Unsere Arbeitsfelder

Arealkunde

Alle Tier- und Pflanzenarten besitzen ein spezifisches Verbreitungsgebiet, welches auch als Areal bezeichnet wird. Die Verbreitung einer Art in Raum und Zeit ist weder zufällig noch gleichmäßig, sondern das Resultat aus rezent ökologischen Faktoren (z.B. Biozönosen, Klima, Böden, Mensch) und historischen Ereignissen (z.B. Plattentektonik, Klima- und Nutzungs- geschichte). Die Arealkunde, als eines der klassischen Arbeitsfelder innerhalb der Biogeographie, beschäftigt sich mit der Struktur und Dynamik von Verbreitungsgebieten sowie mit den Prozessen, die zu bestimmen Verbreitungsmustern führen.

Arealkundliche Kenntnisse sind deshalb eine wesentliche Voraussetzung zum Verständnis der biogeographischen Herkunft und Evolutionsgeschichte von Arten. Darüber hinaus sind diese Kenntnisse Voraussetzung für die Erstellung fundierter Schutzkonzepte, weshalb die klassische Biogeographie in den europäischen Institutionen zunehmend an Bedeutung gewinnt. In der Biogeographie an der Universität Trier sammeln wir auf verschiedenen räumlichen Ebenen und in verschiedenen Regionen arealkundliche Grundlagendaten für unterschiedliche Organismengruppen, um diese Daten für wissenschaftliche oder naturschutzfachliche Fragestellungen zu verwenden.

Biomonitoring

Biomonitoring ist allgemein die Überwachung der Umweltqualität mit Hilfe von Organismen (Bioindikatoren). Hierbei werden die in den Bioindikatoren vorhandenen Informationen über den Umweltzustand entschlüsselt, um eine Anzeige der anthropogenen Umweltbelastung zu erhalten. Über das Messen von (Schad-) Stoffkonzentrationen in den Organismen bis hin zur Ermittlung ihrer Wirkungen auf Organismen lassen sich wertvolle Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit von Stoffen letztendlich auch für den Menschen ziehen. Mit Hilfe s.g. Metabarcoding-Methoden lassen sich zudem ganze Artengemeinschaften aus Umweltproben rekonstruieren. So können z.B. Gemeinschaften baumbewohnender Insekten oder Blatt-assoziierte Mikrobengemeinschaften aus Blattproben charakterisiert werden. Dies wiederum erlaubt Rückschlüsse auf den Effekt von Umweltbelastungen auf die Zusammensetzung und Stabilität von Ökosystemen.

Mitarbeiter des Faches Biogeographie unterstützen die Standardisierung von Biomonitoring-Methoden mit wildlebenden Tieren sowie höheren und niederen Pflanzen durch ihre Arbeit in der Umweltprobenbank des Bundes (verlinken zur internen Seite) und ihre Mitarbeit in der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN (KRdL), im GDCh-Arbeitskreis Umweltmonitoring und in weiteren Gremien.

Landnutzung und Biokonvention

Schon seit Bestehen der Universität Trier gibt es im Fachbereich/FB VI eine Arbeitsgruppe „Afrika/Ostafrika“ mit einem interdisziplinären Arbeits- und Forschungsschwerpunkt innerhalb der geographisch-geowissenschaftlichen Fächer, anfänglich speziell in der Kultur- und Regionalgeographie (Prof. Dr. Ralph Jätzold) sowie in der Wirtschafts- und Sozialgeographie (Prof. Dr. Hans Hecklau). Mit dem Übersiedeln des Faches Biogeographie von der Universität Saarbrücken an die Universität Trier Ende der 1990-er Jahre, wurde dieser Schwerpunkt mit seiner inzwischen aufgebauten internationalen Forschungsinfrastruktur (Prof. Dr. B. Hornetz) in die Biogeographie des FB VI integriert (Prof. Dr. Paul Müller) und in „Landnutzung und Biokonvention“ umbenannt, da dort, in der Biogeographie, ursprünglich ebenfalls starke regionale Forschungsaktivitäten und -Netzwerke mit einem Afrikaschwerpunkt existierten. 

Der wissenschaftliche Fokus der Aktivitäten lag von Anfang an auf der Landnutzungsproblematik, da diese in den Ländern des tropischen Afrika eine Schlüsselrolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung spielt. Dazu gehören neben den klassischen Feldern der Agrarwirtschaft (Landwirtschaft, Nomadismus) und deren ökologischen und ökonomischen Voraussetzungen und Folgen (u.a. Klima, Böden, sozioökonomische Strukturen; Agromining, Dürren, global warming) zunehmend Fragen des Natur- und Ressourcenschutzes und -managements sowie der Biodiversität.

Im Folgenden finden Sie hier Informationen zu einigen ausgewählten Projekten:

Naturschutzbiologie

Betiscoides sjoestedti Südafrika

Der weltweite Rückgang der biologischen Vielfalt ist ein akutes Problem der modernen Menschheit. Die Hauptgefährdungsfaktoren für die Biodiversität sind Habitatverlust, -veränderung und -fragmentierung, die Einführung und Einschleppung gebietsfremder Tierarten, Pflanzenarten und Pathogene, die Übernutzung von Arten durch den Menschen, die Umweltverschmutzung und der Klimawandel. In den Aichi Targets der Biodiversitäts-Konvention und der Europäischen Biodiversitäts-Strategie wurde beschlossen, den Artenschwund bis zum Jahr 2020 zu stoppen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind gute Daten über den derzeitigen Status der Biodiversität, Informationen zu den Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Biodiversität sowie Untersuchungen zur Wirksamkeit von Schutzbemühungen nötig. 

Das Feld der Naturschutzbiologie ist daher ein zentrales Forschungsfeld der Trierer Biogeographie. Wir untersuchen sowohl regional als auch international verschiedene Organismengruppen (darunter Amphibien, Reptilien, Säugetiere, Vögel, Fische, Heuschrecken, Wildbienen und Käfer), um bessere Kenntnisse über ihre ökologischen Ansprüche, ihre Populationsstruktur, ihre geographische Verbreitung sowie die Gefährdungsursachen zu erlangen. Solche Gefährdungsanalysen helfen, Schutzkonzepte für betroffene Arten oder Lebensräume zu erstellen.  

Nischenmodellierung

Jede Tier- und Pflanzenart hat ganz typische Fundorte und füllt dort ihre spezifische ökologische Nische aus. Man könnte sagen, der Fundort ist die "Adresse" und die Nische der "Beruf". 

Wenn umgekehrt Information über die ökologische Nische bekannt ist, lässt sich das mögliche Vorkommen vorhersagen. Genau dieses Prinzip steckt hinter dem Begriff der ökologischen Nischenmodellierung: Man nimmt die bekannten Fundorte einer Art und charakterisiert deren ökologische Information. Das sind häufig Daten aus Klimakarten oder Satellitenbildern. Die sich so ergebende "Matrix" spiegelt in der Gesamtheit einen Teil der ökologischen Nische der betreffenden Art wider. 

Über mathematische Verfahren werden dann Orte, an denen die Art nicht nachgewiesen worden ist, auf ihre Ähnlichkeit zur "Matrix" untersucht. Der Grad der Ähnlichkeit gibt an, wie wahrscheinlich eine Art an diesen Orten vorkommt - beziehungsweise vorkommen kann. Denn ob dies wirklich der Fall ist, hängt jedoch noch von zahlreichen anderen Faktoren ab. Man spricht daher von potenzieller Verbreitung. 

Über Informationen zum bekannten Vorkommen von Arten lassen sich somit flächenhaft potenzielle Verbreitungen modellieren (s. Bild unten). Wir wenden die ökologische Nischenmodellierung, auch genannt “Species Distribution Models“, bei verschiedenen biogeographischen Fragestellungen sowie im Naturschutz an. Die modellierten Areale lassen sich anhand von Klimamodellen auch in die Vergangenheit und Zukunft projizieren. Auf diese Weise lassen sich Arealverschiebungen über die Zeit (etwa seit dem Eiszeitalter) ermitteln oder Vorhersagen treffen, wie Arten auf den globalen Klimawandel reagieren.

Das Bild zeigt die potentielle Verbreitung einer Amphibienart im nördlichen Südamerika. Rötliche Bereiche weisen eine hohe Ähnlichkeit zur ökologischen Nische der Art auf, die anhand der bekannten Fundorte (schwarze Punkte) modelliert wurde. Hier kommt die Art potenziell eher als in den grünen bis blauen Bereichen vor. Grau bedeutet, dass die Art hier vermutlich gar nicht überleben könnte. Zu beachten ist, dass einige Bereiche zwar rot sind, die Art diese jedoch aufgrund von Barrieren wohl nie erreichen konnte oder kann, wie die Bereiche ganz im Westen, die durch die Anden vom bekannten Areal (schwarze Punkte) räumlich getrennt sind.

Ökologie

Angesichts der weltweiten Biodiversitätskrise wächst die Notwendigkeit, die Interaktionen von Organismen mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt besser zu verstehen. Hierzu leistet unsere ökologische Grundlagenforschung einen Beitrag. Im Fokus stehen die Analyse von realisierten und potenziellen ökologischen Nischen, das bessere Verständnis der demografischen Struktur von Populationen (z.B. Altersaufbau) und ihrer Veränderungen, sowie die Interaktionen zwischen Populationen (z.B. Dispersions- und Wanderverhalten, intraspezifischen und interspezifischen Konkurrenz, Nahrungsnetze). Dies erforschen wir an ausgewählten Organismengruppen, wobei Käfer, Heuschrecken, Spinnen, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere im Vordergrund stehen.

Phylogeographie

Die für die heutige Verbreitung der Arten verantwortlichen Prozesse, welche in der Vergangenheit abgelaufen sind, haben ihre Spuren in den Genomen der Organismen hinterlassen. Heute stehen uns vielfältige molekulargenetische Methoden zur Verfügung, um diese zu entschlüsseln und somit die räumliche und zeitliche Entstehungsgeschichte der Verbreitungsgebiete zu rekonstruieren. Geographische Schwerpunkte unserer phyogeographischen Forschung sind das Mittelmeergebiet, die Kanarischen Inseln, Südamerika und Hawaii, wobei insbesondere Amphibien, Heuschrecken und Spinnen im Mittelpunkt stehen. Die Sequenzierung mitochondrialer und nukleärer DNA sind die am häufigsten von uns eingesetzten Methoden. Moderne Ansätze der Datenanalyse ermöglichen uns die Ableitung historischer Prozesse der Arealgenese sowie der demografischen Entwicklung von Populationen im Laufe der Zeit.

Populationsgenetik

Populationen als eine der zentralen Einheiten der Biologie sind Fortpflanzungsgemeinschaften von Individuen einer Art, die ein räumlich meist klar definiertes Gebiet besiedeln. In ihnen laufen eine Vielzahl mikroevolutiver Prozesse ab. Mutationen verändern Merkmale, die dann gemäß ihres Anpassungswertes erhalten bleiben oder wieder verloren gehen (Selektion). Aber selbst Zufallsprozesse (genetische Drift) können dazu führen, dass Merkmale verloren gehen oder sich durchsetzen. Schließlich führt der Individuenaustausch zwischen Populationen dazu, dass neue Merkmale in Populationen hineingetragen werden. All diese Prozesse versucht die Populationsgenetik zu rekonstruieren. Hierzu analysiert sie die Verteilung genetischer Eigenschaften in und zwischen Populationen einer Art (in der Regel mittels molekularer Methoden). Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf den Genaustausch zwischen Populationen zu. In einer durch Fragmentierung geprägten Kulturlandschaft wie der Mitteleuropas leistet die Populationsgenetik somit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung gefährdeter Arten.

Phylogenese

Phylogenetische Stammbäume bilden heute die Grundlage zum Verständnis der Vielfalt an Organismen und ihrer Entstehung. Sie stellen stammesgeschichtliche Hypothesen dar, zu deren Rekonstruktion wir molekulargenetische Methoden verwenden, insbesondere die Sequenzierung der Kern- und Organell-DNA. Die resultierenden Stammbäume beschreiben jedoch nicht nur die Verwandtschaftsbeziehungen der Organismen. Sie dienen uns auch dazu, die räumlichen und zeitlichen Prozesse der Artentstehung zu verstehen (Phylogeographie) sowie Fragen der Evolution ihrer Morphologie, ihres Verhaltens und ihrer ökologischen Einnischung zu beantworten.