die Exkursion nach Tokyo lesen, wie er im Uni-Journal 1/2010 erschienen ist.


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Die erste Exkursion in den asiatischen Raum im Rahmen der Internationalen Rechtsstudien der Universität Trier führte uns für zehn Tage nach Tokyo (Japan). Die Gruppe der Teilnehmer reichte dabei von Anfängern im japanischen Recht (erstes Jahr der FFA I) bis hin zu Absolventen des Programms. Ziel dieser Exkursion war es, das japanische Recht zu erleben, die japanische Kultur durch Austausch mit japanischen Studierenden näher kennen zu lernen und zu erfahren, welche Möglichkeiten durch die während der Fachausbildung im japanischen Recht erworbenen Fähigkeiten eröffnet werden.

Wir möchten an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um uns bei allen, die diese Exkursion möglich gemacht haben, sehr herzlich zu bedanken. Ein ganz besonderer Dank gilt natürlich unserem Sponsor dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der uns in finanzieller Hinsicht großzügig unterstützt hat. Darüber hinaus wollen wir uns natürlich auch bei all denjenigen bedanken, die organisatorische Aufgaben übernommen haben. Unser Dank gilt auch denjenigen, die uns in Tokyo bei allen von uns besuchten Institutionen so herzlich willkommen geheißen haben und sich die Zeit genommen haben, uns einen Eindruck von ihrem Tagesgeschäft zu vermitteln und unsere zahlreichen Fragen zu beantworten.

 

Übersicht über die einzelnen Reisestationen:

I. Vorbereitung der Exkursion

II. Besuchte Orte und Institutionen

1. Montag, 28.09.2009 - Clifford Chance

2. Dienstag, 29.09.2009 - Besuch im Parlament

3. Dienstag, 29.09.2009 - Besuch bei Gericht 

4. Mittwoch, 30.09.2009 - Baker McKenzie

5. Mittwoch, 30.09.2009 - Die deutsche Botschaft

6. Donnerstag, 01.10.2009 - Waseda Universität

7. Freitag, 02.10.2009 - Sophia Universität

III. Freizeitgestaltung

 


I. Vorbereitung der Exkursion

Als Vorbereitung der Exkursion wurde ein spezielles Vorbereitungsseminar abgehalten, in dessen Rahmen über die in Japan geplanten Diskussionsthemen Vorträge gehalten wurden und an alle Teilnehmer weitere Referate und Aufgaben für die Zeit während der Exkursion vergeben wurden. So wurde eine gewissenhafte Vorbereitung auf alle Sachthemen gewährleistet und die weitergehende selbstständige Beschäftigung mit den Institutionen und Kanzleien, die während der Zeit in Tokyo besucht wurden, angeregt.


II. Besuchte Orte und Institutionen

Das juristische Exkursionsprogramm begann am 28.09.2009 und endete am 02.10.2009. An diesen fünf Tagen bekamen wir die Möglichkeit die Arbeit auch deutscher Anwälte in zwei international agierenden Großkanzleien näher kennenzulernen, japanische Straf- und Zivilgerichte, das Parlament  sowie die deutsche Botschaft zu besuchen und mit japanischen Studierenden während zwei deutsch-japanischer Hochschultage an Partneruniversitäten der Universität Trier in gemeinsamen Seminaren fachliche Diskussionen zu führen.


1. Montag, 28.09.2009 - Clifford Chance

Am Montag wurden wir bei Clifford Chance von Frau Sakimura (Partnerin) und Frau Son (Associate) empfangen. Zunächst informierten uns Frau Sakimura und Frau Son über die Großkanzlei Clifford Chance im Allgemeinen und insbesondere über das Tokyoter Büro. Interessant war auch, wie der persönliche Werdegang der beiden Anwältinnen sich vollzogen hatte und welche Einstiegsmöglichkeiten und Praktikumschancen bei Clifford Chance bestehen.

Mit neunundzwanzig Büros in zwanzig Ländern ist Clifford Chance eine der größten Anwaltssozietäten der Welt. Mehr als dreitausend Partner kooperieren innerhalb des Unternehmens, welches als gemeinsames Unternehmen (sog. „joint venture“) in verschiedene unabhängige Untergesellschaften unterteilt ist. Im Tokyoter Büro sind derzeit sechzig Anwälte beschäftigt. Davon sind 2/3 im Japanischen Recht qualifizierte und 1/3 im Common Law qualifizierte Rechtsanwälte. Ein großer Teil der Arbeit besteht darin, Hilfestellung für japanische Firmen im Umgang mit ausländischem Recht zu geben. Da dabei internationale Kooperation zwischen den verschiedenen Landesgesellschaften notwendig ist, sind die englische Sprache sowie Kenntnisse im Common Law unverzichtbare Einstellungsvoraussetzung.

Für die Partner der Sozietät gilt das sogenannte „lock-step“-System. Das heißt, dass jeder Partner, der Anteile an der Sozietät hält ein gewinnunabhängiges Festgehalt, das sich an der Anzahl der Jahre im Unternehmen orientiert, sowie gewinnabhängige Boni bezieht.

Frau Sakimura schilderte uns, wie sie sich als Japanerin in Großbritannien als Rechtsanwältin qualifizierte und zu ihrer Tätigkeit bei Clifford Chance in Tokyo als Anwältin für ausländisches Recht gelangte. Sie war dabei zwischenzeitlich für das Konkurrenzunternehmen Linklaters tätig. Frau Son konnte uns als kanadisch qualifizierte Rechtsanwältin einen Eindruck vermitteln, welche Möglichkeiten für Nichtjapaner bestehen. So bestehen auch jenseits einer Qualifikation als japanischer Rechtsanwalt vielfältige Möglichkeiten in Japan als ausländisch qualifizierter Anwalt bei einer Großkanzlei tätig zu sein.

Danach wurde uns über das Einstellungsverfahren bei Clifford Chance als im Common Law ausgebildeter Rechtsanwalt berichtet. Nach dem Universitätsabschluss steigt jeder Bewerber zunächst für zwei Jahre als Trainee in das Unternehmen ein. Innerhalb dieser zwei Jahre soll der Bewerber für jeweils sechs Monate in unterschiedlichen Praxisgruppen tätig sein. Erst danach kann der Bewerber fest übernommen werden.

Später kam der japanische Anwalt Herr Taguchi zu unserer Gesprächsrunde hinzu, um uns neben seinem persönlichen Werdegang zu schildern, was bei einer Bewerbung als japanischer Anwalt Beachtung findet. Für das Tokyoter Büro ist vor allem ausschlaggebend, welche japanische Schule/Universität der Bewerber besucht hat, welche Noten er erzielt hat und wie alt er ist.

Anschließend fand eine Gesprächsrunde mit vier internationalen Trainees statt. Wir teilten uns in vier Gruppen auf und hatten so die Möglichkeit mit ihnen persönlich ins Gespräch zu kommen. In den nun folgenden interessanten Diskussionen konnten wir mehr über den persönlichen Werdegang der Trainees, ihre Motivation nach Japan zu kommen und über ihre Zukunftspläne in Japan erfahren. Alle vier waren der Auffassung, dass die Arbeit als ausländischer Anwalt in Japan vielfältige Chancen bietet und wir uns von den möglichen Schwierigkeiten, wie der anfänglichen Sprachbarriere und den kulturellen Unterschieden, nicht abschrecken lassen sollten.


2. Dienstag, 29.09.2009 - Besuch im Parlament

Der Dienstag führte uns neben dem japanischen Parlament zum Distriktgericht, welches dem deutschen Landgericht entspricht.

Das japanische Parlament vereint das Oberhaus und das Unterhaus. Bei unserer Führung durch den Teil des Parlamentsgebäude, welches das Oberhaus beherbergt, konnten wir neben dem kaiserlichen Aufenthaltsraum in der zentralen Halle auch die Statuen dreier Staatsmänner, die wichtige Beiträge zur Entstehung des parlamentarischen Systems geleistet haben, besichtigen. Eine vierte Säule verbleibt bisher unbesetzt für mögliche Personen, die sich zukünftig für das System verdient machen. Besonders beeindruckend war der Plenarsaal des Oberhauses, welcher ausschließlich mit aus Japan stammenden Materialien errichtet wurde. Die Führung durch das Parlament schloss mit einem Rundgang durch den das Parlament umschließenden Garten.


3. Dienstag, 29.09.2009 - Besuch bei Gericht

Nach unserem Besuch beim Parlament wurden wir im Distriktgericht von Richter Sakuma empfangen, welcher Ende der Achtzigerjahre für ein Jahr in Deutschland am Landgericht Kiel im Rahmen des deutsch-japanischen Richteraustausches arbeiten konnte. Unter seiner Führung besichtigten wir das Gerichtsgebäude, sowie einen Verhandlungssaal der Zivilkammer. Schließlich lud er uns in sein Richterzimmer ein, in dem die gesamte Kammer untergebracht war und bekamen einen Überblick über die Tätigkeitsfelder eines japanischen Richters. Bei einer Belastung von insgesamt dreihundertsechzig Fällen im Jahr war es erstaunlich zu erfahren, dass ein zivilrechtliches Verfahren in Japan im Durchschnitt nur 6,8 Monate in Anspruch nimmt. Später stieß zu unserer Diskussionsrunde noch Richter Takahashi als „Hanji-ho“ (Richter in den ersten 10 Jahren seiner Tätigkeit) hinzu, der uns berichtete wie die Arbeit eines jungen Richters aussieht. Da alle anwesenden Richter sehr gut deutsch sprachen, konnten wir die Diskussionen sowohl auf japanisch, als auch auf deutsch führen. Beide Seiten waren schienen von dem Wissen und dem Interesse an dem Justizsystem des anderen Landes beeindruckt. Die japanischen Richter hoben hervor, sie seien guter Hoffnung, der Dialog zwischen deutschen und japanischen Juristen werde sich auch in den kommenden Jahren weiter intensivieren.

Nach einem Mittagessen in der Gerichtskantine wurden wir von Strafrichter Hieda, der Vorsitzender der neunten Strafkammer ist, empfangen. Auch Herr Richter Hieda war in den Achtzigerjahren ein Jahr lang an einem deutschen Gericht tätig und besuchte in dieser Zeit mehrmals die Universität Trier. Er ermöglichte uns einer japanischen Strafverhandlung beizuwohnen und informierte uns vorab über die grundlegenden Verfahrensabläufe und Unterschiede zwischen einer japanischen und einer deutschen Strafverhandlung. Inhalt der Verhandlung, die wir beobachten konnten, war, dass ein chinesischer Student ohne Arbeitserlaubnis in einem Sushi-Restaurant in Tokyo gearbeitet hatte.

Obwohl die japanische Verhandlung vom äußeren Ablauf her sehr einer deutschen Strafverhandlung glich, wies uns Herr Hieda darauf hin, dass z.B. die Rolle und die Stellung des Richters während der Verhandlung eine vollkommen andere ist. Während in einem deutschen Strafprozess der Richter das Verfahren leitet und an den Amtsermittlungsgrundsatz gebunden ist, gilt in Japan auch in Strafverhandlungen das Prinzip der Parteiherrschaft.

Im Anschluss an die Verhandlung hatten wir Gelegenheit, weiter mit Herrn Richter Hieda zu diskutieren. Da wir uns schon vorher mit dem in Japan im Mai 2009 eingeführten „Saiban-in Seido“ (vergleichbar mit dem deutschen Schöffensystem und dem amerikanischen Jury-System) beschäftigt hatten, waren wir froh, mit Herrn Hieda, als Experten über Vor- und Nachteile diskutieren zu können und detaillierte Antworten auf unsere Fragen erhalten zu können. Herr Richter Hieda erläuterte, dass durch das System vor allem eine bürgernahe Urteilsfindung ermöglicht werden sollte.


4. Mittwoch, 30.09.2009 - Baker McKenzie

Am Mittwoch besuchten wir vormittags die Großkanzlei Baker & McKenzie. Nachmittags wurden wir in der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland empfangen.

Bei Baker & McKenzie wurden wir von dem in Tokyo tätigen deutschen Rechtsanwalt Kai Draeger empfangen. Herr Draeger ist seit zwei Jahren für Baker & McKenzie innerhalb der Europe Japan Group tätig, die als Bindeglied zwischen europäischen Unternehmen und dem Tokyoter Büro fungiert.

Neben seinem persönlichen Werdegang informierte uns Herr Draeger über die Großkanzlei Baker & McKenzie insgesamt und was für Studierende insbesondere wichtig ist, welche Praktikums- und Einstiegsmöglichkeiten bestehen.

Baker & McKenzie ist generell ausgerichtet auf Wirtschaftsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht. Ein entsprechender Schwerpunkt wirkt sich deshalb meist positiv bei einer Bewerbung aus. Daneben bietet Baker & McKenzie seinen Mitarbeitern die Möglichkeit einen englischen LL.M. zu erwerben, japanischsprachige Programme zu absolvieren oder auch an Aufbauseminaren zur Verbesserung der "soft skills" teilzunehmen. Teil des Programms zum Erwerb eines LL.M. ist außerdem ein sechs- bis achtwöchiger Aufenthalt entweder in den USA oder in England.

Herr Draeger und der ebenfalls deutsche Anwalt Herr Hildenbrand erklärten uns, dass im Umgang mit internationalen Kunden die kulturelle Herangehensweise ausschlaggebend ist und dass es daher für einen deutschen Kunden insbesondere wichtig ist, dass er die Vorgehensweise von einem Muttersprachler möglichst unkompliziert und genau vermittelt bekommt.

Ob ein Praktikumsplatz an einen Bewerber vergeben wird, hängt unter anderem von den bereits erzielten Noten sowie den individuellen Sprachkenntnissen ab. Von ca. acht bis zehn Bewerbern pro Jahr werden ein bis zwei Praktikanten angenommen. Die derzeitige deutsche Praktikantin war Stipendiatin des DAAD-Programms "Sprache und Praxis". Nach zehnmonatigem Sprachkurs und Kursen in japanischem Recht absolviert sie nun ein achtmonatiges Praktikum, von welchem sie sechs Monate bei Baker & McKenzie verbringen wird und zwei weitere bei einem Distriktgericht.

Beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen, zu dem uns Baker & McKenzie einlud, konnten wir sowohl Herrn Draeger und Herrn Hildenbrand als auch die Praktikantin und japanische Rechtsanwälte in Einzelgesprächen oder kleinen Gruppen zu ihrem Tätigkeitsfeld und Werdegang bei Baker & McKenzie befragen.


5. Mittwoch, 30.09.2009 - Die deutsche Botschaft

Nachmittags empfing uns die Vertreterin des deutschen Botschafters, Frau Dr. Prinz und der Leiter der Rechts- und Konsularabteilung, Herr Wenger. Daneben war auch die Leiterin des politischen Referats, Frau Fuller, und eine Mitarbeiterin von Herrn Wenger, Frau Klein, sowie ein junger Attaché der deutschen Botschaft anwesend.

Zunächst informierte uns Frau Dr. Prinz darüber, welche allgemeinen Aufgaben eine Botschaft zu erfüllen hat. In der deutschen Botschaft in Tokyo sind derzeit etwa achtzig Mitarbeiter beschäftigt, die auf den verschiedenen Gebieten Politik, Presse, Kultur, Recht und Personalwesen, Finanzen und Wirtschaft beschäftigt werden. Frau Dr. Prinz berichtete uns, dass in der Regel ein Wechsel der Mitarbeiter in einem Drei- oder Vierjahresrhythmus stattfindet und dass sie selbst bereits in Sri Lanka, Bonn, Rumänien, Indonesien, Berlin und Tokyo tätig war. Obwohl eine Beschäftigung beim Auswärtigen Amt eine hohe Bereitschaft zur Flexibilität voraussetzt, wird versucht auf die Familienverhältnisse der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Daneben sind natürlich Sprachkenntnisse und mögliche Auslandsaufenthalte bei einer Bewerbung von Vorteil.

Im Anschluss an Frau Dr. Prinz´ Einführung stellte uns Frau  Fuller sehr detailliert und anschaulich dar, wie eine Tätigkeit für das Auswärtige Amt im Einzelfall aussehen kann. Dabei fiel zunächst auf, dass der eigentlich juristische Hintergrund für eine Tätigkeit beim Auswärtigen Amt nur beschränkt anwendbar ist und andere Fähigkeiten zunehmend in den Vordergrund rücken. Obwohl ein bestandenes Zweites Staatsexamen für eine Einstellung nicht Voraussetzung ist, ist ein Auslandsstudium mittlerweile fast ein Muss. Frau Fuller wies uns nochmals ausdrücklich darauf hin, dass insbesondere diejenigen Mitarbeiter, die familiär orientiert sind, eine hohe Einsatzbereitschaft mitbringen müssen, um die Stelle ausfüllen zu können. Ein kulturelles Interesse für eine bestimmte Region reicht nicht aus, da eine stetige Versetzung stattfindet. Nach dem Generalistenprinzip ist es vielmehr angebracht als objektiver Beobachter eine gewisse Distanz zu den regionalen Geschehnissen zu wahren. Im Vordergrund steht stets die Position als Interessenvertreter der Bundesrepublik Deutschland. Als problematisch stellte Frau Fuller einen Wechsel von der Tätigkeit im Auswärtigen Amt in die freie Wirtschaft dar, weil die bei der Botschaft erworbenen Fähigkeiten in der freien Wirtschaft nur bedingt anwendbar seien.

Welche Aufgaben die Rechts- und Konsularabteilung der Deutschen Botschaft vorwiegend wahrnimmt, teilte uns Herr Wenger mit, der bereits seit sechs Jahren am Standort Tokyo tätig ist. Im Jahr werden ca. 700 Pässe und 1.400 Visa ausgestellt. Außerdem kümmert sich die Rechtsabteilung um in Japan inhaftierte Deutsche. Daneben betreibt die Botschaft auch Katastrophenversorgung und informiert Angehörige in Deutschland über den Verbleib ihrer Verwandten in Japan nach einer Katastrophe. Ein weiterer wesentlicher Anteil der Arbeit entfällt im Bereich Recht- und Personalwesen auf das Gebiet Sorgerecht.

Besonders interessant war es zu erfahren, dass die Deutsche Botschaft laufend Praktikanten und Referendare betreut, wobei ein Einsatz in allen Abteilungen erfolgt. Eine entsprechende Bewerbung ist zentral an das Auswärtige Amt zu richten.


6. Donnerstag, 01.10.2009 - Waseda Universität

Um einen Austausch mit japanischen Studierenden zu diversen Rechtsgebieten zu ermöglichen, waren wir am Donnerstag zu Gast bei der Waseda Universität. Herr Professor Kurumisawa empfing uns und leitete die anschließende Diskussion und den Meinungsaustausch. Nach einer jeweils kurzen Ansprache durch den Dekan der Juristischen Fakultät, Herrn Professor Uemura, und Frau Dr. Goergen trugen zunächst einige Teilnehmer der Exkursion etwa halbstündige Vorträge zu juristischen Themen auf Japanisch vor.

Den Anfang machte Thomas Bücheler mit einem rechtsvergleichenden Vortrag zur japanischen und deutschen Dividendenbesteuerung. Wesentlicher Unterschied zu dem japanischen Steuersystem ist diesbezüglich, dass für Deutschland die europarechtlichen Vorschriften der Kapitalverkehrsfreiheit Anwendung finden und sich das deutsche Steuerrecht an die europäischen Vorgaben zu halten hat. Herr Prof. Sutô der Waseda Law School kommentierte diesen Vortrag und lenkte den Fokus der anschließenden Diskussion auf die Beurteilung der wirtschaftlichen Doppelbelastung der Körperschaft und des Anteilseigners. Den zweiten Vortrag hielt Caroline Holthaus zum Thema Kündigungsschutz. Ein dem Kündigungsschutzgesetz entsprechendes gesetzliches Regelwerk existiert in Japan nicht. Aus dem Kommentar des wissenschaftlichen Mitarbeiters Herrn Tsunemori, der über das amerikanische Sozialversicherungsrecht promoviert, ging hervor, dass ein japanischer Arbeitgeber dennoch eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz einer Kündigung vorziehen würde. In Japan ist der gesetzlich geregelte Kündigungsschutz im Vergleich zu den deutschen Regelungen zwar sehr schwach ausgeprägt, jedoch darf man die vielfältige obergerichtliche Rechtssprechung zu diesem Themenkomplex nicht außer Acht lassen. Diese sehr restriktive Rechtsprechung macht die Kündigung seitens des Arbeitgebers sehr schwierig, sodass die Regelungen des Kündigungsschutzes bei Einbeziehung der Rechtsprechung mindestens genauso strenge Vorgaben, wie in Deutschland kennen. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber keine Sozialauswahl treffen. Aufgrund der Erwartung, dass jüngere Mitarbeiter sich anderweitig schneller orientieren können, fällt die Wahl des Arbeitgebers daher oft auf jüngere Mitarbeiter. Bei einer Kündigung verliert der japanische Arbeiter nicht nur seinen Arbeitsplatz sondern daneben viele Zuschüsse etwa für Familie oder die Wohnung, die der Arbeitgeber ansonsten tragen würde. Der dritte Vortrag von Carina Kant befasste sich mit der Unternehmenshaftung. Maßgeblich war hier, dass das japanische Recht in seinen Grundzügen aus dem französischen und deutschen Recht erwachsen ist. Dadurch finden sich auch im japanischen Recht ähnliche Figuren wie etwa die des Verrichtungsgehilfen. Lösungswege lassen sich hier entweder über arbeitsrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Grundsätze finden. Hierzu erklärte sich Dekan Prof. Uemura freundlicherweise zu einem Kommentar bereit und beleuchtete die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des Themenkomplexes.

 Während der Mittagspause bekamen wir die Gelegenheit den weitläufigen Campus der Waseda Universität zu besichtigen und die Mensa zu besuchen. Im Anschluss hieran folgten zwei weitere Vorträge zu den Themen Ehegattentestament. vorgetragen von Marlene Lang. und Abstraktionsprinzip, vorgetragen von Christina Lengen. Beide Referentinnen waren zur Exkursion in Tokyo dazugestoßen, da sie bereits aufgrund eines Auslandsjahres in Japan studierten und begleiteten die übrigen Teilnehmer zu den jeweiligen Exkursionsterminen. Kommentare zu den beiden Vorträgen wurden von Prodekan Prof. Iwashi, sowie dem wiss. Mitarbeiter Yamashiro abgegeben. Beide Referatsthemen umschrieben Rechtsinstitute, die im deutschen Recht fest verankert sind und im japanischen Recht völlig fehlen. Entsprechend bot sich hier natürlich Diskussionsbedarf.

Nach einer kurzen Pause füllte sich der Seminarraum noch weiter und Prof. Masai mit seinen Studenten, sowie weitere Strafrechtsdozenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende, stießen hinzu, um an der dann folgenden Diskussion über die Todesstrafe teilnehmen zu können. Unter anderem waren auch Mitarbeiter des Instituts der Europäischen Union an der Waseda anwesend. Zunächst führte Franziska Stahmann die Anwesenden durch einen Vortrag auf Japanisch in die Materie ein. Bei der anschließenden Diskussion, die teils in Japanisch teils in Englisch geführt wurde, war auffällig, dass auch der überwiegende Teil der japanischen Studierenden und Dozenten die Todesstrafe ablehnte. Es kam auch unter japanischen Studenten zu Diskussionen. Insbesondere kamen weitere Bedenken auf, als angesprochen wurde, dass seit Mai 2009 auch zivile Bürger im Rahmen des „Saiban-in-Systems“ über die Verhängung der Todesstrafe mitentscheiden können.

An die Diskussion über die Todesstrafe schloss sich ein Vortrag von Frau Dr. Goergen zum FFA-Programm der Universität Trier an. Viele der japanischen Studierenden interessierte hier natürlich, welche Möglichkeiten eines Austausches und Auslandsstudiums gegeben sind. Außerdem konnten wir an dieser Stelle einbringen, warum ein solches Interesse am japanischen Recht besteht. Zum Abschluss des Tages empfingen uns der Dekan, Herr Prof. Uemura und die Leiterin der Fachbereichsverwaltung, Frau Sakiyama, und zu einem gemeinsamen Abendbuffet. Hierbei bestand nun die Möglichkeit die vorangegangene Diskussion in kleinen Gruppen weiterzuführen und sich allgemein über das deutsche und japanische Rechtsstudium auszutauschen.


7. Freitag, 02.10.2009 - Sophia Universität

Mit der Sophia Universität pflegt die Universität Trier seit vielen Jahren einen intensiven Kontakt, so dass es selbstverständlich war, dass auch hier ein Meinungsaustausch mit japanischen Studierenden stattfand. Am Freitagvormittag empfing uns Frau Prof. Matsumoto mit einer Gruppe japanischer Rechtsstudierender sowie dem Zivilrechtsprofessor Herrn Seiji Fukuda.

Der erste Vortrag von Erika Kawashima behandelte die Problematik der Prozessflucht in Japan, sowie die generelle Prozesskultur und den Hang zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dabei zielte die Referentin auf einen kritischen Vergleich mehrerer Theorien zur Ursache der Verweigerung der japanischen Bevölkerung, ihr Recht auf dem Gerichtsweg zu suchen, ab. Der zweite Vortrag von Takafumi Kubo erweiterte die Problematik, indem die Klageeingänge in Japan dargestellt, sowie die wirtschaftliche Situation als Ursache herangezogen wurden. Während der folgenden Diskussion besprachen wir, welche Gründe für eine derartige Entwicklung ursächlich sein könnten und ob eine ähnliche Entwicklung auch in Deutschland zu verzeichnen sei. Unterschiede konnten hier vor allem darin gesehen werden, dass in verschiedenen (Rechts-)Kulturen wohl auch ein unterschiedliches Verhältnis zu Gerichten besteht. Während in Japan Gerichten und Richtern mit sehr viel Respekt und einer gewissen Ehrfurcht begegnet wird, sehen viele Deutsche Gerichte als Dienstleister, die bei Bedarf in Anspruch genommen werden können.

Es folgten Vorträge von Muneyuki Terada zur Gerichtsbarkeit in Deutschland, von Johannes Dahlfrancis zum Institut der Prozesskostenhilfe, sowie der Rechtsschutzversicherung und von Ulrike Teubner zu den Klageeingängen bei den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten in Deutschland. Ein weitergehender Meinungsaustausch fand anschließend beim gemeinsamen Mittagessen statt.


III. Freizeitgestaltung

Neben den Exkursionsterminen blieb ausreichend Zeit Tokyo auch außerhalb des juristischen Kontextes zu erleben. So konnten wir durch die Besichtigung zahlreicher Tempelanlagen und Schreine einen Einblick in die religiöse Seite Tokyos gewinnen. Daneben erlebten einige von uns das rege Treiben auf dem weltgrößten Fischmarkt. Weitere Sehenswürdigkeiten während unseres Aufenthaltes waren unter anderem der Tokyo Tower, das Rathaus, der Kaiserpalast und die dazugehörige Gartenanlage sowie der oberste Gerichtshof.