Vorbereiter Kants: Deutsche Schulphilosophie und Naturwissenschaft

Geprägt wurde die Kant’sche Philosophie in ihren Anfängen durch zeitgenössische Entwicklungen in den Naturwissenschaften und deren Rezeption in der sogenannten ‚deutschen Schulphilosophie‘. Kant erwähnt in seinen Werken bspw. Toricelli, Galilei und Newton. Die Philosophie in Deutschland war durch Leibniz' rationalistische Metaphysik geprägt, der es um die weitgehend erfahrungsunabhängige Erkenntnis der Welt ging. Diese vertrug sich nicht gut mit den neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Daher waren die deutschen Philosophen damit beschäftigt, die Leibniz’sche Metaphysik mit den Naturwissenschaften in Einklang zu bringen.

Zu den Exponaten

Die „Principia“ von 1644, hier in französischer Übersetzung von 1651, stellen den unvollendet geblieben Versuch René Descartes‘ dar, ein umfassendes System der Metaphysik  und der Naturphilosophie zu liefern. In diesem Werk entwickelt Descartes sein allgemeines Bewegungsgesetz. Descartes, der als der Begründer der neuzeitlichen Philosophie gilt, war in Kants vorkritischer Zeit mehr als Naturphilosoph denn als Theoretiker des "Ich denke, also bin ich" bedeutsam. In Kants Erstlingsschrift von 1747 "Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte und Beurtheilung der Beweise, deren sich die Herr von Leibniz und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedient haben [...]" versucht er den sog. vis-viva-Streit zu lösen, der durch Leibniz' Angriff auf Descartes' mechanistische Erklärung der Bewegung entbrannt war. Worum es in diesem Streit ging erklärt Kant in § 22 seiner Schrift: "Die Welt hatte vor Leibnizen dem einzigen Satze des Cartes gehuldigt, der überhaupt den Körpern auch denen, die sich in wirklicher Bewegung befinden, zum Maße ihrer Kraft nur die bloße Geschwindigkeiten ertheilte. Niemand ließe es sich beifallen, daß es möglich wäre in dasselbe einen Zweifel zu setzen; allein Leibniz brachte die menschliche Vernunft durch die Verkündigung eines neuen Gesetzes plötzlich in Empörung, welches nach der Zeit eines von denen geworden ist, die denen Gelehrten den größten Wettstreit des Verstandes dargeboten haben. Cartes hatte die Kräfte der bewegten Körper nach den Geschwindigkeiten schlechthin geschätzt, allein der Herr von Leibniz setzte zu ihrem Maße das Quadrat ihrer Geschwindigkeit. Diese seine Regel trug er nicht, wie man denken sollte, nur unter gewissen Bedingungen vor, die der vorigen annoch einigen Platz verstatten; nein, sondern er leugnete Cartesens Gesetz absolut und ohne Einschränkung und setzte das seinige sofort an dessen Stelle." (AA I, 33). Doch Kant hatte nicht bemerkt, daß bereits Jahre zuvor d'Alembert gezeigt hatte, daß es ein Streit um nichts war.