300 Jahre Kant und kein Ende in Sicht
Dieses Jahr beginge Kant seinen 300sten Geburtstag. Mit Blick auf diese große historische Distanz stellt sich die Frage: Warum Kant heute noch lesen? Hier bieten sich ganz unterschiedliche Antwortoptionen: Ansprechend in Krisenzeiten mögen etwa Kants Beiträge zur Demokratiebildung und zur Idee eines internationalen Rechtssystems souveräner Staaten, wie er sie in „Zum ewigen Frieden“ vorstellig macht, wirken. Auch seine Religionskritik bzw. Kritik an Praktiken religiöser Institutionen aus der „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ mag nicht an Aktualität verloren haben. Doch auch von der Allgemeinheit weniger Rezipiertes, wie Kants transzendentalphilosophischer Ansatz der „Kritik der reinen Vernunft“ , wird nach wie vor zur Lösung philosophischer Probleme herangezogen. Unter den historischen Philosophen, zu denen in den angesehensten Fachzeitschriften und Verlagen immer neue Forschungsarbeiten publiziert werden, führt Kant sicher die Liste der zahlreichsten mit deutlichem Abstand an. Sein Denken scheint höchst anschlussfähig zu bleiben
Die Kantrezeption in Trier
1793 schließt eine Untersuchung der Schulkommission die Erörterung über ein Lehrverbot der Kant‘schen Schriften mit den Worten: „In Trier ist Kant ganz unbekannt“ (von Hügel (1793)). Doch war dies nicht der Wahrheit letzter Schluss, wie u.a. die vorliegende Ausgabe der „Kritik der reinen Vernunft“ mitsamt händischer Notizen Johann Hugo Wyttembachs (1767-1848), des Gründers der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Trier und Geschichtslehrers von Karl Marx, beweist. Die Universität Trier hat seit ihrer Neugründung 1970 einen Schwerpunkt in der Kant-Forschung und beherbergt heute eine von zwei Kant-Forschungsstellen in Deutschland. An ihr wird seit über 50 Jahren jeweils auf der Höhe der Philosophie ihrer Zeit Kant zum Zentrum der historischen, aber auch systematischen philosophischen Forschung gemacht.