Das heutige Urteil der Woche des BFH (I R 55/19) beschäftigt sich mit dem Merkmal der "nur vorübergehenden Abwesenheit" i.S.d § 6 AStG.
Kläger im vorliegenden Fall ist ein Steuerpflichtiger, der im Jahr 2014 seinen inländischen Wohnsitz/ gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben hat und nach Dubai gezogen ist. Zum Zeitpunkt des Wegzugs war er an mehreren inländischen Kapitalgesellschaften mehrheitlich beteiligt. Bereits zwei Jahre später begründete der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder in Deutschland. Das FA berücksichtigte für das Wegzugsjahr 2014 steuerpflichtige fiktive Veräußerungsgewinne i.S.d. § 17 EStG gem. § 6 Abs. 1 S. 1 AStG. Die Voraussetzungen für ein Entfallen der Wegzugsbesteuerung wegen nur vorübergehender Abwesenheit gem. § 6 Abs. 3 AStG seien nicht erfüllt. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er war der Auffassung, dass die Wegzugsbesteuerung durch seine Rückkehr nach Deutschland in 2016 rückwirkend entfallen müsse. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass der Kläger seine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt seines Wegzugs nicht glaubhaft gemacht habe. Auch mit seiner Klage vor dem FG Münster hatte der Kläger keinen Erfolg.
Der BFH gab der Klage statt und erteilte seiner Vorinstanz eine Absage. Im Streitfall seien die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 Abs. 1 S. 1 AStG gegeben. Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht jedoch auf einer "vorübergehenden Abwesenheit" und wird der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 3 AStG. Die Annahme einer solchen “vorübergehenden Abwesenheit” war bisher umstritten. Nach der „subjektiven Theorie“ sei für das Merkmal der vorübergehenden Abwesenheit entscheidend, dass bei Wegzug der Wille zur Rückkehr, bzw. der Wille, wieder unbeschränkt steuerpflichtig zu werden, bestehe und dieser glaubhaft gemacht werde. Der BFH schloss sich jedoch der herrschenden Literaturmeinung an, welche besagt, dass für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung die fristgerechte Rückkehr des Steuerpflichtigen innerhalb des maßgebenden 5-Jahres-Zeitraums ausreichend sei. Auch wenn man aus dem Tatbestandsmerkmal der „lediglich vorübergehenden Abwesenheit“ das Erfordernis einer Rückkehrabsicht ableite, gebe der Gesetzeswortlaut zum Zeitpunkt der entsprechenden Willensbildung keine Auskunft. Erst im Sonderfall des § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG (einzelfallbezogene Verlängerung der Rückausnahmemöglichkeit) ordne das Gesetz eine solche Rückkehrabsicht ausdrücklich an. Der Rückkehrwille nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG könne somit auch im Laufe des gesetzlichen Rückkehrzeitraums gebildet worden sein. Eine Wegzugsbesteuerung sei im vorliegenden Fall nicht vorzunehmen.
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