Forschungsprojekte

Der Mineralocorticoidrezeptor und kognitive Funktionen

Der Mineralocorticoidrezeptor (MR) ist in vielen Körpergeweben exprimiert, in den meisten allerdings nur in geringer Konzentration. Hohe Konzentrationen finden sich in peripherem Gewebe in Schweißdrüsen, Speicheldrüsen, Niere und Kolon, zentral ist er vor allem in Hippocampusgewebe (CA3), in der Amygdala, dem Septum und in der Schicht II des Cortex exprimiert.
Der MR bindet mit gleicher Affinität an Mineralocorticoide (v.a. Aldosteron) wie an Glucocorticoide (GC), doch ist er in den meisten Zellen mit dem Enzym 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase TypII (11βHSD2) kolokalisiert, die GC in ihre nicht an den MR bindenden Metaboliten verwandelt.
Im Gewebe des zentralen Nervensystems, geht die Selektivität des MR für Aldosteron verloren. Hier bindet der MR an GC (beim Menschen Cortisol) und ist an der Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden Achse (HHNA) beteiligt. Sein „Gegenspieler“, der Glucocorticoidrezeptor (GR) besitzt eine erheblich geringere Affinität für Corticosteroide und wird nur bei hohen Cortisolspiegeln von seinem Liganden besetzt. So wirkt er inhibitorisch auf die HHNA und unterstützt die Beendigung der endokrinen Stressreaktion in akut zu bewältigenden Situationen. Der MR ist schon bei basalen Cortisolkonzentrationen zu ca. 80% besetzt und er vermittelt den proaktiven Feedback Modus, der die basale HHNA Aktivität aufrecht erhält und eine tonische inhibitorische Kontrolle auf die HHNA ausübt.
Neuere Befunde deuten jedoch darauf hin, dass das MR System auch bei der akuten Stressregulation von Bedeutung ist. Unter anderem fanden de Rijk, Wüst und Mitarbeiter 2006 eine signifikante Assoziation zwischen einem Einzelnukleotid-Polymorphismus des MR Gens (NR3C2) und Cortisol- sowie Herzratenreaktionen auf eine akute psychische Belastungssituation.
Aus tierexperimentellen Studien sind schon länger verhaltensmodulierende Aspekte des MR bekannt. Eine Veränderung der biologischen Verfügbarkeit des MR wirkt sich vor allem aus auf Bereiche des räumlich-visuellen Gedächtnisses, der Habituation an neue Umgebungen und Objekte, ängstliche Verhaltensweisen und des "Überwindens" zuvor gelernter Verhaltensweisen.
Eine Untersuchung zu Effekten einer MR Blockade an gesunden, jungen Männern von Otte und Mitarbeitern (2007) konnte diese Befunde im Humanbereich replizieren.
Probanden, die einen MR Antagonisten verabreicht bekamen, zeigten eine verminderte Leistung in Bereichen des räumlich-visuellen Gedächtnisses, der selektiven Aufmerksamkeit und der mentalen Flexibilität.
Zusammengefasst scheinen Funktionen betroffen zu sein, die dem präfrontalen Cortex (PFC) zugeordnet werden. Der PFC wird für die Integration von Informationen über Emotionen, Gedächtnisinhalte und Umgebungsreize verantwortlich gemacht und ist über enge reziproke Verbindungen mit Amygdala und Hippocampus, in denen der MR in hoher Konzentration vorliegt, verknüpft.
Eine genauere Analyse der über die biologische Verfügbarkeit des MR modulierten kognitiven Funktionen sollte neben psychologischen Parametern deshalb auch Aktivitätsmessungen von Hirnarealen, im Besonderen des PFC beinhalten. Vielversprechende Ausgangspunkte einer solchen Untersuchung stellen Paradigmen zur Untersuchung von "Aufmerksamkeitsnetzwerken" anhand von Elektroenzephalogrammen dar, die unter anderem die sogenannten "exekutiven Funktionen" erfassen - Funktionen, die in Situationen benötigt werden, welche Planung, das Treffen von Entscheidungen, Fehlerentdeckung, neuartige Antworten oder das Überwinden von habituellen, automatischen Handlungen erfordern.