Treveris vocat (Call for Abstracts)

Der Call for Abstracts wurde (nach Verlängerung) am 18.02.2024 geschlossen.

In der Forschung zur Lehrer:innenbildung sind bislang Fragen nach der Profession, Professionalität und Professionalisierung der verschiedenen Berufsgruppen nur wenig bearbeitet worden, die Aufgaben in der Lehrer:innenbildung übernehmen (Bekemeier et al. 2021). Bezogen auf das historische Erbe des sogenannten „niederen“ Lehramts spricht Terhart (2021) von einer „verlorenen“ Profession der „Lehrerbildner“, deren idealistischer Personalismus durch die „Modernisierung, Akademisierung und Verwissenschaftlichung“ (ebd., S. 26) der entsprechenden Lehramtsstudiengänge ins Hintertreffen geraten sei. Während „Lehrerbildner“ in aller Regel selbst zur Berufsgruppe der Lehrer:innen zähl(t)en, ist dies in der Berufsgruppe der Wissenschaftler:innen, die an die Tradition der „Gelehrten“ im Studium für das „höhere“ Lehramt anschließt, nicht notwendig der Fall. Ob sich das wissenschaftliche Personal mit Aufgaben in der Lehrer:innenbildung gegenwärtig überhaupt als (Teil einer) Profession versteht, ist eine offene Frage.

Und doch involviert die gesellschaftlich herausgehobene Aufgabe der Lehrer:innenbildung fortwährend ihr Personal in normative Fragestellungen und konfrontiert es mit speziellen und zugleich komplexen Erwartungen an die eigene Lehrpraxis. Dazu gehören beispielsweise die Übernahme einer Vorbildfunktion für rassismuskritisches und diversitätssensibles Handeln, die empirisch fundierte und zugleich innovative Anwendung von Methoden und Techniken oder die Fähigkeit, professionelle Handlungskompetenz (meta-)reflexiv zu vermitteln.

Trotz dieser für die Professionsforschung relevanten Konstellation, in der die Inhalte in ihrer (fach-)didaktischen Bearbeitung „unmittelbar zum Gegenstand des Professionalisierungsprozesses werden“ (Schrittesser 2020, S. 847), ist nach wie vor im deutschsprachigen Raum ein Forschungsdesiderat festzustellen, auf das bereits Schratz (2015) mit der Formulierung der „unsichtbaren“ Profession hingewiesen hat. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass Identitäten und Sub-Identitäten dieser Berufsgruppen (Swennen/Jones/Volman 2010) angesichts professionell und disziplinär heterogener Qualifikationswege und -profile in ein- oder mehrphasigen Systemen nicht einfach zu bestimmen sind.

Zielsetzung der Tagung

Mit dem Tagungsthema wird eine doppelte Zielsetzung verfolgt:

Erstens sollen neue Impulse für eine Intensivierung der Forschung aufbauend auf eine Bestandsaufnahme bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Personal aller Phasen bei seinem „operative[n] Vollzug“ der Lehrer:innenbildung (Herzmann et al. 2019, S. 4) gesetzt werden. Erbeten werden demgemäß Beiträge aus folgenden Perspektiven:

  • Gegenstandskonstitutive Perspektive: Welche professions-, professionalisierungs- und professionalitätsbezogenen Perspektiven und Konzepte können für eine theoretische und empirische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Berufsgruppen (Wissenschaftler:innen, Lehrbeauftragte, Fachleiter:innen, Schulleitungen, Praxislehrpersonen, Anbieter:innen von Fortbildungen u.a.) in der Lehrer:innenbildung fruchtbar gemacht werden?
  • Historische Perspektive: Welche historischen Linien, strukturellen Pfade oder kulturellen Muster lassen sich in den Institutionen, Organisationen und Disziplinen der Lehrer:innenbildung bestimmen, die auch gegenwärtig Machtverhältnisse, Selbstverständnisse und Adressierungen, Normen und Werte beeinflussen?
  • Empirische Perspektive: Wie relationieren die verschiedenen Berufsgruppen in der Lehrer:innenbildung Wissen und Können bzw. Theorie und eigene Lehrpraxis? Wie verlaufen typische und untypische Sozialisationswege sowie Berufsbiografien in der Lehrer:innenbildung? Wie unterscheiden sich Karrieren und Qualifikationsanforderungen (z.B. das sogenannte „Schulpraxiserfordernis“) sowie Fort- und Weiterbildungen innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen in der Lehrer:innenbildung oder im Vergleich zu anderen Berufen oder Professionen? Über welche Herkunfts- und Persönlichkeitsmerkmale, Kompetenzen und Einstellungen verfügt das heterogen zusammengesetzte Personal in der Lehrer:innenbildung und wie geht es mit Belastungen und Beanspruchungen um?
  • Internationale Perspektive: Welche Erkenntnisse hinsichtlich der Identitäten und Aufgaben (vgl. Dengerink et al. 2015) des in der Lehrer:innenbildung tätigen Personals liegen in der internationalen Forschung vor?

Außerdem soll innerhalb der Kommission die Reflexion und Diskussion zum Selbstverständnis der Profession(en) weitergeführt werden. Reflexive und zur Diskussion anregende Beiträge, Diskursanalysen sowie Bearbeitungen epistemologischer Probleme der Selbstbeforschung (Wilkesmann 2019, S. 39 ff.) sind daher ebenfalls willkommen.

Beitragsformate

Es sind drei Beitragsformate geplant, die durch eingeladene Plenarvorträge ergänzt werden:

Einzelbeiträge: Für Einzelbeiträge sind jeweils maximal eine halbe Stunde Vortragszeit und eine Viertelstunde Diskussionszeit vorgesehen. Neben Angaben zur Fragestellung sowie zu den theoretischen und methodischen Bezügen sollte in den Abstracts auch auf die (erwarteten) Befunde eingegangen werden (max. 500 Wörter).

Arbeitsgruppen: Für Arbeitsgruppen stehen insgesamt zwei Stunden zur Verfügung, die z.B. mit einer Einführung, verschiedenen Einzelbeiträgen und einer Diskussionszeit gefüllt werden. Im Abstract sollte zusätzlich zu den Fragestellungen, den theoretischen und methodischen Bezügen sowie den (erwarteten) Ergebnissen der Einzelbeiträge auf die rahmende Gesamtkonzeption eingegangen werden (max. 1000 Wörter).

Offenes Format: In diesem Format können zwei Stunden frei gestaltet werden. Möglich ist zum Beispiel eine Materialwerkstatt, ein Disput verschiedener Berufsgruppen oder ein Erzählcafé zu Berufsbiografien. In den Abstracts für das offene Format sollten sowohl das geplante Format selbst als auch die spezifischen Fragestellungen, Inhalte und Zielsetzungen erläutert werden (max. 1000 Wörter).

Literatur

Bekemeier, K., Goerigk, P., Schweitzer, J., Schwier, V. & Wolf, E. (2021). Selbstdeutung, Positionierung & Rollenfindung: Zum Selbst in der universitären Lehrer*innenbildung (Themenheft). PraxisForschungLehrer*innenBildung, 3(5). www.pflb-journal.de/index.php/pflb/issue/view/365

Dengerink, J., Lunenberg, M. & Korthagen, F. (2015). The Professional Teacher Educator: Six Roles. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 33 (3), 334-344. www.pedocs.de/volltexte/2017/13906/pdf/BZL_2015_3_334_344.pdf

Herzmann, P., Kunze, K., Proske, M. & Rabenstein, K. (2019). Die Praxis der Lehrer*innenbildung. Ansätze – Erträge – Perspektiven. Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung, 8, 3-23.

Schratz, M. (2015). LehrerbildnerInnen. Die „unsichtbare Profession“ aus der Policy-Perspektive. Journal für LehrerInnenbildung, 15(2), 40-44.

Schrittesser, I. (2020). Qualifikationswege Dozierender in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. In C. Cramer, J. König, M. Rothland & S. Blömeke (Hrsg.), Handbuch Lehrerinnen- und Lehrerbildung (S. 843–850). Klinkhardt. doi.org/10.35468/hblb2020-104

Swennen, A., Jones, K., & Volman, M. (2010). Teacher Educators: their identities, subidentities and implications for professional development. Professional Development in Education, 36(1-2), 131-148.

Terhart, E. (2021). „Lehrerbildner“ – auf der Suche nach einer verlorenen Profession: Allgemeines und Persönliches. PraxisForschungLehrer*innenBildung. Zeitschrift für Schul- und Professionsentwicklung. (PFLB), 3(5), 26-37. doi.org/10.11576/pflb-4775

Wilkesmann, U. (2019). Methoden der Hochschulforschung. Eine methodische, erkenntnis- und organisationstheoretische Einführung. Beltz Juventa.