Urteil der Woche (KW 22)

Mit Urteil vom 23.11.2021 (I R 5/18) hat der BFH dem EuGH die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von ausländischen Streubesitzdividenden im Jahr 2001 gegen Unionsrecht verstößt.

Klägerin ist eine körperschaft- und gewerbesteuerpflichtige Anstalt des öffentlichen Rechts, die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Im Streitjahr 2001 war sie an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften mit jeweils unter 10 % (Streubesitz) unmittelbar beteiligt und erhielt hieraus Dividenden. Die Klägerin übte im Jahr 2004 das sog. Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 S. 8 Nr. 2 S. 1 KStG in der damals geltenden Fassung dahingehend aus, dass § 8b Abs. 1 KStG (n.F.) bereits für die Zeiträume 2001 bis 2003 galt. In der Folge wurden 20 % der Dividenden bei der Ermittlung des für die Körperschaftsteuer maßgeblichen Gewinns nicht berücksichtigt. Das Finanzamt wandte jedoch den (ebenfalls ab 2001 geltenden) § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG an und rechnete für Zwecke der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags jene 20 % wieder hinzu. Im Ergebnis unterlagen 2001 die ausländischen Streubesitzdividenden nach Hinzurechnung der vollen Gewerbesteuer.

Der BFH führte an, dass die Regelung des § 8b Abs. 1 KStG im Streitjahr im Ergebnis nur für Dividenden aus Auslandsbeteiligungen, jedoch (noch) nicht für ordentliche Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland, die im Jahr 2001 abgeflossen sind, galt. Bei offenen Gewinnausschüttungen inländischer Gesellschaften sei § 8b Abs. 1 KStG erstmals bei Abfließen der Ausschüttung im Jahr 2002 anzuwenden. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft seien Dividenden aus Inlandsbeteiligungen, die im Jahr 2001 abgeflossen sind, folglich bereits im ersten Ermittlungsschritt in voller Höhe anzusetzen. Mangels Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG bleibe kein Teil der Dividende außer Ansatz. Für den zweiten Ermittlungsschritt führe dies dazu, dass dementsprechend keine (Wieder-)Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG stattfinde. Der BFH habe in einem vergleichbaren Fall in dem Umstand, dass die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, eine Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen, die der unionsrechtlich verbürgten Freiheit des Kapitalverkehrs widerspreche. In seinem aktuellen Fall bezweifelt der BFH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, da im betroffenen Zeitraum (2001) im Ergebnis sowohl inländische als auch ausländische Dividenden der Gewerbesteuer voll unterliegen.

Die Vorlagefrage des BFH lautet daher: Ist Art. 56 Abs. 1 EG (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 % (Streubesitzbeteiligungen) stammen, der Bemessungsgrundlage wieder hinzugerechnet werden, wenn und soweit diese Dividenden in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind, während hinsichtlich solcher Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat stammen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer kein Abzug und folglich auch keine (Wieder-)Hinzurechnung der Dividenden stattfindet?

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