Gesetz vom 9. Dezember 1905 / Gesetz zur Trennung von Kirchen und Staat (Auszüge)

Titel I: Grundsätze

Artikel 1

Die Republik garantiert Glaubensfreiheit. Sie gewährleistet die freie Religionsausübung, die allein aus den nachfolgend aufgeführten Gründen im Interesse der öffentlichen Ordnung beschränkt werden darf.

Artikel 2

Weder anerkennt noch finanziert oder bezuschusst die Republik irgendeine Religionsgemeinschaft. Daher werden ab dem 1. Januar, der auf die Verkündung dieses Gesetzes folgt, alle sich auf die Religionsausübung beziehenden Ausgaben der Haushalte des Staates, der Departements und der Kommunen abgeschafft.

In den vorgenannten Haushalten können gleichwohl diejenigen Ausgaben eingestellt werden, die sich auf seelsorgerliche Dienste beziehen und dazu dienen, die freie Religionsausübung in öffentlichen Einrichtungen wie Lycéen, Kollegien, Schulen, Pflegeheimen, Anstalten für Geisteskranke und Gefängnissen zu garantieren.

Die öffentlichen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften sind vorbehaltlich der in Artikel 3 aufgeführten Bestimmungen aufgehoben.

 
Titel II: Zuteilung von Gütern, Pensionen.

Artikel 4

Innerhalb eines Jahres nach der Verkündung dieses Gesetzes wird das bewegliche und unbewegliche Gut der kirchlichen Tafelgüter, Kirchenstiftungen, Gemeinderäten, Konsistorien und anderen öffentlichen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften mit allen Lasten und Verpflichtungen, die auf ihnen liegen und mit ihrer spezifischen Widmung von den gesetzlichen Vertretern dieser Einrichtungen auf diejenigen Vereine übertragen, die sich rechtmäßig nach den Bestimmungen des Artikels 19 für die Ausübung dieser Religion innerhalb der alten Bezirke dieser Einrichtungen und in Übereinstimmung mit den allgemeinen organisatorischen Regeln derjenigen Religion bilden werden, deren Ausübung sie zu dienen bestimmt sind.

 

Titel III: Über die Gebäude der Religionsgemeinschaften Artikel 12
Geändert durch Gesetz 98-546 1998-07-02 Art. 94 I jorf 3. Juli 1998

 

Die Gebäude, die der Nation zur Verfügung gestellt worden sind und die, gemäß dem Gesetz vom 18. Germinal Jahr X, der öffentlichen Ausübung der Religionen oder der Unterbringung ihrer Geistlichen dienen (Kathedralen, Kirchen, Kapellen, Synagogen, Erzbistumssitze, Bistumssitze, Pfarrämter, Seminare), sowie ihre unbeweglichen und beweglichen Bestandteile, mit denen sie im Zeitpunkt der Übergabe dieser Gebäude an die Religionsgemeinschaften ausgestattet waren, sind und bleiben Eigentum des Staates, der Departements, der Kommunen und der öffentlichen Einrichtungen der interkommunalen Zusammenarbeit, welche die Zuständigkeiten bezüglich der Gebäude von Religionsgemeinschaften übernommen haben.

(...)

 

Artikel 13
Geändert durch Gesetz 98-546 1998-07-02 Art. 94 II jorf 3. Juli 1998

Die Gebäude, die der Ausübung einer Religion dienen, ebenso wie die beweglichen Bestandteile, mit denen sie ausgestattet sind, werden den öffentlichen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften, anschließend denjenigen Vereinen, die dazu bestimmt sind, an deren Stelle zu treten und an die die Güter dieser Einrichtungen in Anwendung der Bestimmungen des Titels II übertragen worden sind, unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

(...)

Den öffentlichen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften, anschließend den begünstigten Vereinen obliegen sowohl Reparaturen aller Art, als auch Versicherungskosten und andere Lasten der Gebäude und der beweglichen Güter, mit denen diese ausgestattet sind.

Der Staat, die Departements, die Kommunen und die öffentlichen Einrichtungen der interkommunalen Zusammenarbeit dürfen die notwendigen Ausgaben für die Pflege und Instandhaltung der Gebäude der Religionsgemeinschaften, deren Eigentum ihnen durch dieses Gesetz zuerkannt ist, tätigen.

 
Titel IV: Über die Vereine zur Ausübung einer Religion

Artikel 18

Die Vereine, die zur Übernahme der Kosten, sowie zur Pflege und öffentlichen Ausübung einer Religion geschaffen sind, werden gemäß den Artikeln 5ff. des Titels I des Gesetzes vom 01. Juli 1901 gebildet. Sie unterliegen ferner den Bestimmungen dieses Gesetzes.

Artikel 19

Geändert durch Dekret 66-388 1996-06-13 Art. 8, JORF 17. Juni 1966.

Diese Vereine müssen zum ausschließlichen Zweck die Ausübung einer Religion haben und sich zusammensetzen aus mindestens:

7 Personen in Kommunen mit weniger als 1.000 Einwohner;

15 Personen in Kommunen von 1.000 bis 20.000 Einwohner;

25 volljährigen Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem religiösen Bezirk haben, in Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern .

Unbeschadet entgegenstehender Regelung steht es jedem seiner Mitglieder freistehen, jederzeit nach Entrichtung der fälligen Beiträge und derjenigen des laufenden Jahres aus dem Verein auszutreten.

(...)

Sie dürfen in keiner wie auch immer gearteten Weise Subventionen des Staates, der Departements und der Kommunen erhalten. Als Subventionen gelten diejenigen Beträge nicht, die für Reparaturen der denkmalgeschützten und der nicht denkmalgeschützten Gebäude der öffentlichen Religionsausübung bestimmt sind.

(...)

Artikel 24

Die Gebäude, die für die Ausübung einer Religion bestimmt sind und die dem Staat, den Departements oder der Kommunen gehören, sind weiterhin von der Grundsteuer und von der Steuer auf Türen und Fenster befreit.

Die der Unterkunft der Geistlichen dienenden Gebäude, die Seminare, die Fakultäten für evangelische Theologie, die dem Staat, den Departements oder den Kommunen gehören, sowie die Güter, welche den Vereinen und Vereinigungen gehören, unterliegen den gleichen Steuern wie diejenigen von Privatpersonen.

(...)

 
Titel V: Ordnung der Religionsgemeinschaften

Artikel 25

Feierliche Zusammenkünfte eine Religionsgemeinschaft in Gebäuden eines Religionsvereins oder in Gebäuden, die einem solchen Verein zur Verfügung stehen, sind öffentlich. Sie sind von den Formalitäten des Artikels 8 des Gesetzes vom 30. Juni 1881 befreit, bleiben im Interesse der öffentlichen Ordnung jedoch unter behördlicher Aufsicht.

Artikel 26

Das Abhalten von politischen Versammlungen in Gebäuden, die gewöhnlich der Ausübung einer Religion dienen, ist verboten.

Artikel 27

Zeremonien, Prozessionen und andere nach außen gerichtete Kundgebungen einer Religionsgemeinschaft werden in Übereinstimmung mit Artikel 97 des Kommunalverwaltungsgesetzbuches [Code de l’administration communale] geregelt.

Das Glockengeläut wird durch kommunale Verordnung geregelt, im Falle der Uneinigkeit zwischen dem Bürgermeister und dem Präsidenten oder Direktor des Religionsvereins durch Verordnung des Präfekten.

Durch die in Artikel 43 dieses Gesetzes vorgesehene Verordnung der öffentlichen Verwaltung werden die Bedingungen und Anlässe festgelegt, zu denen nichtliturgisches Glockengeläut stattfinden kann.

Artikel 28

In Zukunft ist es verboten, religiöse Zeichen oder Sinnbilder jedweder Art auf öffentlichen Denkmälern oder auf irgendeinem öffentlichen Platz zu errichten oder zu setzen mit Ausnahme der der Religionsausübung dienenden Gebäude, den Grabstätten auf den Friedhöfen, Grabdenkmälern, Museen oder Ausstellungen.

Artikel 34

Jeder Geistliche einer Religionsgemeinschaft , der an dem Ort, wo seine Religion ausgeübt wird, durch gehaltene Reden, vorgetragene Lesungen, ausgeteilte Schriften oder ausgehängte Plakate einen mit einem öffentlichen Amt betrauten Bürger öffentlich beleidigt oder verleumdet, wird mit Geldstrafe von 25.000 F und mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mit nur einer von beiden Strafen bestraft.

(...)

Artikel 35

Wenn eine gehaltene Rede oder ein ausgehängtes oder öffentlich ausgeteiltes Plakat an einem Ort, an dem eine Religion ausgeübt wird, eine direkte Aufforderung zum Widerstand gegen die Gesetze oder gegen Rechtshandlungen der Behörden enthält, oder dazu führt, dass sich ein Teil der Bürger gegen einen anderen Teil der Bürger erhebt oder bewaffnet, wird der Geistliche, der sich hierfür als schuldig erweist, mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft, unbeschadet einer Bestrafung wegen Mittäterschaft in dem Fall, in dem die Aufforderung zu einem Aufruhr, einer Revolte oder einem Bürgerkrieg geführt hat.

Titel VI: Allgemeine Bestimmungen

Artikel 38

Die religiösen Orden unterliegen weiterhin den Gesetzen vom 1. Juli 1901, 4. Dezember 1902 und 7. Juli 1904.

(...)

Der Präsident der Republik,
Emile LOUBET

Der Präsident des Rates, Außenminister,
ROUVIER

Der Minister der öffentlichen Bildung, der Bildenden Kunst und der Religionsgemeinschaften,
Bienvenu MARTIN

Der Innenminister,
F. DUBIEF

Der Finanzminister,
P. MERLOU

Der Minister der Kolonien,
CLEMENTEL.

 

 

Anmerkung:

Die Übersetzung wurde am Institut für europäisches Verfassungsrecht erstellt. Sie dient ausschließlich informatorischen Zwecken und hat keinen amtlichen Charakter. Weder erhebt sie den Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, noch bietet sie hierfür Gewähr.
Der besseren Lesbarkeit wegen wurde auf die Wiedergabe einiger sprachlicher Eigentümlichkeiten verzichtet. 

Christine Schmidt-König & Florian Geyer

14.06.2005