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Lawhaha auf Deutsch - Originelle Gerichtsurteile

(Unübertreffliches Vorbild ist die Wiedergabe US-amerikanischer "strange judicial opinions" bei www.lawhaha.com)

 

BGH, Urt. v.27.6.1961 - I ZR 135/59 (GRUR 1961, 544)

 

Leitsätze

1. Verstoß gegen § 3 UWG durch Werbung im Rundfunk mit Hühnergegacker für Eierteigwaren, die nur unter Verwendung von Trockenei statt von Frischei hergestellt werden.

2. Zur Zulässigkeit der richterlichen Beurteilung der Verkehrsauffassung im Sinne des § 3 UWG ohne Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten, Meinungsumfrage)

Aus dem Tatbestand: Die Parteien sind Hersteller von Teigwaren, und zwar sowohl von gewöhnlichen Eierteigwaren, die unter Verwendung von Trockenei hergestellt werden, als auch von Eierteigwaren, für die ausschließlich Frischei verwendet wird. Der Preisunterschied ist beträchtlich. Für ihre gewöhnlichen Eierteigwaren wirbt die Kl. seit 1956 im Rundfunk regelmäßig in der Weise, dass sei ihren Werbetext mit einem Hühnergegacker beginnen oder nach den ersten Textworten ein solches anklingen lässt. Die Bekl. beanstandete diese Werbung, weil durch das dabei verwendete Hühnergegacker der unzutreffende Eindruck erweckt werde, die angepriesenen gewöhnlichen Eierteigwaren seinen aus Frischei hergestellt. Dies erfülle den Tatbestand der Irreführung gem. § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sie forderte von der Klägerin Unterlassung und Anerkennung der Unterlassungspflicht. Dies lehnte die Klägerin ab, und beantragte, festzustellen, dass die Bekl. nicht berechtigt ist, die Rundfunkwerbung der Beklagten deswegen zu beanstanden, weil die Kl. dabei das Gegacker von Hühnern verwendet. 

 

Aus den Gründen: Die Revision hatte keinen Erfolg. Den Ausführungen des OLG ist nach Ansicht des Senats jedenfalls im Ergebnis zu folgen.

a) Das BerG. prüft zunächst, ob die Verwendung von Hühnergegacker schlechthin, d. h. in jeder möglichen lautlichen Gestaltung bei Hörern der Werbesendungen der Kl. die Verstellung auslöst, es seien bei der Herstellung der Teigwaren Frischeier verwendet worden. Das BerG. bejaht diese Frage. Seine Auffassung begründet es im wesentlichen wie folgt: Da erfahrungsgemäß die Hühner, insbesondere nach dem Legen eines Eies, gackerten und das Eierlegen der den Menschen am Huhn am meisten interessierende Vorgang sei, denke der Hörer beim Gackern in der Werbesendung sogleich ans Eierlegen. Jedenfalls gelte das für Hörer, die mit dem Landleben bzw. mit Hühnern einigermaßen vertraut seien, mindestens aber für einen nicht unerheblichen Teil dieser Hörer. Bei den dem Landleben ferner stehenden Hörern möge zwar, so führt das BerG. weiter aus, angesichts der kurzen Zeitdauer des Gegackers von zwei bis drei Sekunden nicht schon beim ersten Hören der Sendung mehr als der Eindruck entstehen, dass für die angepriesene Ware Eier vom Huhn verwendet würden. Nach öfterem Hören der Sendung werde sich aber auch bei solchen Hörern die Gedankenverbindung zum ebengelegten Ei einstellen. Der Meinung des LG, der Hörer sage sich nur ganz allgemein, das Gegacker sei vom Huhn wie das Schnattern von Gänsen oder Enten sei, könne nicht beigepflichtet werden. Bei einem erheblichen Teil der Teigwaren kaufenden Rundfunkhörer bringe vielmehr, so stellt das BerG. insoweit abschließend fest, das Gegacker der Henne die Gedankenverbindung zum soeben gelegten Ei, d.h. zum Frischei mit sich. Die Verbindung der Frischeivorstellung mit den angepriesenen Teigwaren führe nun aber, so ist in der Begründung des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, den Hörer zur Annahme, dass in den angepriesenen Teigwaren Frischei verwendet werde. Zwar sei nicht auszuschließen, dass Hörer auch an die Möglichkeit dächten, dass das Frischei aufbewahrt und evtl. auch einem Fabrikationsprozess unterworfen und dann in der Form des so gewonnenen Eierzeugnisses in den Teigwaren verwendet werde. Diese Möglichkeit sei jedoch, jedenfalls beim flüchtigen Hörer, fernliegend. Mit ihr sei daher, so meint das BerG., im allgemeinen nicht zu rechnen.

Die Zuziehung von Sachverständigen hielt das BerG. nicht für veranlasst. Die Richter des Senats seien, so führt das BerG. aus, in der Lage, sich aus eigener Kenntnis ein Urteil zu bilden, zumal sie selbst zugleich auch zum Abnehmerkreis für Eierteigwaren gehörten, solche auch schon wiederholt eingekauft hätten. Auch seien alle Richter des Senats mit ländlich?kleinstädtischen Verhältnissen vertraut.

b) In einer anschließenden Hilfsbegründung geht das BerG. auf die vom LG aufgeworfene Frage ein, ob die besondere lautliche Gestaltung des in den Rundfunksendungen der Kl. wiedergegebenen Gegackers eine andere Beurteilung rechtfertigt. Das BerG. unterscheidet dabei mit dem LG zwischen "Konversationsgegacker" und "Legegegacker". Es sei, so führt das BerG. hierzu aus, gerichtsbekannt, dass nach der Überzeugung zahlreicher ländlicher und kleinstädtischer mit Hühnern vertrauter Personen die Hühner nach dem ,Legen eines Eies in einer besonders charakteristischen Weise gackerten ("Legegegacker"). Ein solches Gegacker komme vor allem im betonten Hervorheben eines der ersten Gackertöne zum Ausdruck. Wenn aber, so legt das BerG. dar, dieser besondere Tonfall in dem Werbegegacker der Sendungen der Kl. aufklinge, werde bei dem geschilderten Personenkreis die Vorstellung des typischen Legegegackers erweckt, die ihrerseits wieder die Vorstellung des Frischeies hervorrufe.

Auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vorgespielten und von ihm auf Tonband aufgenommenen Sendungen stellt das BerG. fest, dass der für ein "Legegegacker" typische Tonfall in den Werbesendungen der KI. aufgeklungen ist. Nach der Feststellung des BerG. ist dieser Tonfall schwächer in der von der Kl. zunächst vorgeführten Aufnahme, die mit dem LG als "sozusagen typisiertes Gegacker" bezeichnet werden könne; deutlicher und nicht mehr "typisiert" dagegen, auch um etwa eine Sekunde länger dauernd, in der letzten der von der Kl. vorgeführten Aufnahmen. Es sei jedoch anzunehmen, so wird in der Begründung des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, dass auch bei dem mehr typisierten Gegacker das Legegegacker wegen seiner charakteristischen ("triumphierenden ? verkündenden") Form, das die Aufmerksamkeit stark auf sich ziehe, mehr oder minder bewusst vom Hörer herausgehört werde. Es stehe dabei fest, dass es sich tatsächlich um ein "Legegegacker" handele. Entgegen der Annahme des LG hält es das BerG. dabei für unerheblich, ob das Gegacker von einem Tierstimmenimitator stammt. Auch ein Imitator sei in der Lage, den typischen Tonfall des Legegegackers nachzuahmen. (...)

 

AG Mönchengladbach, Urt.v. 25.04.1991 - 5a C 106/91 (NJW 1995, 884)

 

Leitsatz (der NJW-Redaktion): Die Unterbringung in einem mit zwei Einzelbetten statt eines Doppelbetts ausgestatteten Ferienhotelzimmer und ein aufgrund dieses Umstands unharmonischer Intimverkehr während der Dauer des Urlaubs stellen nicht ohne weiteres einen zur Herabsetzung des Reisepreises berechtigenden Mangel dar.

Zum Sachverhalt: Der Kl. hatte bei der Bekl. für sich und seine Lebensgefährtin eine Urlaubsreise nach Menorca gebucht. Geschuldet war die Unterbringung in einem Doppelzimmer mit Doppelbett.
Der Kl. trug vor, nach der Ankunft habe er feststellen müssen, daß es in dem ihm zugewiesenen Zimmer kein Doppelbett gegeben habe, sondern zwei separate Einzelbetten, die nicht miteinander verbunden gewesen seien. Bereits in der ersten Nacht habe er feststellen müssen, daß er hierdurch in seinen Schlaf- und Beischlafgewohnheiten empfindlich beeinträchtigt worden sei. Ein "friedliches und harmonisches Einschlaf- und Beischlaferlebnis" sei während der gesamten 14tägigen Urlaubszeit nicht zustandegekommen, weil die Einzelbetten, die zudem noch auf rutschigen Fliesen gestanden hätten, bei jeder kleinsten Bewegung mittig auseinandergegangen seien. Ein harmonischer Intimverkehr sei deshalb nahezu völlig verhindert worden. Der Kl. verlangte Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 20 % des Reisepreises von 3078 DM. Der erhoffte Erholungswert, die Entspannung und die ersehnte Harmonie mit seiner Lebensgefährtin sei erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies habe bei ihm und bei seiner Lebensgefährtin zu Verdrossenheit, Unzufriedenheit und auch Ärger geführt. Der Erholungswert habe darunter erheblich gelitten. Die Bekl. bat um Klageabweisung. Sie meinte, die Klage könne nicht ernst gemeint sein.

Aus den Entscheidungsgründen: Die Klage ist zulässig. Der Bekl. ist zuzugeben, daß hier leicht der Eindruck entstehen könnte, die Klage sei nicht ernst gemeint. Die Zivilprozeßordnung sieht allerdings einen derartigen Fall nicht vor, so daß es hierfür auch keine gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen gibt.
Die Klage ist aber jedenfalls in der Sache nicht begründet.
Der Kl. hat nicht näher dargelegt, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die festverbundene Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt brauchte allerdings nicht aufgeklärt zu werden, denn es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnheiten des Kl. an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet sind.
Dies ist nicht der Fall. Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, daß der Kl. seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hätte verbringen müssen.
Aber selbst wenn man dem Kl. seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein festverbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wäre mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein Mangel nämlich leicht abgestellt werden kann, dann ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit der Folge, daß sich der Reisepreis nicht mindert und daß auch Schadensersatzansprüche nicht bestehen.
Der Kl. hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf diesem Foto ist zu erkennen, daß die Matratzen auf einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus Metall ist. Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, die beiden Metallrahmen durch eine feste Schnur miteinander zu verbinden. Es mag nun sein, daß der Kl. etwas derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist aber für wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kl. beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können, denn dieser wurde in seiner ursprünglichen Funktion in dem Augenblick sicher nicht benötigt.

 

AG Gießen, Urt. v. 20.8.1987 - 46 C 1003/87 (NJW-RR 1988, 442)


Leitsatz (der NJW-Redaktion): Zur Zahlungspflicht des Gastes, der in einem Speiselokal gehobener Klasse ein Fischgericht ("loup de mer") von 650 g für 48 DM bestellt hat, dem nach seiner Darstellung jedoch eine magere Brasse von 300 g serviert worden ist, die zudem tranig geschmeckt und zu Diarrhoe geführt haben soll.

Zum Sachverhalt: Der Kl. betreibt ein italienisches Speiselokal gehobener Klasse. Zu den Gästen gehörten am Abend des18. 3. 1987 der Bekl. und ein mit ihm befreundetes Ehepaar - zwei Doktoren und eine Diplom-Biologin, was für den weiteren Verlauf des Abends nicht ohne Bedeutung war. Um den Hunger langsam in ein Sättigungsgefühl zu verwandeln, bestellte man die verschiedensten Speisen und Getränke. Sie alle fanden - trotz eines interessanten Fußballländerspiels der italienischen Nationalmannschaft - das Wohlgefallen des Gaumens der Gäste, mit Ausnahme eines Fisches. Der Fisch sollte nach der Speisekarte den Namen "loup de mer" (gemeint: Seewolf) tragen, 650 Gramm wiegen und 48 DM kosten. Er war von dem Bekl. bestellt worden, als Portion aber - auch nach der Karte - für zwei Personen gedacht. Dementsprechend sollte der Seewolf unter Aufteilung des Anschaffungspreises dem Eiweißhaushalt des Bekl. und eines seiner Begleiter dienen. Zubereitet, dekoriert und serviert fand der Fisch zunächst das Wohlwollen seiner Verzehrer. Es wurde probiert und geschmeckt, wie viel aber, ob nur ein wenig oder bis zu den Gräten, ist streitig. Währenddessen, die Gründe hierfür sind noch nicht erforscht, wandelte sich das einstige Gefallen der Genießer in ein Missfallen. Dieses war dann so groß, dass der Wirt noch heute auf seinen Lohn für diesen Teil der Zeche wartet. Der Kl. behauptet, der servierte und völlig verzehrte Fisch habe zu den 650 Gramm schweren Seewölfen gehört und fein geschmeckt. Für gesundheitliche Beschwerden des Bekl. und seiner Begleiter könne er jener nicht verantwortlich sein. Allerdings habe der Hunger des Bestellers in keinem Verhältnis zur Größe der Portion gestanden. Sie sei ihm viel zu klein gewesen. Der Bekl. behauptet, mit Hilfe des Sachverstandes der anwesenden Diplom-Biologin habe man den Fisch als magere Brasse von allenfalls 300 Gramm enttarnt. Sie habe zudem tranig geschmeckt, wahrscheinlich deshalb, weil das Küchenpersonal das Länderspiel der italienischen Nationalmannschaft verfolgt habe. Bei allen Mitgeniessern habe der tranige Geschmack zu einer lästigen Diarrhoe (gemeint: Durchfall) geführt. Letztlich habe er allenfalls die Hälfte des Preises zu zahlen, da für ihn nur die Hälfte der Portion bestimmt gewesen sei und er zum Verzehr der anderen Hälfte seinen Begleiter nicht eingeladen habe. Die weiteren Details der Fischmahlzeit und ihrer unerfreulichen Folgen kann man ergänzend aus den gewechselten Schriftsätzen nebst den beigefügten Materialien, insgesamt aus dem Bemühen von vier mit dieser Sache befassten Rechtsanwälten entnehmen.
Das AG hat dem Kl. antragsgemäß 48 DM zugesprochen.

Aus den Gründen: Der Bekl. ist trotz der von ihm geschilderten Umstände, Folgen und Meinungen verpflichtet, den Fisch, ob Brasse oder Seewolf, zu bezahlen (§ 433 Abs. 2 BGB).
Da die Größe und das Gewicht eines Fisches sowie seine Artzugehörigkeit gerade sachkundigen Tischgenossen bereits bei dessen Anblick auffällt, nicht selten sogar nur vor dem Verzehr und nicht mehr im nachhinein festgestellt werden kann, erhält der Genuß auch nur eines Teils der Mahlzeit nicht nur für die Ernährung, sondern auch in rechtlicher Hinsicht Bedeutung. Erkennt der Genießer nämlich in dem servierten, vermeintlichen Seewolf eine kleine magere Brasse und läßt er sich diese statt des Seewolfes schmecken, wenn auch nur ein wenig, so ist ihm die magere Brasse so viel Wert wie ein schwerer Seewolf und hat hierfür zu bezahlen. Dies alles ergibt sich aus § 442 Abs. 1 BGB. Hat der Genießer jedoch die magere Brasse in Unkenntnis ihres geringen Gewichts und der Tatsache, dass es sich um keinen Seewolf gehandelt hat, verzehrt oder damit begonnen, so verlangt die Kunst der Führung eines Zivilprozesses eine genaue Erklärung dafür, wieso diese ins Auge fallenden Umstände erst erfasst wurden, als sich herausstellte, dass der Fisch für den Gaumen seiner Besteller kein Genuss war. Der tranige Geschmack, welcher Beanstandung fand, ist ebenfalls nicht geeignet, die Bezahlung in berechtigter Weise zu verweigern. Dieser ist in gewisser Weise nämlich jedem Fischeigen, weshalb ihn manche mögen, andere aber nicht. Auch gibt es Richtungen in der Kochkunst, für die es wichtig ist, den Eigengeschmack eines Fisches (tranig) bei der Zubereitung zu erhalten, nicht aber zu beseitigen oder aber zu verdecken. Ganzunverständlich ist jedoch, weshalb der tranige Geschmack nur deshalb vorhanden gewesen sein soll, weil das Küchenpersonal ein Fußball-Länderspiel ihrer Nationalmannschaft mit verfolgt hat. Dies hätte näher erklärt werden müssen. Nicht besser zu verstehen ist es, warum der tranige Geschmack eines Fisches umgehend zum Auftreten einer Diarrhoe führen kann oder mußte. Auch hier hätte es einer genauer Erforschung von Ursache und Wirkung und eine Mitteilung des Ergebnisses bedurft. Letztlich hat der Bekl. als Besteller auch den gesamten Preis der für zwei Personen gedachten Fischportion zu zahlen. Dass er sich diese mit einem seiner Tischgenossen teilen und sich jener hieran finanziell beteiligen wollte, ist für den Kl. und seine Ansprüche ohne Bedeutung. Selbst wenn der Fisch von den beiden gemeinsam bestellt worden wäre, könnte der Kl. die gesamte Summe von dem Bekl. verlangen und brauchte sich nicht auf eine dem verzehrten Anteil entsprechende Kostenteilung verweisen zu lassen (§§ 420, 426 BGB).  

 

BVerwG, Beschl. v. 13.6. 2001 - 5 B 105/00 (NJW 2001, 2898)

 

Leitsatz: Wer sich darauf beruft, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, muss konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf die wesentlichen Vorgänge in der Verhandlung ausschließen.

Aus den Gründen: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss derjenige, der sich darauf beruft, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf die wesentlichen Vorgänge in der Verhandlung ausschließen.... Dabei sind der Zeitpunkt, die Dauer und die Einzelheiten des Verhaltens des Richters genau anzugeben ....Weiterhin hat die Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist, ... welche für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der Richter während seines "Einnickens" nicht habe erfassen können... Die Darlegungen der Beschwerde genügen den vorgenannten Anforderungen nicht. Die Beklagtenvertreterin trägt insoweit vor: "Der ehrenamtliche Richter H. war unfähig der Verhandlung zu folgen, weil er über einen längeren Zeitraum ununterbrochen die Augen geschlossen hatte und - wie durch seine Körperhaltung, nämlich Senken des Kopfes auf die Brust und ruhiges tiefes Atmen sowie 'Hochschrecken' - zum Ausdruck kam, offensichtlich geschlafen hat." Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags hat sie auf einen Vermerk des ihr zur Ausbildung zugewiesenen Rechtsreferendars Bezug genommen, der an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hatte und in seinem Vermerk anmerkt, "dass während nahezu der gesamten Verhandlung der ehrenamtliche Richter einnickte. Er schien der Verhandlung nicht zu folgen". Aus diesen mitgeteilten Beobachtungen, die weder hinsichtlich der Dauer des behaupteten Einnickens bestimmt sind noch sich inhaltlich decken und die vom Klägervertreter, der ebenfalls an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, nicht bestätigt werden, lässt sich aber, selbst wenn sie zuträfen, noch nicht sicher darauf schließen, dass der bezeichnete Richter tatsächlich über einen längeren Zeitraum geschlafen hat und der mündlichen Verhandlung nicht folgen konnte. Das Schließen der Augen über weite Strecken der Verhandlung und das Senken des Kopfes auf die Brust beweist allein nicht, dass der Richter schläft. Denn diese Haltung kann auch zur geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration eingenommen werden.... Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise "abwesend" ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung ... Ruhiges tiefes Atmen kann ebenfalls ein Anzeichen geistiger Entspannung oder Konzentration sein, insbesondere dann, wenn es für andere nicht hörbar erfolgt, denn gerade dies kann darauf schließen lassen, dass der Richter den Atmungsvorgang bewusst kontrolliert und nicht schläft. Auch das "Hochschrecken" des Richters hat die Beschwerde nicht näher geschildert, vor allem nicht dargelegt, dass er nach dem "Hochschrecken" einen geistig desorientierten Eindruck gemacht habe. "Hochschrecken" allein kann auch darauf schließen lassen, dass es sich lediglich um einen die geistige Aufnahme des wesentlichen Inhalts der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtigenden Sekundenschlaf gehandelt hat."

 

AG Siegen, Urt.v. 8.4. 2003 - 12 C 591/02

 

Tatbestand: Die Kläger machen gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassen der Bestrahlung ihres Grundstücks geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die von einer Außenlampe der Beklagten ausgehende Helligkeit die Benutzung des Grundstücks der Kläger beeinträchtigt. Die Kläger beantragen, 1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das Anwesen von ihnen, den Klägern, in der X in S zu bestrahlen, soweit die Bestrahlung die Benutzung des Anwesens nicht oder nicht unwesentlich beeinträchtigt, und zwar ab Einbruch der Dunkelheit bis zum Einbruch des Tageslichtes, 2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Unterlassungsgebot den Beklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 bzw. Ordnungshaft, falls das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, und die sofortige Verhängung von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, bei mehreren Verstößen längstens bis zu 2 Jahren, anzudrohen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe: Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien sowie nach Inaugenscheinnahme von diversen Fotos, die - unstreitig - die derzeitige Grundstückssituation widerspiegeln, vermag das Gericht eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der Kläger durch ein Brennenlassen der Außenlampe der Beklagten nicht zu erkennen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich in der fraglichen Außenlampe der Beklagten eine 9-Watt-Energiesparlampe befindet. Weiterhin ist unstreitig, dass der Abstand zwischen dem Hauseingang der Beklagten bis hin zum Schlafzimmer bzw. Wohnzimmerfenster der Kläger etwa 6 Meter beträgt. Bei Zugrundelegung der vorgenannten Tatsachen ist nicht nachvollziehbar, dass die Kläger von der Lampe unzumutbar stark geblendet werden. Sollte aber trotzdem eine besondere Lichtempfindlichkeit der Kläger gegeben sein, so ist diesen durchaus zumutbar, insoweit geeignete Maßnahmen auf ihrem eigenen Grundstück zu treffen, damit die von den Klägern rein subjektiv empfundene Störung der 9-Watt-Energielampe nicht zu einer Beeinträchtigung der Grundstücksbenutzung führt. So hätten die Kläger die Möglichkeit, durch Anpflanzung immergrüner, frostunempfindlicher und dicht wachsender Pflanzen, wie dies zum Beispiel bei Lorbeerbäumen der Fall ist, für einen ausreichenden und dauerhaften Sichtschutz zu sorgen. Soweit die Kläger insoweit darauf verweisen, die Beklagten mögen sich doch mit der Lichtbetätigung in der jetzigen Form noch drei Jahre beschränken, bis die derzeit im fraglichen Bereich befindlichen Pflanzen dicht und hoch gewachsen sind, so ist ein solches Ansinnen gegenüber den Beklagten für diese zweifelsfrei nicht zumutbar, gerade vor dem Hintergrund, dass die Kläger durch eine einmalige Pflanzaktion, ggf. unter Zuhilfenahme eines Garten- und Landschaftsbaubetriebes, sofortigen und immerwährenden Sichtschutz erlangen könnten. Zu berücksichtigen ist auch, dass es durchaus nachvollziehbar ist, dass die Beklagten auf ihrem eigenen Grundstück - in Ausübung ihres Eigentumsrechtes - eine gewisse Helligkeit erzeugen wollen, und sei es nur, um ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Es ist von § 903 BGB gedeckt, dass ein Hauseigentümer frei entscheiden kann, ob und wann er seine Außenbeleuchtung einschaltet. Dieses Recht wäre womöglich im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses dann eingeschränkt, wenn es sich bei der Außenlampe der Beklagten etwa um einen Strahler handelte, der ggf. eine gewisse Flutlichtqualität aufweist. Dass die in Rede stehende 9-Watt-Energiesparlampe hiermit nicht einmal ansatzweise zu vergleichen ist, bedarf keiner näheren Ausführung. Die prozessualen Nebenentscheidungen erfolgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

AG Köln, Urt.v. 12.10.1984 - 226 C 356/84, NJW 1986, 1266

 

Tatbestand: Der Pkw der Kl. wurde am 31.1.1984, einem Dienstag, in Köln auf der B-Straße vor der Postschänke von einem Pferd getreten und dabei hinten beschädigt. Die Bekl., die eine Privat-Brauerei in K. betreibt, besitzt ein Pferdegespann mit 2 Pferden, das zu Werbezwecken sommers wie winters auf bestimmten Routen durch die Stadt fährt. Die Kl. behauptet, es sei ein Pferd der Bekl. gewesen, das ihren Pkw beschädigt hatte. Die Bekl. behauptet, ihr Pferdewagen sei am 31.1.1984 in E. auf Tour gewesen, nicht aber in der Süd-Stadt. Das AG hat die Bekl. antragsgemäß zur Zahlung von 1.950 DM verurteilt.

Entscheidungsgründe: Die Bekl. haftet als Halterin des Pferdefuhrwerks insgesamt, weil dieses das Auto der Kl. beschädigt hat.

Die Bekl. haftet allerdings nicht schon als Halterin des Fahrzeugs selbst. Ein Pferdefuhrwerk, das zweifelsfrei nicht zu den "Rodelschlitten, Kinderwagen, Rollern und ähnlichen Fortbewegungsmitteln" gehört, ist zwar ein richtiges Fahrzeug im Sinne der Straßenverkehrsordnung (§ 24 I StVO). Es ist nämlich ein zweispuriges, nicht an Gleise gebundenes Landfahrzeug, dessen Bauart die Gewähr dafür bietet, dass die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn nicht mehr als 6 km/h und die Drehzahl des Motors nicht mehr als 4.800 Umdrehungen pro Minute beträgt, weshalb es auch führerscheinfrei ist (vgl. § 4 I StVZO). Es wird jedoch trotz einiger PS nicht durch Maschinenkraft bewegt, so dass ihm rechtlich die Anerkennung als vollwertiges Kraftfahrzeug versagt ist (§ 1 II StVG).

Die Bekl. haftet aber als Halterin des Pferdeteiles des Fuhrwerkes (§ 833 BGB). Das Pferd, rechtlich für sich betrachtet, ist nämlich ein Haustier, auch wenn es am Straßenverkehr teilnimmt und nicht zu Hause wohnt. Zu den Haustieren zählen nämlich alle die Tiere, die jemand "in seiner Wirtschaft" hält (vgl. dazu Palandt-Thomas, BGB, § 833 Anm. 6a; insoweit genießt lediglich die Biene einen rechtlichen Sonderstatus, weil sie sich der Verfügungsgewalt des Imkermeisters entziehen kann, um Soldatenpferde zu stechen: RGZ 158, 388). Das schließt die Haftung der Bekl. aber nicht aus, weil die Pferde ihr nicht "zum Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt" dienen (§ 833 S. 2 BGB). Wie der Angestellte der Bekl. Z bekundet hat, dienen sie nämlich lediglich der Reklame, indem sie leere Bierfässer herumfahren, was dem Umsatz nicht gerade förderlich ist. Die Pferde der Bekl. sind daher rechtlich ein liebenswerter Luxus, der wie vieles andere zum Kölner Lokalkolorit gehört.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat auch eines der beiden Pferde mit einem der 8 Hufe das Auto der Kl. getreten. Damit hat sich die von dem Gesetz verlangte typische Tiergefahr verwirklicht. Dass sich auch Menschen ab und zu so verhalten (vgl. dazu das Holzweg-Urteil des erkennenden Gerichts vom 4.12.1981 - 266 C 284/81 - Brigitte Nr. 18 v. 29.4.1982 sowie Express v. 7.4.1982), ist unerheblich, weil es hier auf die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens ankommt. Unberechenbar ist aber alles, auf das man sich leider nicht verlassen kann.

Deshalb bedurfte es auch keiner Aufklärung, ob das Pferd gegen das Auto getreten hat, weil es als Angehöriger einer Minderheit im Straßenverkehr eine Aversion gegen Blech entwickelt hat oder weil es in seiner Einsamkeit sein Herz mit schönem Klang erfreuen wollte oder ob es seinen Huf als Warnblinklicht betätigt hat, damit es mit dem liegen gebliebenen Fahrzeug rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte (§ 15 I StVO).

Die Pferde sind auch am 31.1.1984 pünktlich um 12.00 Uhr ("High Noon") vor der Postschänke zur Attacke angeritten, um das dort befindliche Auto der Kl. einzutreten, auch wenn die genauen Umstände, wie sie dahin gelangt sind, im einzelnen nicht mehr restlos aufgeklärt werden konnten. Kutscher W war nämlich als alter Fuhrmann der festen Überzeugung, dass er freitags mit den Pferden die Südstadt heimsuche, dienstags aber E. Der Zeuge Z hingegen, der für die Bekl. den Fahrplan für die Pferdekutsche aufstellt, war fest der Überzeugung, dass die Kutsche grundsätzlich dienstags die Südstadt besuche und freitags nach E. fahre. Der Kutscher W schüttelte darauf merklich seinen Kopf. Der Zeuge Z fügte jedoch hinzu, am Dienstag, den 31.1.1984, sei der zweite Kutscher krank gewesen. Deshalb habe er dem Zeugen W gesagt, er möge die kleinere Tour nach E. machen. Diese Anordnung erging auch völlig zu Recht, heißt es doch schon seit je: "2 Pferde, ein Kutscher, 4 Bestien" (vgl. dazu Simrock, Die Deutschen Sprichwörter, gesammelt, Frankfurt, 1846, Nr. 7867). Andererseits heißt es aber auch, was der Angestellte der Bekl. vielleicht nicht genügend berücksichtigt hat: "Alte Gewohnheit soll man nicht brechen" (vgl. dazu Simrock, Nr. 3642). Weiter heißt es auch: "Nimmt Gewohnheit überhand, kommt sie über all das Land" (Simrock, Nr. 3640).

Deshalb und weil die Fähigkeit, an zwei Orten gleichzeitig in Erscheinung oder sonst wohin zu treten, auch bei Pferden nur selten anzutreffen ist, ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass das Gespann der Bekl. bei seiner Reise über das Kölner Land am Dienstag, den 31.1.1984, auf der B-Straße an der Postschänke angelangt ist, wo es auch von dem Zeugen S deutlich wahrgenommen wurde, dem insoweit eine besondere Kölsche Sachkunde zugesprochen werden muss. Er erkannte nämlich nicht nur den Kutscher, sondern sogar auch die Pferde wieder, wobei allerdings die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, dass ihm die Firmenaufschrift auf dem Fuhrwerk der Bekl. bei der einwandfreien Identifizierung geholfen hat. Der Zeuge konnte sich auch an den 31.1.1984 als einen besonderen Tag noch sehr gut erinnern. Es regnete nämlich, und er hatte sogar den Schirm auf. Er konnte auch nach vollbrachtem Arztbesuch den Rest des Tages unbeschwert von jeder Arbeit genießen, so dass seine Aufmerksamkeit durch nichts getrübt war. Das beweist schon die Tatsache, dass er in aller Ruhe "ein paar Minuten lang" zuschaute, wie das eine Pferd der Bekl. "immer wieder gegen die Stoßstange des Fahrzeuges der Klägerin trat", bis der Kutscher der Bekl. seinerseits zwar nicht gegen den Wagen, wohl aber vorzeitig in Erscheinung trat. Offenbar hatte der Kutscher den alten Rat befolgt: "Wer weiter will als sein Pferd, der sitze ab und gehe zu Fuß" (Simrock, Nr. 7871).

Auch wenn man nicht der heute weit verbreiteten Rechtsansicht huldigt, Tiere seien bessere Menschen (vgl. dazu schon Aristoteles, Politeia I, 2, wonach der Mensch nichts besseres ist als ein geselliges Tier), wäre es von dem Kutscher natürlich zu verlangen gewesen, die Pferde, anstatt sie "herrenlos" allein im Regen stehen zu lassen, wenn schon nicht aus Gründen des "ethischen Tierschutzes" (vgl. dazu OLG Frankfurt, WM 1984, 37), so doch wenigstens zur Beaufsichtigung (§ 833 S. 2 BGB) und um ausreichend auf sie einwirken zu können (§ 28 I 2 StVO), mit in die Postschänke hineinzunehmen. Das wäre angesichts der Kölner Verhältnisse im allgemeinen wie auch für Pferde, die den Namen einer Kölner Brauerei tragen, durchaus nichts Ungewöhnliches oder Unzumutbares gewesen. Hat doch schon einmal eine Dame, die allerdings den Namen eines Konkurrenzunternehmens der Bekl. trug, dafür gesorgt, dass 2 Pferde in einem Hause die Treppe hinauf getrappelt sind, um vom Dachboden aus einen besseren Überblick über die offenbar schon damals wenig übersichtlichen Kölner Verkehrsverhältnisse zu gewinnen (vgl. dazu Henßen-Wrede, Volk am ewigen Strom, 2. Bd., Sang und Sage am Rhein, Essen, 1935, Nr. 62 "Richmodis von der Aducht"). So weit hätte der Kutscher der Bekl. die Pferde nicht einmal laufen lassen müssen. Es hätte genügt, wenn er die Pferde mit an die Theke genommen hätte, wo sie sich als echte Kölsche Brauereipferde sicherlich wohler gefühlt hätten als draußen im Regen. Auch die Wirtin hätte sicher nichts dagegen gehabt. Denn die Rechtsregel "Der Gast geht solange zur Theke, bis er bricht", hat bis jetzt, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung auf Pferde noch keine Anwendung gefunden.

Unter diesen Umständen konnte es offenbleiben, ob der Kutscher der Bekl. in der Postschänke tatsächlich "eine Tasse Kaffee" getrunken hat, "weil es so kalt war" und ob er dadurch arbeitsrechtlich gegen seinen Auftrag verstoßen hat, in jeder Lage für die Bekl. Reklame zu machen und den Umsatz zu fördern. Die Werbe-Slogans der Bekl. lauten eben, soweit das Gericht sie aufmerksam verfolgt hat, gerade nicht:

Malzbier ist besser als Schäksbier. Zwischen Leber und Milz passt immer noch ein Pilz.

oder gar:

Ich trinke Jägermeister. Weshalb? Mir fehlt der Scheibenkleister!

Der Werbespruch der Bekl. zielt vielmehr schon vom Wortlaut her imperativ darauf ab, dass ein Mensch namens "Bester" ihr Gebräu trinken soll. In diesem Zusammenhang hat das Gericht es allerdings noch nie recht verstanden, warum die Bekl. ihre Werbung auf den Familiennamen "Bester" beschränkt, von dem im 1104 Seiten umfassenden Telefonbuch für Köln nur 4 Männer, aber keine einzige Frau verzeichnet sind (vgl. Telefonbuch 11 der DBP, 1984, S. 93, 2. Spalte von rechts). Insgesamt jedenfalls könnte die Bekl. mit einer gewissen Berechtigung ihrem Kutscher entgegenhalten, dass "dasjenige Bier, das nicht getrunken wird, seinen Beruf verfehlt" (Abgeordneter Alexander Meyer am 21.1.1880 bei der Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Steuer vom Vertriebe geistiger Getränke). Die von der Bekl. vertriebene Getränkeart vermag, insbesondere zur Winterszeit, wie das Gericht aufgrund eigener Sachkunde feststellen konnte, ohne dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Alkoholfragen notwendig gewesen wäre, durchaus auch anstelle von Kaffee eine gewisse wärmende Wirkung zu entfalten, wobei allerdings rechtlich ein mäßiger Gebrauch anzuraten ist. Die alte Verkehrsregel nämlich "Wenn die Kutscher besoffen sind, laufen die Pferde am besten" (vgl. Simrock, Nr. 7861a), kann heute rechtlich nicht mehr uneingeschränkt Gültigkeit beanspruchen.

Auch wenn es für Kutscher noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Unterlagen für die Feststellung von Promillegrenzwerten gibt (Jagusch-Hentschel, § 316 StGB Rdnr. 18), können diese bestraft werden (wenn auch nicht ihres Führerscheins verlustig gehen), wenn sie nachweislich alkoholbedingt fahruntüchtig ein Pferdefuhrwerk führen. Zum Führen eines Pferdefuhrwerkes gehört dabei im Rechtssinne nach herrschender Meinung "die Ausübung der für die Fortbewegung wesentlichen Verrichtungen, wie Zügelführung und Betätigung der Bremsen, aber auch die Benutzung der Peitsche und die typischen Zurufe zur Einwirkung auf die Pferde" (Hentschel-Born, Trunkenheit im Straßenverkehr, 3. Aufl. (1984), Rdnr. 321; gemeint sind offenbar "Hüh" und "Hott"). Wenn man dem Gebräu der eigenen Brauerei diensteifrig zugesprochen hat, könnte es daher möglicherweise geraten sein nach dem Motto "Das Pferd ist klüger als sein Reiter" (Simrock, Nr. 7868), den Zügel völlig schleifen zu lassen, wenn man es nicht von vornherein vorzieht, hinten auf den Wagen zu kriechen. Denn: "Wer kriecht, kann nicht stolpern" (alte Lebensweisheit).

Allerdings muss man sich dann "gegen Herabfallen und vermeidbares Lärmen besonders sichern" (§ 22 StVO).

Auch die Rechtsposition des Beikutschers bietet in dieser Lage einige Vorteile. Wer nämlich an den oben erwähnten typischen Zurufen sich lediglich beteiligt, um die Pferde anzutreiben, soll noch nicht an der verantwortlichen Lenkung des Fuhrwerkes teilnehmen (so Hentschel-Born, Rdnr. 321 m. Hinw. auf OLG Hamm, VRS 19, 367).

Eine allgemein verbindliche Bier-Kutsch-Regel lässt sich jedoch nicht aufstellen. Deshalb weiß man auch von vornherein nie so genau, wie die Gerichte entscheiden. Eher wäre ganz allgemein auch für Kutscher ein komplettes Jurastudium der Trunkenheit im Straßenverkehr zu empfehlen, bevor sie sich in den juristischen Fallstricken des eigenen Zügels verfangen. Denn: "Wer zwei Linke Hände hat, sollte die Rechte studieren" (Sponti-Spruch).

Anlässlich des hier zu entscheidenden Falles bleibt nicht zuletzt mit Betrübnis festzustellen, dass die Gleichberechtigung der Tiere untereinander in der juristischen Fachliteratur noch nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hat. Insbesondere das Rindvieh wird von den Autoren, wie die folgende Auswahl beweist, offensichtlich bevorzugt. Das kann aber rechtlich fürderhin nicht hingenommen werden. Der weiblichen Form dieser Spezies ist sogar nach Heinz Erhardt mit ein eigener Buchstabe im Alphabet gewidmet:

Die Q ist allgemein betrachtet,
derart beliebt und auch geachtet,
dass einst ein hochgelahrter Mann,
für unsere Q das Q ersann"
(Das große Heinz-Erhardt-Buch, 12. Aufl. (1970), S. 66).

Des weiteren wird das Rindvieh von Eugen Roth verherrlicht:

"Der Stier bemüht sich nicht wie Du,
oft hoffnungslos um eine Kuh"
(das Eugen-Roth-Buch, 1966, S. 135).

Demgegenüber ist das folgende Nilpferd in der Literatur völlig vereinsamt:

"Das Nilpferd trabt herum im Nil
und hätte gerne Eis am Stiel.
Jedoch - damit verlangt's zu viel."

Das Brauereipferd ist in der Fachliteratur, soweit ersichtlich, bislang überhaupt noch nicht gewürdigt worden, obwohl schon sein schöner Rücken sowie auch die von ihm gezogene Last einiges Entzücken verdient hätte.

"Das Sesterpferd heißt Sesterpferd
weil's in die Südstadt sich verfährt",

vermag in diesem Zusammenhang noch nicht völlig zu befriedigen.

Trotz der offensichtlichen rechtlichen Bevorzugung der Kuh kann das Gericht der Bekl. nicht empfehlen, ihr Fuhrwerk auf den Kuhbetrieb umzustellen. Einmal ließ sich auf einer Konferenz "sämtlicher zivilisierter Nationen Europas, sowie Bayerns" (Ludwig Thoma) eine Verordnung zur Einführung eines allgemeinen Kuh-Bier-Kutschenbetriebes politisch nicht durchsetzen. Die Bekl. würde sich auch weiter durch die Benutzung von Milchkühen für ihre Werbung sozusagen selber Konkurrenz machen. Denn:

"Zum Rindviehstamm gehört die Kuh,
ein End macht Milch, das andere Muh"
(Ogden-Nash),

was sich vom Pferd nicht ohne weiteres sagen lässt.

Schließlich sprechen auch einige Bedenken gegen die Verkehrstauglichkeit und Verkehrsgängigkeit des Rindviehs insgesamt. Einmal bleibt ein Ochse vor jedem Berge stehen (Simrock, Nr. 7631). Es weist zwar weiter mehr als die erforderliche Zahl von "Einrichtungen für Schallzeichen" auf. Er besitzt nämlich zwei Hupen bzw. Hörner (§ 55 StVZO). Diese sind jedoch nicht funktionstüchtig:

"Ein jeder Stier hat oben vorn
auf jeder Seite je ein Horn;
doch ist es ihm nicht zuzumuten,
auf so'nem Horn auch noch zu tuten.
Nicht drum, weil er nicht tuten kann,
nein, er kommt mit dem Maul nicht dran"
(Heinz Erhardt, S. 89).

Daher ist kein echtes Bedürfnis erkennbar, das Rindvieh im Straßenverkehr zu vermehren. Die Einführung einer allgemeinen Betriebserlaubnis für Kühe ist daher bislang weder vom Bundesminister für Verkehr noch vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ernsthaft in Erwägung gezogen worden, obwohl letzterem selbst seine Gegner ein negatives Verhältnis zu Ochsen und Kühen nicht nachsagen können ... .

Der vorliegende Fall beweist auch, dass die Pferde der Bekl. trotz ihrer äußerlich robusten Statur innerlich nicht einer gewissen Sanftmut im Verkehr entbehren. Sie sind nämlich mit dem Auto der Kl. einigermaßen zartfüßig umgegangen. Das Ergebnis ihrer Beinarbeit ist jedenfalls nach den Erfahrungen des Gerichts relativ preisgünstig ausgefallen.

Rechtlich bestehen also letztlich keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die Pferde der Bekl., wenn auch offenbar weniger von Ben Hur oder gar vom Teufel gelenkt als von ihrer eigenen Erfahrung, weiterhin ihre Touren durch die Kölner Stadtteile ziehen. Wenn sie dabei ab und zu ein Auto eintreten, so erfreuen sie sich vielleicht gerade dadurch der Sympathie bestimmter Wählerschichten (vgl. dazu die Umfrage des Forsa-Instituts zur Verdrängung der Autos aus dem Kölner Zentrum, Kölner Stadt-Anzeiger v. 15./16.9.1984). Für die übrige Bevölkerung wird solches Verhalten neben einer alsbaldigen Zahlung des Schadens durch die Bekl. insbesondere dadurch aufgewogen, dass die Pferde sehr umweltfreundlich sind. Das beweist schon die Tatsache, dass selbst die derzeitige Bundesregierung die Einführung eines Abgas-Katalysators für Pferde nicht in Erwägung zieht. Sie hätte auch ökologisch wie ernährungspolitisch nur das unerwünschte Ergebnis, dass unsere Möschen (= Spatzen) noch mehr als bisher auf manche warme Mahlzeit verzichten müssten (vgl. dazu Sommer, Traktoren mit Ohren, in: Die Tage vergehen, 1972, S. 133).

Die Bekl. möge also die Blötsche (= Eindellungen) am Fahrzeug der Kl. bald möglichst bezahlen. Weil die Post heute ja bekanntlich nicht mehr so schnell ist wie früher, hätte es durchaus seine Vorzüge, wenn das Geld mit Hilfe der Bierkutsche der Bekl. zur Kl. transportiert würde. Rein vorsorglich wäre jedoch dabei zu empfehlen, dass diesmal der zweite Kutscher mitfährt, weil das rechte Pferd das Auto der Kl. möglicherweise wiedererkennt.

Ob auf dem Fuhrwerk dabei diesmal ausnahmsweise ein volles Fässchen mitgeführt wird, sozusagen als Schmerzensgeld für die Beulen, bleibt allerdings dem freien Ermessen der Bekl. überlassen. Mit einer entsprechenden Verurteilung würde das Gericht seine Befugnisse überschreiten, weil die Kl. keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. dazu § 308 ZPO). Desgleichen kann das Gericht die Frage nicht entscheiden, ob die Bekl. die Schadensersatzsumme als Werbungskosten von der Steuer absetzen kann.

Zusammenfassend ließe sich sagen:

"Es war ein Mond nach Sylvester,
da stapften die Pferde vom Sester
verwirrt durch des Kutschers Menkenke
im Süden von Schänke zu Schänke:
Der trank nämlich Kaffee statt Sester.
Der Regen ward zwischendurch fester,
die Pferdehaut folglich durchnässter,
weshalb dann ein Pferd mit der Pfoten
ein Auto, das dastand getroten.
Wer ruft da: Tritt fester mein Bester!?"

Um das Urteil auch formaljuristisch abzurunden, sei darauf hingewiesen,
dass die Nebenentscheidungen auf den § 291 BGB, §§ 91 und 709 ZPO beruhen
(falls dies noch jemand ernsthaft interessiert).

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Anmerkung (NJW 1987, 1426): Das Bierkutscher-Urteil des AG Köln vom 12. 10. 1984 (NJW 1986, 1266) ist ohne Anmerkung und kein Einzelfall geblieben. Der Abdruck im NJW-Heft mit Beiträgen zum Thema Literatur und Recht mag für manchen Richter Anlaß oder Ansporn gewesen sein, sich in ähnlicher Form von Amts wegen literarisch zu betätigen. Man darf davon ausgehen, daß das Urteil des LG Köln vom 22. 1. 1986 (Verkehrsunfall an Wieverfastelovend, NJW 1987, 1421 (in diesem Heft)) und das vorstehende Urteil des AG München der Redaktion unverlangt eingesandt wurden. Übrigens ist das LG Köln als Berufungsgericht auf den Stil des AG eilfertig eingegangen. Die Dunkelziffer derartiger Urteile ist schwer abzuschätzen. Befürchtet werden muß, daß es zu einer Welle von satirisch abgefaßten oder mit Sarkasmus überfrachteten Urteilen kommt, auch solchen, die nicht aus den Hochburgen des Karnevals oder des Faschings stammen. Zu überlegen ist, ob es nützt, dem in irgendeiner Form entgegenzutreten, allerdings nicht mit der juristischen Meßlatte, obwohl auch dazu Anlaß gegeben wäre. Es soll allein aus dem Blickwinkel geprüft werden, ob solche im Namen des Volkes ergehenden Urteile ( § 311 I ZPO) dem entsprechen, was die Parteien eines Zivilprozesses erwarten dürfen und die mitwirkenden Richter verantworten können. Die dem Gericht gestellte Aufgabe lautet ( § 313 III ZPO): Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.' Wer dabei die Sachlichkeit bewußt verdrängt, sich als Richter in erster Linie darin gefällt, sein echtes oder vermeintliches Talent zur Satire vorzuführen, und dabei Parteien, Zeugen oder Prozeßbevollmächtigte lächerlich macht, erfüllt die vom Gesetz gestellte Aufgabe sicherlich nicht. Den Betroffenen wird eher das Gefühl vermittelt, über ihr gerichtlich geltend gemachtes oder verteidigtes Recht werde lediglich mit Spott und Vorurteilen entschieden. Bemächtigt sich solcher Urteile erst einmal die Tagespresse und sorgt für eine zwar bruchstückhafte, dafür aber weite Verbreitung, gelangen solche Urteile also außer Haus, kann nicht erwartet werden, daß dies in irgendeiner Form zum Ansehen der Justiz und damit der Richter beiträgt. Im Gegenteil: Die Lacher unter dem potentiellen rechtssuchenden Publikum sind heute auf andere Formen der Unterhaltung eingestellt. Dem Nichtjuristen fehlt sowieso meistens das Verständnis, um den in solchen Urteilen aufgedrängten - eher mißverständlichen - spezifischen Humor zu erfassen. Was ist zu tun oder zu unterlassen? Solange es sich um Einzelfälle handelt und ein Richter es sich nicht zur dauernden Aufgabe macht, die Entscheidungsgründe in solcher Weise zu verfremden, wie es am Beispiel der drei Urteile vorgeführt wird, sollte sich die Justizverwaltung nicht bemühen, eine derartige Praxis zu unterbinden. Die richterliche Unabhängigkeit ist heutzutage tangiert, ehe man sich's versieht. Von einer ihrer Kehrseiten, der Selbstdisziplin, ist sowieso seltener die Rede. Weil man die Satire der durch Art. 5 III 1 GG geschützten Kunst zuzurechnen hat, könnte sonst eines Tages das BVerfG auch noch mit der Frage belästigt werden, ob ein Richter sich auf die Freiheit der Kunst auch dann berufen kann, wenn er die ihm gem. Art. 92 GG anvertraute rechtsprechende Gewalt im Namen des Volkes ausübt. Nach meinem Umblick bleibt der kollegiale Rat, das Recht in den Entscheidungsgründen nicht anhand der Bibel oder des Faust und ebensowenig mit Hilfe von Sprichwörterbüchern darzustellen, die Beweise weder an Wundern zu messen noch mit Hilfe solcher zu würdigen. Es ist oft schon schwer genug, auch bei einfachen Fällen das BGB und die ZPO fehlerfrei anzuwenden. Das soll nicht heißen, Humor, Witz oder ein mit Maßen geübter Sarkasmus hätten in der Rechtsprechung keinen Platz. Hierfür wäre übrigens die mündliche Verhandlung mit dem gesprochenen und daher flüchtigen Wort noch am ehesten geeignet. Bei Urteilen hört jedenfalls der Spaß auf, auch wenn der Ernst nicht tierisch sein muß oder soll. Die Satire ist sowieso ein schwieriges Kunstmittel. Vor kritischen Lesern blamiert sich oft gerade derjenige, der sich über andere lustig macht. Noch ein Wort zum Literarischen, sofern hier davon die Rede sein kann. Gegenüber dem Bierkutscher-Urteil des AG Köln, bei dem man das Lachen nicht unterdrücken kann, ist beim LG Köln in der Wieverfastelovend-Entscheidung ein deutlicher Qualitätsabfall zu bemerken. Das sicher auch am Rhein bei Berufungsurteilen geübte Kollegialprinzip scheint sich auf diesem Gebiet nicht günstig auszuwirken. Was das Urteil des AG München angeht, muß ich in meiner Eigenschaft als Bayer mit Bedauern feststellen, daß es sich nicht einmal in den Grenzen des gewöhnlichen Geschmacks hält. Gewiß gibt es genügend Prozesse, die aufgrund verschiedener Ursachen zum Sarkasmus oder zur Satire herausfordern. Was sollen diejenigen Richter tun, die ihrem Drang nicht widerstehen können und sich im Wort auslassen wollen? Es bleibt die Möglichkeit, nach dem amtlichen Urteil eine private Fassung herzustellen. Dies kann dem Münchner Kollegen allerdings nur für den engsten Hausgebrauch angeraten werden, wenn überhaupt. Den Rheinländern steht es darüber hinaus frei, allerdings ohne Amtstracht, in die Bütt zu steigen. Dafür wäre Köln auch örtlich zuständig.

Vors. Richter am BayObLG Prof. Dr. Hans Putzo, München

 

AG Aachen, Urt. v. 24. 4. 1997- 10 C 529/96

 

Das war vorgefallen: Am Abend des 29. 5. 1996 beabsichtigten der in X. wohnhafte Kl. und seine Gattin, eine für 20.00 Uhr angesetzte Aufführung der Oper "Nabucco" zu besuchen, die von der Bekl. im Stadttheater A. gegeben wurde. Kurz nach 20.00 Uhr - die Aufführung hatte bereits begonnen - wurden sie bei den Ordnungskräften der Bekl. mit der Bitte um Einlaß vorstellig. Obschon sie zwei gültige, vom Kl. zum Preis von je 46 DM erworbene Eintrittskarten vorlegten, wies man sie unter Hinweis auf eine Anordnung der Geschäftsleitung der Bekl., Nachzügler mit Plätzen im Parkett oder ersten Rang erst in der ersten Pause einzulassen, vorläufig ab. Nach dem Austausch von Unfreundlichkeiten verließ der Kl. nebst Gattin das Haus und kehrte nicht zurück. Im folgenden verweigerte die Bekl. den klägerseits verlangten Ersatz des Eintrittspreises nebst unnütz aufgewandter Fahrtkosten.

Das AG wies die Klage aus nachfolgenden Gründen ab:

Der Kl., der ungeachtet der erheiternden Aspekte des Falles eine ernstzunehmende und nicht einfache Rechtsfrage zur Entscheidung gestellt hat, kann von der Bekl. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erstattung des Eintrittsgeldes nebst Fahrtkosten verlangen.

Der dem Rechtsverhältnis der Parteien zugrunde liegende, typengemischte Vertrag ist Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag bezüglich des Zuschauerplatzes. Zur Fallösung sind somit die auf beide Vertragstypen bezogenen Sondervorschriften, ergänzend gegebenenfalls allgemeine Normen sowie übergesetzliche Rechtssätze heranzuziehen. Eindeutig zu beantworten ist hiernach noch die Vorfrage, ob die Mitarbeiter der Bekl. berechtigt waren, dem Kl. nach Beginn der Vorstellung den Zutritt zu seinen angemieteten Plätzen zu versagen: nämlich mit einem klaren Ja. Zu Recht verweist die Bekl insoweit auf eine jahrhundertealte und internationale Gepflogenheit, die dem Vertragsverhältnis zwischen Opernveranstalter und Besucher immanent ist und die auf die Kurzformel gebracht werden kann: Vorhang auf - Türen zu. Durch verspätet eintreffende Zuschauer kommt es potentiell immer zu Störungen der (der Enthusiast möge den profanen Ausdruck verzeihen) Live-Darbietung durch Geräusche, Licht oder sonstige Imissionen, die von den übrigen Vertragspartnern des Veranstalters, nämlich den Bühnenakteuren und dem Publikum unmittelbar oder mittelbar (durch die aus dem Konzept geratende Aufführung) als Beeinträchtigung empfunden werden können. Diese Vertragspartner des Veranstalters werden nicht, wie beispielsweise im Kino, klaglos hinnehmen, daß Nachzügler geräuschvoll hinter dem Lichtkegel der Taschenlampe eines Platzanweisers herstolpern, um sich dann unter vielen "Entschuldigung" und "Darf ich mal" auf ihren Platz drängeln, wobei sie unter den bereits sitzenden Zuschauern den aus Fußballstadien bekannten "La-Ola-Effekt" auslösen. Der Veranstalter hat vielmehr den reibungslosen Ablauf der Aufführung zu gewährleisten, was nur durch klare, praktikable Weisungen an die Saalordner möglich ist. Diese Weisung kann, wie im vorliegenden Fall, so aussehen, daß verspätete Besucher nur in weniger störanfällige Bereiche des Zuschauerraumes vorgelassen werden, im übrigen aber bis zur Pause warten müssen. Weitere Differenzierungen durch das Ordnungspersonal sind nicht handhabbar. Weder kann diesen die
Auswahl dramaturgisch günstiger Momente zum schubweisen Einlaß von zu spät Gekommenen
überlassen werden, noch kann es darauf ankommen, oh es sich um eine Aufführung mit geräuschvoll tumultartigen Szenen auf der Bühne oder um eine andachtsvollere Darbietung handelt, so daß bei Wagner einzulassen wäre, bei Bach aber nicht. Steht aufgrund der obigen Erwägungen mithin fest, daß die Bekl. den verspäteten Kl. nebst Begleitung nicht einzulassen brauchte, so hat sie zunächst nicht aus Schadensersatzgesichtspunkten dem Kl. Fahrtkosten zu erstatten. Abgesehen davon kann eine Anfahrt nach A. schlechterdings nicht vergebens sein, insbesondere dann nicht, wenn sie von G. aus unternommen wird, und es steht auch keinesfalls fest, daß es dem Kl. nicht doch noch gelungen ist, an dem besagten Abend sich in der umliegenden Gastronomie oder den übrigen Unterhaltsstätten der A.-Innenstadt einen vergnüglichen Abend zu machen.

Wesentlich schwieriger ist jedoch die hier vorrangig interessierende Frage zu beantworten, ob der
nicht in den Genuß der Aufführung gekommene Kl. das Eintrittsgeld zurückverlangen kann.
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist die Qualifizierung des Zuspätkommens als Auslöser der Leistungsstörung. Die Pflicht zum pünktlichen Erscheinen bei Aufführungsbeginn ist keine vertragliche Hauptpflicht, wie der Kl. zu recht ausführt. Kein Inhaber einer Opernkarte muß sich der Aufführung tatsächlich aussetzen, was sich schon an der guten alten Tradition des "Opernschläfchens" erweist; einer sanktionslos möglichen Verweigerung des Kunstgenusses von schätzungsweise im Durchschnitt 10% des Publikums. Richtigerweise ist das pünktliche Erscheinen des Opernbesuchers, ähnlich wie das Antreten zu einer Operation, der Anprobe für einen Maßanzug oder einer Porträtsitzung auch keine Pflicht, sondern eine nicht klagbare reine Gläubigerobliegenheit, für die das Gesetz in § 642 BGB des Werkvertragsrechts eine besondere Regelung vorsieht. Unterläßt der Besteller einer Werkleistung eine Mitwirkungshandlung und kommt er dadurch in Gläubigerverzug, kann der Unternehmer eine angemessene Entschädigung "als summarische Abgeltung für das Bereithalten wirtschaftlicher Kraft" verlangen.

Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet das: Vereitelt der Opernkarteninhaber durch
Zuspätkommen (oder aber, um das Beispiel zu Kontrollzwecken weiterzuführen, durch Einschlafen) das Zustandekommen des Werkes, nämlich zwar nicht der Aufführung als solcher, wohl aber der Interaktion zwischen Bühnenakteuren und lauschendem Publikum, darf der Veranstalter als billige Entschädigung für das Bereithalten eines geheizten und beleuchteten Saales sowie eines wohl präparierten Ensembles das vorausentrichtete Eintrittsgeld behalten. Wesentlich ist noch die Tatsache, daß der Annahmeverzug des Opernbesuchers im Rahmen des § 642 BGB schuldhaft sein muß, es mithin nicht darauf ankommt, ob der Kl. möglicherweise Opfer der (absehbaren) Verzögerung bei seiner oder der Gattin Garderobenauswahl bzw. der (ebenso absehbaren) Parkplatznot in der Innenstadt von A. oder aber einer (unvorhersehbaren) Autopanne geworden sein sollte.

 

AG Regensburg, Urt.v. 16.3. 1999 - 4 C 4376/98, NJW 2000, 1047

 

Leitsatz:

Zwischen dem nächtlichen Eingang eines Fax und der Verletzung einer durch eine Reaktion des Angerufenen aufgeschreckten Katze durch den Sprung vom Kratzbaum, besteht nicht der für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 823 BGB erforderliche Kausal- bzw. Zurechnungszusammenhang.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da dem Kläger keine Schadensersatzansprüche bezüglich der Verletzung seiner Katze zustehen.

Als alleinige Anspruchsgrundlage kommt vorliegend § 823 BGB in Betracht. Der Kläger macht geltend, daß durch das zur Nachtzeit eingehende Faxschreiben der Beklagten sein Telefon geläutet habe, er aus dem Schlaf geschreckt und zum Telefon geeilt sei, wodurch die Katze vor Schreck vom Kratzbaum sprang und sich hierdurch verletzte.

Schadensersatzansprüche scheiden zum einen bereits deshalb aus, da insoweit nicht mehr der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Handlung der Beklagten und dem Schaden auf Seiten des Klägers gegeben ist. Der eingetretene Verletzungserfolg kann der Beklagten nicht mehr zugerechnet werden. Darüberhinaus fehlt es auch an der für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen schuldhaften Verursachung der Verletzung. Erforderlich ist fahrlässiges Handeln der Beklagten, d.h. sie hätte bei Versendung des Faxschreibens die mögliche Verletzung der Katze erkennen können und müssen. Bei dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf handelt es sich jedoch um eine derart unglückliche Verknüpfung von mehreren Umständen, daß hiermit die Beklagte keinesfalls rechnen mußte. Somit scheiden Schadensersatzansprüche aus § 823 I BGB aus.

Auch Schadensersatzansprüche nach § 823 II BGB sind nicht gegeben. Zwar wird durch das vom Kläger behauptete Verhalten § 1 UWG verletzt, jedoch schützt § 1 UWG nur andere Mitbewerber und nicht die Adressaten von Werbefaxschreiben. Ein Verstoß gegen § 117 OWiG ist nicht gegeben. Hierbei ist zum einen gleich fraglich, inwieweit tatsächlich Lärm im Sinne von § 117 OWiG vorliegt. Hier ist vor allem entscheidend darauf abzustellen, daß es sich um das ganz normale Läuten eines Telefongeräts handelt und zum anderen der Kläger selbst für den Umstand verantwortlich ist, daß bei jedem eingehenden Faxgerät sein Telefon läutet. Ferner wurde vom Kläger nicht dargetan, daß die Beklagte seine Anschlußnummer absichtlich gewählt hat. Da die Beklagte bestreitet, die Anschlußnummer des Klägers angewählt zu haben, kann auch ein versehentliches Anwählen nicht ausgeschlossen werden.

 

AG Bad Homburg, Urt.v. 30.06.1998 - 2 C 109/97-10, NJW-RR 1999, 56

 

Die Grünfärbung der blonden Haare einer Reisenden als Folge des Chlorzusatzes im Hotelschwimmbecken begründet eine Reisepreisminderung um 10% unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens wegen Nichtbenutzung einer Bademütze. (Leitsatz der NJW-Redaktion)


Sachverhalt:
Die Kl. buchte bei der Bekl. vom 5. bis 19. 8. 1996 eine Reise nach Mallorca mit Unterbringung im Hotel S im Doppelzimmer mit Halbpension für 3016 DM. Die Kl. hat behauptet die blonden Haare ihrer Tochter hätten sich durch das Chlor im Pool-Wasser grün verfärbt. Sie sei am 14. 8. 1996 in das Hotel R umgezogen, wo es lange Wartezeiten an den Buffets gegeben habe. Im Hotel S habe die zugesicherte Diskothek gefehlt. Die Kl. hat 1236,40 DM Minderung und 660 DM Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 300 DM für ihre Tochter wegen der verfärbten Haare verlangt. Ihre Klage hatte in Höhe von 502,66 DM Erfolg, sowie wegen weiterer unstreitigen 40 DM als Ersatz für Telefonkosten wegen fehlerhafter Flugtickets.

Aus den Gründen:
Der Kl. steht gegen die Bekl. nach §§ 651d I , 651f I BGB folgender Minderungs- und Schadensersatzanspruch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu: 10% Minderung für zu stark gechlortes Poolwasser, wodurch sich die Haare der Tochter der Kl. grün verfärbten. Die Tochter der Kl. trägt ein Mitverschulden, da sie keine Badekappe trug = 301,60 DM. Unkosten für Probleme mit dem Flugtickets = 40 DM. Tagesreisepreis für den Umzug in das Hotel R = 201,06 DM, ergibt zusammen: 542,66 DM.

Im übrigen liegen keine minderungsrelevanten Reisemängel vor. Die geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach §§ 823I , 847 BGB sind unbegründet, weil der Hotelier des Hotels S kein Verrichtungsgehilfe der Bekl. ist und der Tatbestand einer unerlaubten Handlung der Bekl. als Reiseveranstalterin nicht gegeben ist. Darüber hinaus kann auch in der Verfärbung der Haare der Tochter der Kl. kein Grund für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes gesehen werden, zumal auch junge Frauen oft ihr Haar in allen schillernden Farben färben lassen und die Tochter der Kl. ein Mitverschulden trägt, weil sie keine Badekappe trug.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen B, M, Z und H erwiesen, daß es im Hotel S mehrere Fälle gab, bei denen sich die Haare von blonden Frauen nach Benutzung des Swimming-Pools grün verfärbten.

Dazu gehörten neben der Tochter der Kl. Frau und Fräulein Z sowie eine Frau eines anderen Reiseveranstalters. Dies ist der Beweis dafür, daß das Poolwasser zu stark gechlort war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kl. ein Schadensersatzanspruch für Telefonkosten in Höhe von 40 DM zusteht, zumal die Bekl. der Kl. bereits einen Scheck in dieser Höhe zur Verfügung gestellt hat. Der Kl. steht auch ein Tagesreisepreis als Minderung für den Umzug in das Ersatzhotel R zu. Die Bekl. hatte der Kl. keine Diskothek im Hotel S zugesichert und die Kl. hat das Fehlen dieser Hoteleinrichtung nicht gerügt. Der Vortrag der Kl. zu den angeblichen Wartezeiten im Ersatzhotel ist unsubstantiiert, wobei insoweit eine Mängelrüge fehlt, so daß Verwirkung nach § 651dII BGB eingetreten ist.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 651fII BGB ist unbegründet, weil die Wesentlichkeitsgrenze von Mängeln im Gesamtgewicht von mindestens 50% des Reisepreises nicht erreicht wird (LG Frankfurt a.M., NJW 1985, 115).

 

AG Rheine, Urteil vom 9.5.1994 - 5 Ds 47 Js 662/93, NJW 1995, 894

 

Leitsatz: Wer betrunken Auto fährt, handelt in der Regel vorsätzlich und nicht lediglich fahrlässig.

Aus den Urteilsgründen:

Der Angekl. handelte insbesondere bei der Gefährdung des Straßenverkehrs vorsätzlich, denn er kannte alle Tatbestandsmerkmale und wollte sie verwirklichen: Er wußte, daß er ein motorisiertes Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führte, ohne daß dies einer näheren Begründung bedürfte, denn: Aus der Bekundung des Zeugen M, der direkt hinter dem Angekl. fuhr und bis zum Unfall keinerlei Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler bemerkt hatte, bis dieser dann den später Verletzten förmlich aufs Korn nahm, kann zweifelsfrei gefolgert werden, daß er, wenn auch nur grosso modo, das Fahrzeug beherrschte und also sich über diesen Umstand nicht im Unklaren gewesen sein kann. Das einzige nämlich, was dem Zeugen auffiel, war, daß der Angekl. verhältnismäßig langsam fuhr, was erfahrungsgemäß darauf schließen läßt, daß er sich seines Zustandes sehr wohl bewußt war, so daß er sich veranlaßt sah, besonders vorsichtig zu fahren.

Da sich aus dem ärztlichen Blutentnahmebericht ergibt, daß der Angekl. bei klarem Bewußtsein voll orientiert war, darf auch eine Totalamnesie ausgeschlossen werden, so daß er auch nicht vergessen haben kann, zuvor getrunken zu haben. Diesem Befund stehen die Aussagen M und L nicht entgegen, denn erfahrungsgemäß ist ein Betroffener, bei dem eine solche Blutalkoholkonzentration gemessen wird, zumal dann, wenn er unmittelbar zuvor einen schweren Unfall verursacht hat, nicht ganz da, weil er das typische Bild eines stark Alkoholisierten abgibt. Aus der Tatsache, daß der Angekl. mit zerborstener Windschutzscheibe zunächst zurückkehrte, das Anerbieten, ihn in ein Krankenhaus zu bringen, ablehnte und sich dann veranlaßt sah, urplötzlich zu verschwinden und sich zu verstecken, deutet so eindeutig auf ein trotz der Trunkenheit ungetrübtes Gedächtnis hin, daß feststeht, daß der Angekl. durchaus wußte, was er angerichtet hatte.

Die obergerichtliche Rechtsprechung nimmt in vergleichbaren Fällen an, nur wegen Fahrlässigkeit verurteilen zu können, weil die subjektive Seite nicht weiter aufzuklären sei, was jedoch einen erheblichen rechtsdogmatischen Fehler darstellt, weil die Frage der trunkenheitsbedingten Kritiklosigkeit in den Bereich der möglicherweise eingeschränkten Schuldfähigkeit gehört; doch dazu später. Diese Rechtsprechung verblüfft den praktischen Zeitgenossen, weil sie in offenbarem Widerspruch zur täglichen Erfahrung steht. Fahrlässig zu handeln ist in all diesen Fällen nämlich so gut wie ausgeschlossen, denn Fahrlässigkeit kann nur vorliegen, wenn die im Verkehr mögliche und erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen wird. Weniger juristisch-formelhaft formuliert ließe sich dies auch so ausdrücken: je vorhersehbarer ein Ergebnis ist, desto stärkere Argumente müssen gefunden werden, das mit völliger Sicherheit sich Ereignende nicht erkannt zu haben. Je sicherer ein Ursache-Wirkung-Nexus ist, desto höhere Anforderungen müssen gestellt werden, wenn in concreto zugunsten dessen, der einen bestimmten Erfolg verwirklicht hat, angenommen werden soll, er habe die sichere Folge seines Tuns nur irrig nicht erkannt. Weniger intelligenten Menschen versucht man komplexe Theorien dadurch zu vermitteln, daß sie in Einzelschritte aufgelöst werden, damit sie von ihnen in ihrer konkreten Lebenserfahrung wiedergefunden werden können, indem man diese Theorien auf Wenn-Dann-Beziehungen reduziert: Wenn Alkohol - dann Rausch bzw. Wenn viel Alkohol - dann starker Rausch'.

Daß der Mensch auf diese Weise die Wirklichkeit erfassen kann, ist gesichert und darf und muß deshalb auch auf die Erfahrungen mit dem Alkohol übertragen werden. Niemand kann behaupten, diese Zusammenhänge seien ihm fremd, denn dies belegt der alltägliche Augenschein: es wird allenthalben getrunken, viel getrunken, ja gesoffen, so daß ausgeschlossen werden kann, daß es - zumindest unter Erwachsenen - jemanden geben könnte, der, an sich selbst oder anderen, diese Erfahrungen nicht gesammelt und die Richtigkeit der o.a. Ursache-Wirkung-Verknüpfung nicht belegt gefunden hätte.

Daß dies so ist, wird durch einen Blick unter anderem in die Literatur deutlich, und so lohnt es sich, sozusagen in Siebenmeilenstiefeln eine tour d'horizon durch die Welt des Rausches anzutreten oder eine - wenn auch sehr kursorische - Kulturgeschichte des Rausches zu versuchen. Ethnologen und Historiker berichten davon, daß der Mensch, nachdem er die ärgsten Widrigkeiten des Lebens bewältigt und die nackte Notdurft befriedigt hat, der Tristesse des Alltagslebens dadurch zu entfliehen gesucht hat, daß er sich mehr oder minder starke Rauschzustände ermöglicht hat, und, nachdem er diese Erfahrungen einmal gemacht hatte, danach strebte, diese - vorsätzlich - zu wiederholen. So verwundert es nicht daß Noah (1. Mose 9, 20f.), kaum daß er die Molesten der Sintflut hinter sich gebracht hatte, Ackermann wurde und Weinberge pflanzte', sein Produkt genoß und sich sinnlos betrank, mit wenig schicklichen Folgen, die hier der Erörterung nicht bedürfen. Nun schweigt sich die Schrift darüber aus, ob und wie oft Noah und seine Nachkommen das Ergebnis ihrer Arbeit konsumierten, aber so ganz selten dürfte es nicht gewesen sein, denn die mit dem Alkohol gemachten Erfahrungen scheinen sich verfestigt zu haben: Die Geschichte Josephs, eines unmittelbaren Nachkommen Noahs (1. Mose, 30, 23 - 50,26), von der schon Goethe gemeint hatte, sie sei im Alten Testament ein wenig mager ausgefallen, weshalb sie zur literarischen Ausgestaltung geradezuauffordere, ist bekanntermaßen von Thomas Mann so kongenial ausformuliert worden, daß wir sie wie eine authentische Quelle benutzen dürfen. Dort heißt es (Der junge Joseph): Öl und Wein sind der Sonne heilig und wohl dem, dessen Stirn vom Öle trieft und dessen Augen trunken schimmern vom roten Wein.' Später dann ( Joseph in Ägypten): Am Abend schwamm die Großstadt in Sorglosigkeit und bierseligem Glauben an das goldene Zeitalter. Die göttliche Schleppmanschaft zog bekränzt, mit Öl gesalbt und schwer betrunken durch die Straßen und durfte so ziemlich alles anstellen, was sie wollte.' Bierselige Sorglosigkeit': treffender kann auch ein Jurist den Kern der eingeschränkten Schuldfähigkeit i.S. des § 21 StGB (und nicht etwa die Irrtumsregelungen) nicht wiedergeben und damit ist auch präzise der Zustand beschrieben, in dem sich angetrunkene Autofahrer befinden, mit dem Unterschied nur, daß sie eben nicht anstellen dürfen, was sie wollen.

Um sich nicht in der Fülle der möglichen Zitate zu verlieren, verlassen wir die Welt des alten Testaments und begeben uns auf die Hochzeit zu Kana (Joh. 2, 1f.), auf der wir eine offenkundig ziemlich betrunkene Gesellschaft antreffen, denn als das zu Wein verwandelte Wasser gereicht wurde, beschwerte sich der Speisemeister beim Bräutigam, weil: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und (erst) wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren ...' Und schließlich können sich die die Folgen des Pfingstereignisses beobachtenden Pilger in Jerusalem das sich ihnen darbietende Schauspiel nicht anders erklären, als daß die Apostel voll des süßen Weins seien (Apg. 2, 13).

Um eine Zwischenbilanz zu ziehen und den Zweck dieser Darstellung nicht zu vergessen: alle hier handelnden Personen kannten selbstverständlich die Wirkung des Alkohols und wollten sie erreichen, so daß sich die Frage an sich von selbst verbietet, ob sie denn die dann eingetretene Trunkenheit nur fahrlässig nicht erkannt haben sollten.

Auch die klassische griechische Literatur läßt uns teilhaben an den wohltuenden Wirkungen leiblicher Genüsse. So wurde am Hofe des Odysseus (wenn auch hauptsächlich in seiner Abwesenheit) - man muß es schon sagen - so derbe gesoffen, daß man sich wundern muß, daß Generationen von Pennälern solche Texte überhaupt übersetzen durften. Man hätte vielleicht besser daran getan, zarte pubertäre Schülerseelen, die doch gerade in dieser Zeit des Maßes und der Orientierung bedürfen, vor soviel prallem Leben zu bewahren.

Wenn es zugeht wie im alten Rom, ist damit beispielhaft das Leben am Hofe Neros gemeint. Dort hatte nämlich der erhebliche Genuß des in Mengen hergestellten Weins eine nicht unbedeutende und den Niedergang Roms deutlich beschleunigende Wirkung gezeigt. In dieser Zeit - etwa - lagen dem Vernehmen nach die Germanen am Rhein und tranken Met, weshalb sie hinterher nur noch lagen.

Fahrende Scholaren (und später Studenten) waren ihrer Umgebung schon früh lästig gefallen, weil die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses nicht von allen Mitbürgern goutiert wurden, wie denn auch überhaupt das Mittelalter eine Vielzahl von Polizeiverordnungen hervorgebracht hat, die den Mißbrauch des Alkohols zu steuern suchten, im Ergebnis erfolglos, denn in einem der Lieder der Carmina Burana' aus dem 13. Jahrhundert wird schon aufgezählt:

Es säuft die Herrin, säuft der Herr,

es säuft der Ritter, säuft der Pfaffe,

...

Es säuft die Ahne, säuft die Mutter,

saufet diese, saufet dieser,

saufen hundert, saufen tausend.'

In besonders reiner Form hatte (oder hat?) sich diese schöne Übung in deutschen Studentenverbindungen gehalten, wie uns sehr anschaulich Heinrich Mann in Der Untertan zu berichten weiß. Das Gericht, eher behütet aufgewachsen, erinnert sich noch der etwas verstörten Verblüffung, als es, noch als Schüler, das erste Mal das Haus einer Verbindung besuchte und dort als wichtigen Teil der sanitären Einrichtung ein Spuckbecken entdeckte, das offenbar für notwendig erachtet wurde, womit die These dieses Gerichts augenfällig belegt wird: wer ordentlich trinkt, wird ordentlich betrunken und trifft Vorkehrungen für den Fall, daß der Magen gewisse Abstoßungserscheinungen zeigt: ergo bibamus!

Zurück zur Literatur: das Decamerone Boccaccios liefert eine Vielzahl von (allseits bekannten und deshalb gezielt eingesetzten) Auswirkungen des Alkoholgenusses, die zu höchst amüsanten Verwicklungen führen, und auch in Shakespeares Dramen torkelt - zur Erheiterung des Publikums - öfter mal eine volltrunkene Charge über die Bühne. Da die Shakespeare'schen Werke häufig in Innenhöfen von Gasthöfen gegeben wurden, ist der Schluß nicht ganz fernliegend, daß das Publikum im durchaus trinkfreudigen elisabethanischen England sich während des Theaterbesuchs zumindest in der Nähe der 0,8 Promillegrenze bewegt haben dürfte. Das, was Shakespeare zur Erbauung des Publikums benutzte, kehrt - sehr ernst - wieder in der sozialkritischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zum Beispiel Dickens, der immer wieder Trunkenbolde und liederliche angetrunkene Frauenzimmer auftreten läßt, um die Auswirkungen des Alkohols zu geißeln, aber auch sehr deutlich macht, warum so gerne und zuviel getrunken wird, worauf noch zurückzukommen sein wird.

Die deutsche Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts hält sich dagegen eher in den Höhen als in den Abgründen menschlichen Lebens auf, nicht zuletzt, weil, wie Goethe einmal in seiner Italienischen Reise' anmerkt, es Dinge gäbe, über die man zwar sprechen, schicklicherweise aber nicht schreiben sollte. Ganz trocken spielte sich das Leben gleichwohl nicht ab, wie ein Blick in die klassische Literatur zeigt, den wir uns hier aber, um die Darstellung nicht ausufern zu lassen, schenken müssen.

Stellvertretend für vieles: Bei Soldaten - der Angekl. ist Soldat - geht es häufig nicht so zu, wie es sich für ein Mädchenpensionat schicken würde, was wir der Kapuziner-Predigt, die zum Selbststudium empfohlen wird, in Wallensteins Lager' ( Schiller, 1. Akt, 8. Auftritt) mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen können.

Während sich also die deutsche Literatur eher mit Andeutungen zufrieden gab, kannte die französische diese Zurückhaltung nur eingeschränkt, während die russischen Romane dieser Zeit geradezu durch Heere von Säufern bevölkert wurden und auch die, die nicht im eigentlichen Sinne dem Trunke ergeben waren, konnten erhebliche Mengen Alkohol ohne allzu große Ausfälle in sich hineinschütten. Im Laufe der Jahre hat sich dies aber offenkundig zu einem derart massiven sozioökonomischen Problem entwickelt, daß Michael Gorbatschow noch 1985 meinte, man könne dem siechen Sozialismus durch ein allgemeines Wodkaverbot wieder auf die Beine helfen; er irrte!

Um es abzukürzen: es hört nicht auf, es wird im wirklichen Leben wie in der Literatur als dessen Spiegel gern und oft getrunken: Mark Twain berichtet in seinen Memoiren von den ungeheuren Mengen Whisky, die sein Schriftstellerkollege Brett Harte benötigte, um die richtige Betriebstemperatur zu erreichen; Marcel Proust trinkt, um dadurch in einen ... als 'euphorisch' bezeichneten Zustand zu geraten, in welchem das Nervensystem vorübergehend weniger verletzlich sei ... ('Auf der Suche nach der verlorenen Zeit). Conrad Castiletz macht die Erfahrung: Mit dem Geist ist es wie mit dem Weintrinken: eine neue, aber nicht ganz ungefährliche Quelle des Lebens, um kurz danach festzustellen, daß er nun einen Rausch habe (Heimito v. Doderer, Ein Mord, den jeder begeht'). Hermann Hesse läßt Harry Haller die herbsüße, wunderlich unbekannt schmeckende Flüssigkeit, die in der Tat unendlich belebend und beglückend wirkte, als werde man mit Gas gefüllt und verliere seine Schwere trinken ('Der Steppenwolf), während bei Martin Walser Helmut Halm den teuersten Spätburgunder genießt, um in einer schönen düsteren Schwere zu versinken ('Das fliehende Pferd'). Viktor Kösling, in der Alkoholaufnahme durchaus nicht unerfahren, verleibt sich dermaßen viel Grog ein, daß anschließend seine Glieder mit ihm machen, was sie wollen (Günther de Bruyn, Neue Herrlichkeit). Eine gleiche Erfahrung macht John Franklin, der Rum trinkt, um sich für einige brauchbare und zuversichtliche Gedanken bereitzuhalten, der aber nur erreicht, daß der Rum in die Beine ging (Sten Nadolny, Die Entdeckung der Langsamkeit), was von Ärzten in den Blutentnahmeberichten eher spröde mit Gang: unsicher beschrieben wird. Auf die Bewußtseinserweiterungen durch Drogen oder dem Recht auf Rausch, so das LG Lübeck in seinem Vorlagebeschluß an das BVerfG, soll hier, wie auf die mißglückte amerikanische Prohibition nur hingewiesen werden. Alle Religionen der Welt haben sich mit übermäßigen leiblichen Genüssen, zu denen der Mensch neigt, schwer getan und Askese gepredigt, weshalb der Prophet Mohammed den Alkohol denn auch verboten hat. Allein, es liegt in der Natur des Menschen, der sündhaft ist von Jugend auf, daß er schwach wird und die ihm auferlegten Gebote bricht. So gelingt es Pedrillo in Mozarts Die Entführung aus dem Serail, den Muslim Osmin zu verführen, verbotswidrig Zypernwein zu trinken, um ihn, wie schon König David den Urias, durch Alkohol außer Gefecht zu setzen. (2. Aufzug, 7. Auftritt).

Osmin: Ob ichs wage? Ob ichs trinke?

Obs wohl Allah sehen kann?'

Pedrillo: Hör Du, Alter: trink nicht zuviel;

es kommt einem in den Kopf.'

Osmin: Trag doch keine Sorge,

ich bin ... so ... so nüchtern wie möglich.'

Wein hat bekanntermaßen nicht nur benebelnde, sondern auch stimulierende Wirkung, wie Scheherazade dem größten König aller Zeiten' berichtet, denn Ala ed Din, der mit der Wunderlampe, trinkt gemeinsam mit seiner Frau bis die Sonne des Weins in ihren Köpfen schien, was trotz des eindeutigen Alkoholverbots in den Märchen aus 1001 Nächten als löbliches Tun geschildert wird. Was dann folgte, war, um dem sich hier aufdrängenden Kalauer nicht ganz auszuweichen, jedenfalls nicht die Teilname am Straßenverkehr.

Das Gericht, durchaus kein Kostverächter, will hier nicht als Temperenzler erscheinen, sondern zum einen deutlich machen, daß es ein durchgängiges Wissen von Alkoholaufnahme und dessen Wirkungen gibt und zum anderen dafür streiten, daß bewußte Alkoholaufnahme und Teilnahme am Straßenverkehr nicht camouflierend als Fahrlässigkeit eingestuft und daß dadurch nicht die Verantwortlichkeit eskamotiert werden darf. Zum Schluß dieses Teils noch ein Ausflug in die Welt der Musik: Daß Wein, Weib und Gesang in ein sehr enges Verhältnis zueinander getreten sind, gehört zum gesicherten Bestand des Volksvermögens. Ganze (Kommers)Bücher enthalten fast ausschließlich Trinklieder, wenn auch die wenigsten Trinker es so weit treiben werden wie Orlando di Lasso, der in einem seiner Madrigale bekannte, es sei sein größter Wunsch, in der Kneipe zu sterben. Wohl aber ist bekannt, daß die Kenntnis der Umdichtung des Gefangenenchores aus Verdis Oper Nabucco ('Ja, wir wollen noch einen heben ...) geradezu Zugangsvoraussetzung zu Veranstaltungen feucht-fröhlichen Charakters ist.

Wenn nun also auch deutlich geworden sein dürfte, daß der Ursache-Wirkung-Zusammenhang zwischen Alkoholaufnahme und Trunkenheit allgemein und damit auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diesem Angekl. bekannt ist (und auch schon bei seiner Fahrt war), so soll noch kurz darauf eingegangen werden, warum der Mensch trinkt: wenn wir die Summe ziehen, liegt die Motivation des Trinkenden darin, den euphorischen Zustand herbeizuführen, der die Begrenztheit der menschlichen Existenz und ihrer Möglichkeiten aufzuheben scheint, der ihn erleichtert, beflügelt, die Stimmung hebt und die Zunge lockert. Es soll ein Zustand erreicht werden, der den Mühseligen und Beladenen eben diese Molesten vergessen oder leichter ertragen läßt, und so äußert Wilhelm Busch in Die fromme Helene' nur einen Satz allgemeinen Wissens:

Es ist ein Brauch von Alters her,

wer Sorgen hat, hat auch Likör

Was Goethe, der deutsche Dichterfürst weit erhabener so formuliert hat:

Ich grüße dich, du einzige Phiole,

.....

du Inbegriff der holden Schlummersäfte,

.....

Ich sehe Dich: es wird der Schmerz gelindert,

Ich fasse Dich: das Streben wird gemindert

.....

des Trinkers Pflicht, sie reimweis' zu erklären,

auf einen Zug die Höhlung auszuleeren,

erinnert mich an manche Jugendnacht.

.....

Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.'

(Faust I, Nacht)

Der Saft, der eilig trunken macht, wird getrunken, um dieses Ergebnis mehr oder weniger ausgeprägt zu erzielen. Das Gericht ist nicht so ganz imstande, dem BVerfG zuzustimmen, das bei der Alkoholaufnahme, anders als beim Haschischrauchen, der Erreichung des Rauschzustandes eine nicht im Vordergrund stehende Bedeutung beimißt; statistisch scheinen die Erfahrungen eher das Gegenteil zu belegen, wenn man mitbedenkt, daß zwischen dem alkoholbedingten Wohlbefinden über den Schwips bis zum absoluten Vollrausch mindestens eine ganze Welt liegt.

 

Zwar ist bekannt, daß erworbene Fähigkeiten nicht vererbt werden können, doch zeigen die Beispiele, daß es Konstanten in der menschlichen Erfahrung gibt, die allgemein und allgemein bekannt sind, weshalb die obergerichtliche Rechtsprechung sich diesem Gericht nicht erschließt, denn es gibt tatsächlich von jedem erkannte Erfahrungssätze über den Zusammenhang von Alkoholaufnahme und seiner Wirkung. Ist nunmehr die Frage geklärt, daß der Mensch (mit hier nicht interessierenden, zu vernachlässigenden Ausnahmen) also die Wirkungen des Alkoholgenusses kennt, und ist auch geklärt, warum der Mensch trinkt und welchen Zustand er dadurch erreichen will, so ergibt sich für die rechtliche

 

Einordnung:

1. Wer trinkt, um einen bestimmten Zustand zu erreichen, der irrt sich nicht, wenn er sein Ziel erreicht hat.

2. Wer nicht trinkt, um einen bestimmten Zustand zu erreichen, weiß doch gleichwohl, daß er diesen Zustand - notwendig - erreichen muß, wenn er bestimmte Mengen Alkohol konsumiert hat, ohne daß es darauf ankäme, daß er die Trinkmenge exakt erinnert. Er kann daher - prinzipiell - nicht fahrlässig handeln, weil dem Menschen der Zusammenhang, die Wenn-Dann-Beziehung nicht nur von Anfang der Menschheit, sondern auch von seinen frühesten Kindertagen zumindest durch die Beobachtung trinkender Erwachsener, später durch eigenes Tun, bekannt ist, denn:

Doch siehe da, im trauten Kreis

sitzt Jüngling, Mann und Jubelgreis,

und jeder hebt an seinen Mund

ein Hohlgefäß, was meistens rund,

um draus in ziemlich kurzer Zeit

die drin enthaltene Flüssigkeit

mit Lust und freudigem Bemüh'n

zu saugen und herauszuziehen.

Weil jeder dies mit Eifer tut,

so sieht man wohl, es tut ihm gut.

Man setzt sich auch zu diesen Herrn,

man tut es häufig, tut es gern,

und möglichst lange tut man's auch ...

(Wilhelm Busch, Die Haarbeutel, Einleitung)

Obwohl also die rechtliche Einordnung auf der Hand liegt, neigen die Obergerichte dazu, sie gleichwohl von der Schuldfähigkeit ( §§ 20, 21 StGB) in den Bereich der Schuldformen zu verschieben, weil es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, daß ein Kraftfahrer ab einer bestimmten BAK seine Fahruntüchtigkeit erkennt' (so in Übereinstimmung mit der fast einhelligen Rechtsprechung deutscher Oberlandesgerichte, z.B. OLG Zweibrücken, NVZ 1993, S. 241). Diese Begründung ist den Verurteilten gegenüber nicht gerade schmeichelhaft, denn sie besagt, wenn auch nicht ausformuliert: Du bist so dumm, daß Du noch nicht einmal weißt, daß man durch den Genuß von Alkohol betrunken und fahruntüchtig wird, wobei es auf eine bestimmten BAK überhaupt nicht ankommt.

Dabei irritiert, daß diese Bewertung ganz unterschiedslos vorgenommen wird und nicht differenziert wird nach Ausfallerscheinungen und sonstigen deutlichen Indizien für äußerlich erkennbare Trunkenheitsgrade: Dem OLG Koblenz reichen für eine andere Beurteilung weder ausgedehnte Schlangenlinien noch eine verwaschene Sprache (Blutalkohol 1994, 48 f.), das OLG Zweibrücken läßt sich von dem äußeren Eindruck, den ein Angekl. auf Außenstehende machte, nicht beeindrucken, weil man schließlich nicht wissen könne, ob er selbst auch diesen Eindruck von sich hatte (NJW 1993, 240f.), während das OLG Düsseldorf auch einen äußerlich nicht merkbar unter Einfluß Stehenden derart privilegiert (Blutalkohol 1994, 53 f.). Das OLG Karlsruhe dagegen ficht es nicht an, ob jemand mit seinem Pkw zum Zwecke des Weintrinkens in eine Straußenwirtschaft fährt, dort ca. 1,6 l Rotwein trinkt, auf diese Weise einen Blutalkoholgrad von 2,67 Promille erreicht und dann, versteht sich, fahrlässig betrunken nach Hause fährt (NJW 1993, 117 f.). Das LG Münster schließlich meinte in einem vor etwa einem Jahr entschiedenen Fall, sich nicht zur Bejahung des Vorsatzes durchringen zu können, in dem ein mit der ehrenamtlichen Betreuung alkoholkranker Beamter eines Landschaftsverbandes beauftragter Amtmann seine Autofahrt unterbrach, eine halbe Flasche Jägermeister (0,375 l = knapp 18 Pinneken) vollständig leerte und dann seine Fahrt fortsetzte.

Das Gericht, in erkennbarer Übereinstimmung mit einer Vielzahl anderer Erstgerichte, meint dargelegt zu haben, daß das Gegenteil sich geradezu aufdrängt! Da man ja bekanntermaßen für Geld fast alles tut, nehmen die so qualifizierten Angeklagten, immerhin Mitglieder einer Gesellschaft mündiger Bürger, auch dieses hin, ja, freuen sich sogar darüber, weil damit in der Regel eine Verringerung des Strafmaßes, die Übernahme der Verteidigerkosten durch die Rechtsschutzversicherung und ggf. eine Besserstellung bei einer eventuellen Schadensregulierung einhergehen. Der Kunstgriff dieser Verschiebung gelingt, weil man fragwürdige Erfahrungssätze medizinischer Sachverständiger ( Salger, DRiZ 1993, 311ff.) zu Hilfe nimmt. Diese werden apodiktisch behauptet, ohne daß es notwendig erscheint, sie zu begründen, und wenn überhaupt argumentiert wird, dann erweisen sich die angezogenen Begründungsformeln in der Regel als Pseudoargumente, die einer näheren Überprüfung im Lichte der Lebenswirklichkeit, an der mittlerweile auch Richter teilnehmen (sollten), nicht standhalten. Die vermeintlichen Erfahrungs- bzw. Nichterfahrungssätze aus der Medizin werden dann kritiklos übernommen und so eingeordnet, wie die medizinischen Sachverständigen meinen, daß es zu geschehen habe, obwohl es genuine Aufgabe des entscheidenden Richters ist, diesen ihren richtigen Platz zukommen zu lassen.

Juristen sind an dieser Stelle an Kants Aufforderung zu erinnern. Sapere aude!': Habe den Mut, Deinen (gesunden und juristisch geschulten Menschen-)Verstand zu gebrauchen, der nämlich zu den richtigen, allgemein verständlichen und verstandenen Denkergebnissen führen wird: Wer deutlich angetrunken ist, weiß dies (mit ganz wenigen, nur im Einzelfall Bedeutung erlangenden Ausnahmen), er verkennt nicht etwa fahrlässig, nicht fahren zu können, sondern er überschätzt sich und meint fahren zu dürfen. Dabei kommt es regelmäßig gar nicht darauf an, ob sich ein Trunkenheitstäter tatsächlich angetrunken fühlt (obwohl bekannt ist, daß ein normaler Trinker bei etwa 1,6 Promille schon das Vollbild eines stark Angetrunkenen abgibt und der VGH Mannheim (10 S 1568/92) davon ausgeht, daß jemand, der solche Mengen Alkohol ohne massive Ausfallerscheinungen überstehen könne, als Alkoholiker eingestuft werden dürfe), sondern es reicht völlig aus, daß er weiß, nicht unerheblich getrunken zu haben (so auch Salger, DRiZ 1993, 311). Dies kann aber ein Autofahrer mit erheblicher Alkoholkonzentration schwerlich vergessen oder verdrängt haben, es sei denn, sehr theoretisch, er sei sinnlos betrunken, was nicht zur Fahrlässigkeit, sondern zur Bestrafung wegen vorsätzlicher Rauschtat gem. § 323a StGB führt. Der Gesetzgeber ist, wie die gesetzlichen Formulierungen unschwer ergeben, vom Vorsatz als Regelfall ausgegangen. Die Rechtsprechung dreht aber diese Regel um, denn es ist diesem Gericht in keinem Fall seiner Praxis gelungen, von seiner Berufungskammer nicht in Fahrlässigkeit abgeändert zu werden. Dabei ist das Begründungsmuster in allen obergerichtlichen Entscheidungen, die sich stets selbst oder wechselweise zitieren, prinzipiell gleich: Es habe an Hand der objektiven Merkmale nicht festgestellt werden können, daß an die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit gedacht und daß diese auch tatsächlich erkannt worden sei. Beispielhaft dazu das LG Münster: Bewußt in Kauf nehmen kann man nur etwas, an das man zumindest als Möglichkeit positiv denkt. Daß der Angeklagten die Möglichkeit, möglicherweise nicht mehr sicher fahren zu können, bewußt geworden ist, steht indes nicht fest (5 NS 128/93). Ein Kommentar zu dieser Rechtsprechung erübrigt sich nach dem bisher Ausgeführten. Dieses skrupulöse Herangehen an die Bejahung des Vorsatzes würde man sich bei anderen Deliktsgruppen (Hehlerei oder Betrug zum Nachteil der Arbeitsämter im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse) öfter wünschen.

Daß für Trunkenheitsdelikte der dolus eventualis' ausreicht, gerät dabei völlig in Vergessenheit, was auch erforderlich ist, weil sonst die Obergerichte in einen nicht zu lösenden Begründungsnotstand gerieten. Betrachtet man diese Rechtsprechung, kommt man zwingend zu dem Ergebnis, der Gesetzgeber habe etwas rechtlich Unmögliches normiert: Niedrige Alkoholisierungsgrade reichen für die Begründung des Vorsatzes noch nicht aus, höhere dagegen schließen ihn aus, eine Zwischenzone gibt es ersichtlich nicht, und so taucht der Begriff des Eventualvorsatzes in diesen Entscheidungen vorsorglich entweder gar nicht erst auf, bzw. wird eine intensivere Auseinandersetzung mit ihm strikt vermieden. Daß das Gericht diese Rechtsprechung für falsch hält, hat es in einer Vielzahl von Entscheidungen dargelegt und begründet (vgl. z.B. sehr zutreffend und daher sehr lesens- und beherzigenswert: AG Rheine, DRiZ 1994, 101ff.; Der Amtsanwalt 1993, 10ff.; FAZ v. 22. 3. 1994). Für den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich aus dem zuvor Erörterten, daß der Angekl., der erkennbar nicht sinnlos betrunken war, ein so geübter Trinker sein muß (vgl. VGH Mannheim, 10 S 1568/92), daß er ganz sicher nicht vergessen hat, vor Fahrtantritt getrunken zu haben. Es war ihm dies auch, sonst wäre sein späteres Verhalten nicht erklärlich, bewußt, weil er sofort den oben beschriebenen Ursache-Wirkung-Zusammenhang in einer von ihm für sinnvoll gehaltenen Weise zu seiner Handlungsmaxime machte, so daß nicht zweifelhaft sein kann, daß er insgesamt vorsätzlich handelte. IV. Zur Strafzumessung hat sich das Gericht von folgenden Überlegungen leiten lassen: Zugunsten des Angekl. hat das Gericht berücksichtigt, daß er bisher noch nicht, insbesondere nicht straßenverkehrsrechtlich, in Erscheinung getreten ist. Daß er sich zur Sache nicht eingelassen hat, ist zwar sein selbstverständliches Recht, was dem Gericht negativ zu würdigen untersagt ist, doch hätte es ihm gut angestanden, unumwunden zu seiner Tat zu stehen und deutlich zu machen, daß er sich mit seinem Fehlverhalten kritisch auseinandergesetzt habe. Sein Hinweis, sich an nichts mehr zu erinnern, ist eine reine Schutzbehauptung, denn sowohl in seinem Gespräch mit seinen Bekannten an der Unfallstelle, wie auch später bei der ärztlichen Untersuchung, war er zumindest hinreichend orientiert. Weiß er allerdings heute wirklich nichts mehr, so weist dies auf einen höchst bedenklichen Verdrängungsprozeß hin, der eine wirkliche Verarbeitung seines Verschuldens problemhaft verhindert.

Zu berücksichtigen waren darüber hinaus die erheblichen Verletzungen des minderjährigen Zeugen L, der sein Leben lang an den Folgen des Fehlverhaltens des Angekl. zu tragen haben wird. Schließlich war die besonders starke Alkoholisierung des Angekl. zu würdigen, die die Gefahren, die auch abstrakt von ihm ausgingen, deutlich über das Normalmaß steigen ließen. Ob der Angekl. eingeschränkt schuldfähig i.S. des § 21 StGB gehandelt hat, will das Gericht im Ergebnis offenlassen; zumindest war ihm jedoch eine erhebliche Senkung der Hemmschwelle infolge der trunkenheitsbedingten Überschätzung seiner Möglichkeiten zugute zu halten. Dies zusammen macht gleichwohl ein entschieden höheres als das Standardstrafmaß' erforderlich, wobei das Gericht gemeint hat, dieses mit sechzig Tagessätzen schuld- und tatangemessen gefunden zu haben. Dabei war zu berücksichtigen, daß insbesondere im Straßenverkehrsrecht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenminimierung und der Hebung der bedauerlich laxen Moral, generalpräventive Überlegungen ein starkes Gewicht bekommen müssen. Diesen Bestrebungen wäre eine besondere Privilegierung des stark angetrunkenen Täters nicht gerade förderlich.

Was die Verkehrsunfallflucht (in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt) anlangt, hat das Gericht eine Anleihe bei Immanuel Kant gemacht, der gelehrt hat, die Philosophie könne vier Fragen beantworten, von denen hier nur die letzte interessieren soll: Was ist der Mensch?' Diese Frage ist hier in einer Weise zu beantworten, der der Königsberger Professor, wenn auch sicher nicht ohne heftiges Magengrimmen, zustimmen würde: Der Mensch ist ein Fluchttier! Denn genauso verhielt sich der Angekl., wie schon weiland Adam und Eva, die sich nach dem Sündenfall auch versteckten. Zwar kannte der Angekl. selbstverständlich seine Pflichten, doch gelang es ihm, wie vielen Menschen in vergleichbaren Situationen, nicht, dem Gesetzesbefehl bzw. dem Gebot des kategorischen Imperativs zu folgen und an der Unfallstelle zu bleiben. Diese Schwäche ist aber keine originäre, sondern eine, die sich für ein Fluchttier als Annex seines ersten Fehlverhaltens darstellt, d.h. es ist schon ein ganz erheblicher moralischer Impuls notwendig, um seiner Triebnatur nicht zu gehorchen, was nun aber gerade durch den Straftatbestand des § 142 StGB erzwungen werden soll. Ist die Flucht aber nur die Reaktion auf ein vorheriges Geschehen, so ist der Unrechtsgehalt, wenn auch moralisch in hohem Maße mißbilligenswert, gleichwohl zu relativieren. Dagegen zu halten war jedoch, daß der Angekl., der einen schweren Unfall verursacht hatte, von der Unfallstelle verschwand, woraus deutlich wird, daß er seinen Belange in einem unvertretbaren Maß den Vorrang gab und, prinzipiell, bereit war, den Verletzten sich selbst zu überlassen. Diesen Überlegungen folgend hat das Gericht insoweit auf eine Einsatzstrafe von nur vierzig Tagessätzen erkannt, und es hat aus diesen Einsatzstrafen eine Gesamtgeldstrafe von neunzig Tagessätzen gebildet ... V. Durch sein Verhalten hat sich der Angekl. entschieden als zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet erwiesen, so daß ihm ohne nähere Prüfung gem. § 69 StGB die Fahrerlaubnis zu entziehen war. Bei der Sperrfrist, die gem. § 69a StGB zu bemessen war, hat das Gericht die gleichen Überlegungen wie zur Strafzumessung herangezogen und daraus den Schluß gezogen, der Angekl. bedürfe einer erheblichen Zeit der charakterlichen Nachreife. Daraus folgt, daß die Straßenverkehrsbehörde anzuweisen war, diesem Verurteilten vor Ablauf von noch 12 Monaten eine Fahrerlaubnis nicht zu.

 

AG Berlin-Schöneberg, Urt.v. 14.7.1989 - 16 D 370/89, NJW 1990, 1972

 

IM NAMEN DES VOLCKES

ich verkuendt, in dem rechtsstreyt, wo die parteyen sind, A M, 1000 Berlin, als verfuegungsclagerin, als procuratores sie sich die advocati B., 1000 Berlin, gewinn, gegen C. ... 1000 Berlin, der verfuegungsbeclagten, streytent mit den advocati D ... 1000 Berlin, den unverzagten: als inhaber der abtheylung 16 am Schoeneberger Ambtsgericht, krafft meines ambtes und meiner pflicht, auff die muendlich verhandlung vom 14ten Juley des 1989ten A. D., fuer recht ich folgendes erseh:

 

1. Unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 26.6.1989 wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 400 DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Eyn kurtzweylig spil von zwo fraw'n
die sich vor gericht thun haun
und dorch merer hauffen coth
kament in die hoechste noth

Wer auff dem lande oder in der stadt
eynen hund zu halten hat,
der sey wol darauff bedacht,
daß das thier keyn unru macht,
wer aber hierzu nit bereyt,
der hat nur groz schad und leyt.

Erzelen will ich Iu drumb von zwo frawen,
die dorch eynen ungezognen hund,
zestritent warn zestund,
daß Ir dran kunnet wol erschawen,
wie obgemelte ler wuerckt um,
in eynem feyn exempulum.

Die parteyen wonent als mieter in eym hauß,
die clagerin under der beclagten,
mit zween nachbaurten gaerten,
zu den furet eyn terassen naus;
die gaerten geschiedent dorch eyn kleyn zaun,
die terrassen gemeysam genuczet von den frawn.

Die clag'rin eynen hund sich haelt,
der bar der czwenge diser weld,
nit wissend, was ist meyn und deyn,
kert in den garten der beclagten eyn,
uber den zaun und die terassen,
wie es im grad wol thett passen.

Das thier duencket zu haben eyn kunstsinn,
gleychsam als sey es Joseph Beuys,
jedtags schaffend etwan neus,
pfercht es seyne merdrums hin,
braun, groz und voller dufft gar schoen,
hat die nachbaurin eyn denckmal ste'n.

Doch uber kunst seyt alter zeytt,
die weld, die stet im widerstreyt,
die beclagte hier nun voll verdruß,
empfuendet dis als aergernuß;
und eynen hoehern zaun - anstat des alten - sie setzen laeßt,
der theylet garten und terassenpodest.

Die parteyen lerer sind,
und lerer habent immer recht,
wenn aber zween irer andrer meynung sind,
so geht das leyder schlecht,
drumb suchent sie die weysheyt bey gericht,
auff daß es eyn gut urtheyl ticht.

Denn wer uber alles entscheyden thett,
von den er keyn ahnung hett,
der ist grad der richtig man,
der dise sach entscheyden kann,
und wer im staate hat ein ambt,
der hat dazu auch den verstandt.

Die clagerin eyligst undersaget haben will,
- von ires hundes unthat sie schweygt fein still -,
daß die beclagte ein' zaun zyhen lasst,
der nit irem willen paßt,
und das gericht dorch beschluß zestund,
das begehrt' verbot thett kund.

Die beclagte hett dem widerseyt,
die clagerin will,
daß der beschluß so bleybt,
die beclagte antraegt,
disen wieder zu cassirn
und die clage abzuschmiern.

In behuf des weytern parteygeczaenck
man den blick in die acten lenk.

Und das gericht alhier spricht,
die clagerin enhat den anspruch nicht.

Die beclagte zwar mit fuersatz stoeret,
den besitz,d er auch der clagerin gehoeret,
an der terassen und dem zaun,
so daß die beclagte nach acht sechs eyns BGB muß in abbaun,
ganz gleych ob's zerecht oder unrecht geschicht, auch mit
erlaubnuß des vermieters darf man enstoeren nicht.

Jedoch in acht funf neun BGB es heyßt,
wenn ein hund in nachbaurs garten scheyßt,
so darff sich diser des erwern,
denn dis thett in im besitze stoer'n,
und darff der mittel wuerckung nuczen,
die im in dem besitz thun schutzen.

Die beclagte also eynen zaun darff zyhen lan,
uber den der hund nit springen kann,
und dabey den alten abbaun,
damit der neu erstellte zaun,
nit alleyn auf irem grundstueck steh,
und ir eyn stueck besitz abgeh.

Die clag'rin sprach nun zur beclagten keck:
"Kümmere Dich um Deinen eigenen Dreck!"
Jedoch sind des boesen hunds merdrums,
die fruechte ires eigentums,
und g'hoern nach neun funf drei des BGB,
dem, dem das eygen an dem hund zusteh.

Auch wenn die clagerin dise nit will haben,
udem sich deroselben derelinquiret,
indes die beclagte die unthat fotographiret,
dise weret sich solcher gaben,
so daß weder eigen noch besitz,
die beclagt' sich hier ersitz.

Und die moral des spils nun werd kund,
wer sich haltet eynen hund,
der muß in gar wol erziehn,
und auch reychlich gassi gehn,
dann wird das thier verrichten seyn geschefft,
wo es nit den andren nachbaurn trefft.

Der costenausspruch folgt, ich meyn's
aus der ZPO neun eyns,
und damit die beclagt' in kann auch executiern,
thu ich aus der ZPO 708 nummero 6 und 711 satz 1 citieren,
dieses urtheyl ward geticht, von Richter Rittner bei
Schoenebergens Ambtsgericht.

Berolina, 14 um Julii A.D. MCMLXXXIX

Rittner

manu propria
iudex apud praeturam Schoenebergensis

 

AG München, Urt.v. 11.11.1986 - 28 C 3374/86, NJW 1987, 1425

Leitsatz:

Die Zeugenaussage eines Fahrers eines unfallbeteiligten Fahrzeuges ist vor Gericht wertlos.

Aus den Gründen:

[...] Das Gericht war in seine bisherigen Praxis schon mit ca. 2000 Straßenverkehrsunfällen beschäftigt und hat es noch niemals erlebt, daß jemals einer der beteiligten Fahrer schuld gewesen wäre. Es war vielmehr immer so, daß jeweils natürlich der andere schuld gewesen ist. Bekanntlich sind Autofahrer ein Menschenschlag, dem Fehler grundsätzlich nie passieren, und wenn tatsächlich einmal ein Fehler passiert, dann war man es natürlich nicht selbst, sondern es war grundsätzlich der andere.

Das Gericht hat auch noch nie erlebt, daß jemals ein Fahrer, der als Zeuge oder Partei vernommen wurde, eigenes Fehlverhalten eingeräumt oder zugestanden hätte. Wenn dies einmal tatsächlich passieren sollte, dann müsste man schlicht und einfach von einem Wunder sprechen. Wunder kommen aber in der Regel nur in Lourdes vor, wenn beispielsweise ein Blinder wieder sehen kann oder ein Lahmer wieder gehen kann, oder aber in Fatima, wenn sich während der Papstmesse eine weiße Taube auf den Kopf des Papstes setzt, und sogar in den dortigen Gegenden sind Wunder ziemlich selten, in deutschen Gerichtssälen passieren sie so gut wie nie, am allerwenigsten in den Sitzungssälen des AG München. Jedenfalls ist in Justiz- und Anwaltskreisen nichts davon bekannt, dass in der Pacellistr. 2 in München schon jemals ein Wunder geschehen wäre. Möglicherweise liegt das daran, dass der liebe Gott, wenn er sich zum Wirken eines Wunders entschließt, gleich Nägel mit Köpfen macht und sich nicht mit einem banalen Verkehrsunfall beschäftigt. Vielleicht liegt aber die Tatsache, dass trotz der Unfehlbarkeit aller Autofahrer gleichwohl so viele Verkehrsunfälle passieren, schlicht und einfach daran, dass unsere Gesetze so schlecht sind. Dies hinwiederum wäre allerdings kein Wunder.

Aus dem vorstehend Gesagten vermag nun der unbefangene Leser des Urteils schon unschwer zu erkennen, was die Zeugenaussage eines Fahrers eines unfallbeteiligten Fahrzeuges vor Gericht wert ist: nämlich gar nichts.

 

LG Mannheim, Urt.v. 23.1.1997 - (12) 4 Ns 48/96, NJW 1997, 1995

 

Zur Beweiswürdigung, wenn Aussage gegen Aussage steht, und zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Zeugen. (Leitsatz der NJW-Redaktion)

[Der Angeklagte war in der Vorinstanz aufgrund der Aussage des Zeugen V wegen falscher uneidlicher Falschaussage (§ 153 StGB) verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung führte zum Freispruch des Angeklagten aus tatsächlichen Gründen.]

Aus den Gründen:

Dieser Vorwurf konnte nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung nicht aufrechterhalten werden.

[...] Dies sind jedoch nicht die einzigen Bedenken, die man gegen den Zeugen V haben muß. Er gab sich zwar betont zurückhaltend, schien bei jeder Frage sorgfältig seine Antwort zu überlegen und vermied es geradezu betont, Belastungstendenzen gegen den Angekl. hervortreten zu lassen, indem er in nebensächlichen Einzelheiten Konzilianz ja geradezu Elastizität demonstrierte, im entscheidenden Punkt, der - für ihn vorteilhaften - angeblichen mündlichen Genehmigung des beantragten Urlaubs aber stur blieb wie ein Panzer. Man darf sich hier aber nicht täuschen lassen. Es handelt sich hier um eine Erscheinung, die speziell für den vorderpfälzischen Raum typisch und häufig ist, allerdings bedarf es spezieller landes- und volkskundlicher Erfahrung, um das zu erkennen - Stammesfremde vermögen das zumeist nur, wenn sie seit längerem in unserer Region heimisch sind. Es sind Menschen von, wie man meinen könnte, heiterer Gemütsart und jovialen Umgangsformen, dabei jedoch mit einer geradezu extremen Antriebsarmut, deren chronischer Unfleiß sich naturgemäß erschwerend auf ihr berufliches Fortkommen auswirkt. Da sie jedoch auf ein gewisses träges Wohlleben nicht verzichten können - sie müßten ja dann hart arbeiten - versuchen sie sich "durchzuwursteln" und bei jeder Gelegenheit durch irgendwelche Tricks Pekuniäres für sich herauszuschlagen. Wehe jedoch, wenn man ihnen dann etwas streitig machen will! Dann tun sie alles, um das einmal Erlangte nicht wieder herausgeben zu müssen, und scheuen auch nicht davor zurück, notfalls jemanden "in die Pfanne zu hauen", und dies mit dem freundlichsten Gesicht. Es spricht einiges hierfür, daß auch der Zeuge V mit dieser Lebenseinstellung bisher "über die Runden gekommen ist". Mit Sicherheit hat er nur zeitweise richtig gearbeitet. Angeblich will er nach dem Hinauswurf durch den Angekl. weitere Arbeitsstellen innegehabt haben, war jedoch auf Nachfrage nicht in der Lage, auch nur eine zu nennen! [...]

 

FG Köln, Urt.v. 9.11.1987 - 11 K 3382/87, EFG 1988, 131

 

Leitsätze

1. Bei Versäumung der Ausschlußfrist für die Vorlage der Prozeßvollmacht ist die ohne Vollmacht eingelegte Klage unzulässig.

2. Die Abfassung einer Entscheidung des Gerichts in Versform ist zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Es klagt vor dem Finanzgericht

- Prozeßvollmacht, die hat er nicht -

Herr ABCD als Vertreter.

Die Vollmacht kommt nicht gleich, nicht später.

 

Es wird ihm eine Frist gesetzt,

doch die verstreicht zu guter Letzt.

Da setzt ihm der Berichterstatter

die Ausschlußfrist, insoweit hat er

genügend Zeit: 3 Wochen voll

(Art. 3 § 1 VGFGEntlG).

 

In dieser Frist die Vollmacht soll

gerichtlich nachgewiesen sein,

weil sonst ihr Fehlen ganz allein

die Klage unzulässig mache.

 

Ansonsten sei es seine Sache,

bei Unverschulden vorzubringen

- Rechtzeitigkeit vor allen Dingen - ,

weshalb die Frist verstrichen sei;

dann stehe Wiedereinsatz frei.

 

Doch es geschieht so wie bisher:

Von ABCD kommt nichts mehr.

So fügt sich's, daß die Ausschlußfrist

vergeblich jetzt verstrichen ist.

 

Die Klage ist nun unzulässig.

 

Das kommt, weil Vollmacht regelmäßig

Prozeßvoraussetzung bedeutet.

Dies wurde mehrfach angedeutet,

vor allem, als - verfügt zuletzt -

die Ausschlußfrist wurd' angesetzt.

Die FGO sagt klipp und klar,

daß Vollmacht vorzulegen war;

sie war auch schriftlich zu erteilen

(§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO).

Den Mangel kann nun nichts mehr heilen.

 

Für Einsetzung gibt's keine Fakten,

(§ 56 Abs. 1 und 2 FGO),

aus Vortrag nicht und nicht aus Akten.

 

Im Vorbescheid ist "Vers" als Form

gestattet nach Gesetzesnorm,

denn deutsch ist Sprache des Gerichts

(§ 184 GVG)

und deutsch auch Sprache des Gedichts.

So sprechen in der streit'gen Sache

Gedicht und Spruch die gleiche Sprache.

 

Die Kostenlast trägt der Vertreter,

denn Vollmacht gab er auch nicht später.

Zwar wird er dadurch nicht Partei,

doch weil die Klage ist "Vorbei"

durch sein Betreiben, sein Versagen,

da muß er selbst die Kosten tragen.

 

AG Höxter, Urt.v. 21.6.1995 - 8 Js 655/95, NJW 1996, 1162

 

Aus den Gründen

 

Am 3.3.95 fuhr mit lockerem Sinn

der Angeklagte in Beverungen dahin.

Daheim hat er getrunken, vor allem das Bier

und meinte, er könne noch fahren hier.

Doch dann wurde er zur Seite gewunken.

Man stellte fest, er hatte getrunken.

Im Auto tat's duften wie in der Destille.

Die Blutprobe ergab 1,11 Promille.

Das ist eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt,

eine Straftat, und mag das auch klingen hart.

Es steht im Gesetz, da hilft kein Dreh,

§ 316 I und II StGB.

 

So ist es zum Strafbefehl gekommen.

Auf diesen wird Bezug genommen.

Der Angeklagte sagt, den Richter zu rühren:

"Das wird mir in Zukunft nicht wieder passieren!"

Jedoch es muß eine Geldstrafe her,

weil der Angeklagte gesündigt, nicht schwer.

30 Tagessätze müssen es sein

zu 30,- DM. Und wer Bier trinkt und Wein,

dem wird genommen der Führerschein.

Die Fahrerlaubnis wird ihm entzogen,

auch wenn man menschlich ihm ist gewogen.

Darf er bald fahren? Nein, mitnichten.

Darauf darf er längere Zeit verzichten.

5 Monate Sperre, ohne Ach und Weh,

§§ 69, 69a StGB.

 

Und schließlich muß er, da hilft kein Klagen,

die ganzen Verfahrenskosten tragen,

weil er verurteilt, das ist eben so,

§ 465 StPO.

 

Aus dem Schriftsatz des Rechtsanwalts:

 

Der Mandant, einerseits zufrieden,

andererseits ein wenig beklommen,

hat den Urteilsspruch vernommen.

Im Hinblick auf die Sach- und Rechtslagen, die allseits bekannten,

und nach Rücksprache mit dem Mandanten

tu ich hiermit kund

für alle in der Rund',

für Staatsanwaltschaft und Gericht:

Rechtsmittel einlegen - tun wir nicht.

 

 

AG Köln, Urt.v. 20.7.1985 - 266 C 718/65

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte den Beklagten an das Steuer ihres Wagens gelassen. Im Verlaufe der Fahrt hatte dieser einen Blechschaden am Auto verursacht, über dessen Begleichung die Parteien streiten.

Aus den Entscheidungsgründen

Nach der Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin sich vom Beklagten überreden lassen, ihn einmal ans Steuer zu lassen, und der Beklagte hat die Gunst der Stunde dazu genutzt, einen desorientiert in der Gegend herumstehenden Pfosten zu rammen. Der Beklagte hat zwar mit messerscharfer Logik erklärt, er sein nicht so blöd, zu fahren, wenn er keine Fahrerlaubnis habe. Das ist aber kein Beweis für das Gegenteil. Denn diese Verteidigung ist dem erkennenden Gericht schon zu oft vorgekommen (vgl. dazu Heinz Erhardt, "wenn Sie mich für blöd halten, dann sind Sie bei mir an den Richtigen gekommen").

Deshalb gibt es auch keinen menschlich wie rechtlich einleuchtenden Grund, warum der Beklagte aus "Kulanz"-Gründen versprochen hat, "die Hälfte des Schadens" zu zahlen, wie der Zeuge D. glaubhaft bekundet hat, wenn er sich nicht einer gewissen Schuld am Zustandekommen des Unfalles bewußt war.

Andererseits hat die Klägerin die Hälfte ihres Schadens selbst zu tragen. Einmals haben sich die Parteien nach der Bekundung des Zeugen darauf geeinigt und zum anderen hat die Klägerin den Beklagten als Amateur ans Steuer gelassen. Ob sie dabei nach dem Grundsatz gehandelt hat: "Wem ich meinen Leib gönne, dem gönn' ich auch mein Gut" (vgl. dazu Karl Simrock, Die deutschen Sprichwörter, Frankfurt 1846, Nr. 6295) oder nach dem Prinzip: "Laß fahren, was nicht bleiben will" (Simrock, Nr. 2244), kann hier offen bleiben. Wer nämlich einen fahren läßt, der nicht fahren kann, muß körperlich wie rechtlich einem ungewissen Ausgang der Fahrt entgegensehen und gewisse Unbilden, wie einen im Wege stehenden Pfahl, in Kauf nehmen. Insoweit gilt: "Wer sich selbst schadet, mag sich selbst verklagen". Zur Schonung ihrer Güter wird die Klägerin daher künftig am besten fahren, wenn sie den Ratschlag beherzigt: "Bei dem Freunde halte still, der dich nur, nicht das Deine will" (Simrock, Nr. 2720). Das erscheint dem erkennenden Gericht sicherer, als das Prinzip: "Mitgeflogen, mitgehangen".

 

AG Bad Mergentheim, Beschl. vom 19.12.1996 - 1 F 143/95, NJW 1997, 3033

 

Leitsätze (der NJW-Redaktion)

1. Gehört zum Hausrat ein Haustier, muß bei der gerichtlichen Zuweisungsentscheidung der Rechtsgedanke des § 90a BGB berücksichtigt werden.

2. Es ist rechtlich zulässig, im Rahmen der Hausratsteilungsentscheidung dem Ehegatten, der den Hund nicht erhalten hat, das Recht einzuräumen, mit dem Hund zu bestimmten Zeiten zusammenzusein.

 

Sachverhalt

Die Parteien, die miteinander verheiratet waren, deren Ehe aber schon im Jahre 1994 rechtskräftig geschieden worden ist, streiten um die Verteilung ihres Hausrats, der Kern ihres Streits bezieht sich aber ausschließlich auf den Hund W. Bei diesem Hund handelt es sich um einen Pudel im Alter von jetzt rund zehn Jahren, den die Parteien einst als Welpen bekommen haben und der, als sie sich im November 1993 trennten, zusammen mit zwei weiteren Hunden bei der Ag. blieb. Bei seinem Auszug nahm der Ast. eine Reihe von Gegenständen und Geräten mit, so Besteck, Geschirr, Werkzeuge, eine Modelleisenbahn u.a.; der größere Teil des Hausrats aber bleib bei der Ag. zurück. Beide Parteien sahen bis zu diesem Verfahren keinerlei Notwendigkeit, eine weitergehende Hausratsverteilung vorzunehmen, beide begnügten sich mit der Benützung der von ihnen mitgenommenen bzw. der bei ihnen verbliebenen Gegenstände; Forderungen auf weitere Hausratsverteilungen wurden nicht gestellt. Erst mit dem am 17.10.1995 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Ast. beantragt, ihm den Hund W zuzuweisen. Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.04.1996 war ausschließlich die Zuweisung bzw. der Verbleib des Hundes W. An deren Ende schlossen die Parteien - trotz des rechtlichen Hinweises, ein Hausratsverfahren bezüglich eines einzelnen Hausratsgegenstands sei nicht zulässig - den folgenden Vergleich:

"Der Ast. hat das Recht, den Hund W, der sich bei der Ag. befindet, zweimal monatlich zu sich zu nehmen, um mit ihm zusammen zu sein und auch spazieren zu gehen. Die Begegnungen zwischen dem Ast. und dem Hund finden jeweils am 1. und 3. Donnerstag eines jeden Monats in der Zeit von 14-17 Uhr statt." Aufgrund eines gewährten Widerrufsvorbehalts hat die Ag. diesen Vergleich fristgerecht widerrufen.

Sie ist der Meinung, bei der Ausübung eines "Umgangsrechts" des Ast. mit dem Hund W müsse sich W in seinen Bezugspersonen hin- und hergerissen vorkommen, sie können darum den Vergleich nicht erfüllen; statt dessen biete sie an, daß der Ast. den bei ihr ebenfalls befindlichen Hund L auf Dauer erhalte. In der mündlichen Verhandlung vom 24.10.1996 hat das Gericht die Sach- und Rechtslage nochmals eingehend erörtert. Außerdem ist in diesem Termin als tiermedizinischer Sachverständiger S, Tierarzt beim Veterinäramt des Landratsamts, zur Frage gehört worden, welche tierpsychologischen Auswirkungen eine Regelung, wie sie im widerrufenen Vergleich vom 11.4.1996 vorgesehen war, auf den Hund W hätte. Dabei hat der Sachverständige u.a. ausgeführt, tierpsychologische Schwierigkeiten bei der Erfüllung der ursprünglich gefundenen einvernehmlichen Regelung könne es für den Hund eindeutig nicht geben. Wichtig für das Wohlbefinden des Hundes seien die Bezugspersonen und sein Heim, in dem er zu Hause sei; gegen ein stundenweises Zusammensein des Hundes mit dem Ast. bestünden keine Bedenken; bedenklich wäre nur, wenn der Hund, der jetzt an sein Heim und an die anderen beiden Hunde gewöhnt sei, einen dauernden Ortswechsel vornehmen müßte. Im übrigen erwies es sich in der mündlichen Verhandlung, daß der Hund W, nachdem er von der Leine genommen war, sich sofort zielstrebig zum Ast. begab, sich von diesem bereitwillig auf den Schoß nehmen ließ und dort deutliche Zeichen des Wohlgefallens von sich gab; z.B. leckte er das Gesicht des Ast. mehrfach ab. Der Sachverständige führte aus, daß der Hund nach wie vor beide Parteien als Bezugspersonen anerkenne, und daß er beide Parteien möge. Der Ast. brachte zum Ausdruck, er sei bereit, auf alle Hausratsausgleichsforderungen dann zu verzichten, wenn er das am 11.4.1996 vereinbarte Umgangsrecht mit dem Hund erhalte. Der Ast. beantragte hilfsweise, ihm ein Umgangsrecht, so wie es im Vergleich vom 11.4.1996 vorgesehen war, zuzubilligen.

Das AG - FamG - hat die beiderseitigen Anträge auf Teilung des Hausrats zurückgewiesen und dem Ast. gestattet, am 1. und 3. Donnerstag von 14-17 Uhr mit W spazierenzugehen.

 

Aus den Gründen

B. Abgesehen von einer notwendig erscheinenden Entscheidung bezüglich des Hundes W war eine Hausratsverteilung nicht durchzuführen:

a) Festzustellen ist, daß die auf Verteilung des Hausrats gerichteten Anträge der Parteien, die im Schriftsatz der Ag. vom 10.5.1996 und im Schirftsatz des Ast. vom 10.6.1996 enthalten sind, erkennbar dadurch ausgelöst worden sind, daß der Ast. zunächst die Zuweisung allein des Hundes W begehrt hatte, und dann der im Termin vom 11.4.1996 geschlossene Vergleich gescheitert war. Zutreffenderweise hatte die Ag. anfänglich darauf hingewiesen, daß die Einleitung eines Hausratsverfahrens allein wegen eines zum Hausrat gehörenden Gegenstandes, hier eines Haustiers, nicht zulässig war; gleichwohl hatte sich das Gericht zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens berechtigt und verpflichtet gesehen, mit den Parteien und ihren Vertretern mündlich zu verhandeln.

[...]

Aus allem folgt, daß die Parteien offensichtlich bis zum Wunsch des Ast., allein den Hund W zu erhalten, selbst davon ausgingen, daß der Hausrat endgültig verteilt war, und daß es ihnen im Grunde nur darum geht, Ansprüche auf diesen Hund durchzusetzen oder zu vereiteln. Unter diesen Umständen fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis für die beiderseitigen Anträge. Sie sind damit unzulässig.

b) Die Anträge wären aber auch unbegründet, weil sich bereits aus den Anträgen selbst ergibt, in welcher Weise der Hausrat - abgesehen vom Hund W - verteilt ist, und daß diese von den Parteien selbst damit vorgenommene Verteilung ausgewogen, zweckmäßig und gerecht erscheint. Für eine gerichtliche Verteilung ist darum kein Raum mehr (§ 8 der HausratsVO).

3. Was nun den Hund W betrifft, so ist davon auszugehen, daß er als Haustier dem Hausrat zuzurechnen ist [...]. An dieser Rechtslage hat sich auch durch § 90a BGB, der durch Gesetz vom 20.8.1990 eingefügt worden ist, nicht geändert; zwar ist dort bestimmt, daß Tiere keine Sachen sind, gleichzeitig aber ist dort festgelegt, daß für Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine anderslautende Bestimmung aber fehlt in der Hausratsverordnung.

Jedoch kann die für den Hund W zu treffende Lösung nicht ohne Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 90a BGB gefunden werden, wonach Tiere von der Rechtsordnung als Mitgeschöpfe anerkannt worden sind. Das bedeutet, daß über sie, anders als es bei leb- und gefühllosen Gegenständen möglich wäre, nicht ohne Rücksicht auf ihr Wesen und ihre Gefühle verfügt werden kann. Das Gericht hatte also die tierpsychologischen Ausführungen des Sachverständigen S zu beachten, wonach dem an seine jetzige örtliche und "familiäre" Umgebung gewöhnten Hund ein ständiger Ortswechsel nicht zuzumuten ist, wonach aber ein stundenweises Zusammensein dieses Hundes mit dem Ast. bedenkenfrei möglich ist, weil er auch den Ast. als Bezugsperson anerkennt.

Unter Respektierung des in § 90a BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens der Anerkennung des Hundes als eines Mitgeschöpfes und der daraus sich ergebenden zwingenden Folge eines Verbots, mit diesem Mitgeschöpf völlig willkürlich umzugehen, kann darum der Antrag das Ast., ihm den Hund für dauernd zuzuweisen, keinen Erfolg haben. Das Gericht ist sich sicher, daß der Ast. diese Rechtsfolge versteht, denn im Verfahren ist hinreichend deutlich geworden - zuletzt im Hilfsantrag des Ast. -, daß er die Verwurzelung des Hundes W im Haushalt der Ag. respektiert.

Entsprechend dem Hilfsantrag aber ist dem Ast. zuzubilligen, daß er in der Weise mit diesem Pudel zusammensein kann, wie dies bereits in dem später widerrufenen Vergleich vom 11.4.1996 vereinbart worden war. Diese "Umgangsregelung", die hier einer Umgangsregelung nachgebildet ist, wie sie sonst bei Kindern angewendet wird, erscheint billig und angemessen, sie schadet nach den Ausführungen des Sachverständigen dem Hunde und seinem Wohlbefinden nicht, sie ist vielmehr sogar nach den Beobachtungen, die in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.1996 gemacht werden konnten, und bei denen der Hund freudig auf den Ast. zuging, durchaus geeignet, das weitere Wohlbefinden des Hundes zu fördern. Das bedeutet, daß dem Hilfsantrag des Ast. der Erfolg nicht versagt werden konnte.

Durch die Lösung werden die Rechte der Ag. in keiner Weise unziemlich beeinträchtigt, bleibt ihr doch W, von der monatlich zweimal dreistündigen Abwesenheit abgesehen, ungeschmälert erhalten, wozu noch der Umstand kommt, daß weiter noch zwei Hunde bei ihr leben. Zu einer anderen Beurteilung führt auch das Gegenangebot der Ag. nicht, dem Ast. den Hund L ganz zu überlassen. Zum einen scheint der Ast. zu diesem Hund selbst kein besonderes Verhältnis zu haben, zum anderen spräche auch zugunsten dieses Hundes die Darstellung des tiermedizinischen Sachverständigen, wonach ein dauernder Ortswechsel für den Hund tierpsychologische Probleme machen würde.

Schließlich wird weiter darauf hingewiesen, daß der Wortlaut der Hausratsverordnung, der im § 8 von einer "Verteilung" des Hausrats ausgeht, die getroffene Lösung nicht ausschließt, weil - wie eingangs ausgeführt - bei Haustieren diese Bestimmung auch unter dem Rechtsgedanken des § 90a BGB interpretiert werden muß, also unter Respektierung des Haustieres als eines lebenden Wesens.

 

OLG Düsseldorf, Beschl.v. 18.4.1990 - 2 Ss (Owi) 97/90 - (OWi) 30/90 II, NJW 1990, 2264

 

Leitsatz

Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h ist zur Rettung eines Wellensittichs nicht gerechtfertigt.

Sachverhalt

Der Betroffene hat auf der Autobahn die zulässige Geschwindigkeit überschritten. Er hat dies eingeräumt, sich jedoch dahin eingelassen, daß sie gerechtfertigt gewesen sei, weil er eine Frau mit ihrem im Koma liegenden Wellensittisch möglichst schnell zu einem Tierarzt habe fahren wollen. Das AG hat gegen ihn einen Geldbuße in Höhe von 450 DM festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Die tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. §§ 41 II Nr. 7, 49 III Nr. 4 StVO, 24 StVG. Das Urteil enthält zwar keine Feststellungen zur Durchführung der Radarmessung. Dies ist hier jedoch entbehrlich, da der Betroffene glaubhaft geständig ist, die Geschwindigkeit in der von der Polizei gemessenen Höhe überschritten zu haben; ein glaubhaftes Geständnis bedarf keiner weiteren Überprüfung (Lit.).

Der Betroffene wollte zwar nach seiner unwiderlegten Einlassung einen im Koma liegenden Wellensittich retten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war deshalb jedoch nicht wegen Notstands gem. § 16 OWiG gerechtfertigt. Diese Vorschrift setzt voraus, daß bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützt Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. In diese Erwägungen sind auch die Rangordnungen der betroffenen Rechtsgüter einzubeziehen. Steht z.B. - wie hier - die Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit die Gefahr für Leib und Leben von Menschen auf dem Spiel, so tritt demgegenüber die Rettung eines Tieres grundsätzlich zurück. Der Beweggrund, ein erkranktes Tier möglichst rasch zu behandeln zu lassen, rechtfertigt daher die Verletzung von Sicherheitsvorschriften im Straßenverkehr, zu denen auch Geschwindigkeitsbeschränkungen gehören, regelmäßig nicht (Lit.). Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h war nicht wegen Rettung eines Wellensittichs gerechtfertigt.

Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß der Betroffene schon zur Tatzeit der Auffassung war, in Fällen vorliegender Art sei eine Geschwindigkeitsüberschreitung gerechtfertigt. Dieser Verbotsirrtum führt jedoch zu keiner anderen Beurteilung seiner Schuld. Die Fahrlässigkeitsschuld setzt zwar, wie die Schuld bei der Vorsatztat, das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit oder potentielles Unrechtsbewußtsein voraus (Lit.). Der Fahrlässigkeitstäter darf auch, was sein potentielles Unrechtsbewußtsein anbelangt, nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß er nur fahrlässig handelt; was ihm bei vorsätzlichem Verhalten in der Form eines vermeidbaren oder unvermeidbaren Verbotsirrtums zugute käme, muß auch im Falle bloß fahrlässigen Verhaltens entlastend wirken, so da unvermeidbarer Verbotsirrtum die Ahndung bewußt oder unbewußt, fahrlässiges Handeln ausschließt (Lit.). Hier liegt jedoch kein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor, weil der Betroffene bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte wissen können, daß die möglichst rasche Behandlung eines erkrankten Tieres Geschwindigkeitsüberschreitungen regelmäßig nicht rechtfertigt.

 

AG Winsen/Luhe, Urt.v. 28.4. 1999 - 16 C 602/99

 

Abstellen von Kinderwagen im Hausflur

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nur zum Teil begründet.

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend einfach "Klägerin" genannt) hat gegen die Verfügungsbeklagte (nachfolgend "Beklagte" genannt) nur einen Anspruch darauf, dass sie Besuchern nicht gestattet, im Hausflur einen Kinderwagen abzustellen.

Soweit die Klägerin sich auf Abschnitt II.2 der Hausordnung für ihren Anspruch stützt, dass die Beklagte im Treppenhaus ihren Kinderwagen nicht abstellt, geht dieses fehl. Danach ist das Abstellen von Kinderwagen und anderen Gegenständen jeglicher Art untersagt, wenn dadurch das Treppenhaus und der Flur nicht mehr den Zweck als Fluchtweg erfüllen kann. Das Abstellen von Kinderwagen ist daher nicht grundsätzlich untersagt, sondern nur dann, "wenn dadurch das Treppenhaus und der Flur nicht mehr den Zweck als Fluchtweg erfüllen kann". uch wenn der Kinderwagen der Beklagten im Treppenhaus steht, ist das Treppenhaus weiterhin als Fluchtweg grundsätzlich geeignet. Das Gericht verkennt aber nicht, dass durch jeden Gegenstand im Treppenhaus die Eignung als Fluchtweg tangiert wird. Auch durch einen in einer Ecke stehenden kleinen Blumenständer kann sich eine Einschränkung der Eignung ergeben, denn wenn jemand bei Nacht und ohne Beleuchtung (die durch ein Feuer ausgefallen sein kann) die Treppe hinabeilt, kann diese Person den Blumenständer umstoßen und dadurch über den Blumenständer fallen, was ihm die Flucht massiv erschweren würde.

Deswegen unterliegt das Verbot, den Kinderwagen im Treppenhaus abzustellen, der Abwägung, und zwar der drohenden Nachteile für die Sicherheit der Bewohner einerseits und jener Nachteile andererseits, die sich für den mit dem Verbot belegten Bewohner ergeben. Hierbei muß sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientiert werden.

Soweit die Verwalterin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, die Beklagte hätte sich doch eine Garage anmieten können, um dort den Kinderwagen abzustellen, ist dieses abwegig. Garagen werden entweder als Lagerraum für große Mengen Gutes oder zum Abstellen von großen Wagen jeder Art benutzt. Darunter fällt ein Kinderwagen - selbstverständlich - nicht.

Die Beklagte ist (alleinerziehende) Mutter von vier Kindern. Ihr Interesse geht dahin, den Kinderwagen nicht jeweils (alleine) in ihre Wohnung hochtragen zu müssen. Bei der Treppe handelt es sich um eine steile, hohe Treppe. Die Beklagte ist - was die Kläger bei Abschluss des Mietvertrages wusste - eine eher schmächtige Persönlichkeit. Jeweils den Kinderwagen alleine die Treppe hochwuchten zu müssen, stellte deshalb eine nicht unerhebliche Belastung für sie dar. Ihr Interesse wiegt gewichtiger als das Interesse der Kläger.

Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Gerade in letzter Zeit hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die besondere Schutzwürdigkeit der Familie mit Kindern betont. Für jedes Gemeinwesen stellt eine Familie mit Kindern ein hohes Gut dar. Kinder sind die Zukunft einer Gesellschaft. Wenn keine Kinder mehr vorhanden wären, würde unser Rentensystem völlig zusammenbrechen, heute erwachsene Personen würden ohne jegliche Altersversorgung dastehen, weil unser Rentensystem auch darauf beruht, dass spätere Generationen für die dann in Rente befindlichen Personen die Rente einzahlen. Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft ist deshalb nicht nur etwas, was in feierlichen Reden eingefordert werden darf, Kinderfreundlichkeit ist im täglichen Leben, in der täglichen Praxis auch zu leben. Die Gesellschaft (und damit auch die Klägerin als Teil dieser Gesellschaft) hat daher die Verpflichtung, Müttern keine unnötigen Belastungen aufzuerlegen, d.h. ihnen das Leben nicht schwerer zu machen, als dieses unbedingt notwendig ist, insbesondere wenn Rechte Dritter nicht nachhaltig beeinträchtigt werden.

Die Beeinträchtigung durch das Abstellen des Kinderwagens ist für die Klägerin allenfalls sehr gering. Dieses gilt insbesondere, wenn der Blumenständer entfernt wird und deshalb der Kinderwagen ganz in die Ecke geschoben werden kann. Dann ist der Kinderwagen gänzlich aus dem Fluchtweg der Mieter der unteren Wohnung entfernt. Oben wohnt nur die Beklagte selbst (mit ihren Kindern).

Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Zustand "Kinderwagen im Treppenhaus" um einen vorübergehenden Zustand handelt. Der Kinderwagen wird bald durch eine Kinderkarre ersetzt werden können, die auch nur eine begrenzte Zeit benötigt wird. Eine Kinderkarre ist kleiner als der Kinderwagen. Die Raumeinschränkung ist dann noch geringer.

Unter diesem Gesichtspunkt widerspricht es Treu und Glauben, wenn von der Beklagten verlangt werden würde, den Kinderwagen nicht im Flur vorübergehend abzustellen, d.h. jeweils in das obere Stockwerk (alleine) hochzuwuchten. Treu und Glauben verpflichtet die Klägerin (trotz einer entsprechenden Passage in der Hausordnung) die - allenfalls geringfügige und zeitlich begrenzte - Beeinträchtigung durch einen abgestellten Kinderwagen im Treppenhaus zu dulden. Soweit die Klägerin darauf hinweisen sollte, dass der Blumenständer nicht von ihr sondern von den unteren Mietern aufgestellt worden ist, sei angemerkt, dass die unteren Mieter keinen Anspruch darauf haben, im Treppenhaus einen Blumenständer aufzustellen. Ein "uneinschränkbares Gewohnheitsrecht" ist nicht gegeben.

Diese Ausführungen gelten jedoch nicht gleichermaßen für durch Besucher der Beklagten abgestellte Kinderwagen/-karren. Zum einen stehen dann zwei Kinderwagen bzw. ein Kinderwagen und eine Kinderkarre oder zwei Kinderkarren im Flur. Dadurch wird die Räumlichkeit deutlicher eingeschränkt und die Bewegungsfreiheit im Flur, damit auch der Fluchtweg merklicher beschränkt. Auf der anderen Seite sind - wenn Besuch kommt - dann mindestens zwei Erwachsene vorhanden, nämlich die Beklagte und die Besucherin oder der Besucher, die den Kinderwagen oder die Kinderkarre des Besuchs in das erste Stockwerk tragen können. Für die Besuchszeit ist der Beklagten auch zuzumuten, die Kinderkarre der Besucherin in der Wohnung abzustellen, sei es, dass sie diese noch in den Abstellraum "quetscht", sei es, dass sie die Karre im großräumigen Flur der Wohnung abstellt. Durch das Hinauftragen und das Hinuntertragen ergibt sich unter Berücksichtigung der zusätzlichen Beeinträchtigung des Fluchtweges weder für die Beklagte, noch ihren Besuch eine unzumutbare Belastung.

 

 

AG Northeim, Urt. v. 2. 10. 1995 - 3 C 420/95, NJW 1996, 1144

 

Fängt jemand eine frei umherlaufende Kuh ein und wird hierbei sein Pkw von der Kuh beschädigt, steht ihm aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Eigentümer der Kuh kein Anspruch auf Erstattung seines Pkw-Schadens zu. (Leitsatz der NJW-Redaktion)

Zum Sachverhalt: Der Kl. beruft sich auf einen Schadensersatzanspruch und trägt dazu folgendes vor: Am Sonntag, den 11. 9. 1994 sei es geschehen, dass sich eine Kuh des Beil. Verselbständigt hatte und in der Gemarkung sichtlich doch mehr oder minder verstört herumgeirrt sei. Es habe sich um eine schwarzbunte Kuh gehandelt. An diesem bewussten Tage sei der Kl. zusammen mit seiner Ehefrau in seinem Pkw den Rübenschnellweg gefahren. Sie hätten irgendwo anhalten und ihren im Pkw mitgeführten Schäferhund in der Gemarkung ausfahren wollen. Unterwegs seien sie auf die oben schon erwähnte Kuh gestoßen. Diese hätte es sich am Wegesrand bequem gemacht, d. h. sie habe sich hingelegt. Für den Kl. und seine Ehefrau sei sofort klar gewesen, dass diese Kuh nun zwar nicht herrenlos, wohl aber ihrem Herrn offenkundig davongeeilt gewesen sei. Sie habe sich nämlich nicht auf einer Weide befunden. Der Kl. sei sich im klaren darüber gewesen, dass er zusammen mit seiner Ehefrau, noch dazu gewissermaßen belastet durch seinen im Inneren des Pkw sitzenden Schäferhund, zunächst nichts würde ausrichten können. Der Kl. sei daher mit dem Pkw zurück nach E. gefahren. Dort sei er zunächst auf den Bauern Ko getroffen. Diesem habe er von seinem "Fund" berichtet. Bauer Ko habe beizusteuern gewusst, dass eine Kuh in der Gemarkung schon am Samstag gesehen worden sei. Ihm, K, würde die Kuh nicht gehören. Weitere Erkundigungen des Kl. nach dem Eigner der Kuh in E. seien ergebnislos verlaufen. Der Kl. habe daraufhin die Polizei angerufen und dieser gegenüber sein sonntägliches beunruhigendes Ereignis von der am Wegesrand sich selbst überlassenen Kuh berichtet. Die Polizei habe ihm telefonisch empfohlen, dass er doch so freundlich sein möge, nach Möglichkeit das Tier dingfest zu machen, weil dieses Tier einen Gefahrenherd bilde. Es sei nicht auszudenken gewesen, so trägt der Kl. weiter vor, wenn die Kuh etwa auf die nahegelegene Bundesstraße sich verirrt hätte. Der Kl. jedenfalls habe sich gegenüber dem Ansinnen der Polizei nicht verschlossen gezeigt. Die Polizei, mit der er einen Treffpunkt in der Gemarkung vereinbart hatte, habe versprochen, alsbald zu erscheinen.

In E. habe der Kl. bei dem ihm bekannten Ka eine Kuhkette organisiert. Mit dieser Kuhkette sei er zurück in die Feldmark gegangen, um die streunende Kuh gewissermaßen dingfest zu machen. Nach ca. einer halben Stunde hätten sie das Tier unweit der Stelle gefunden, wo es zuvor der Kl. mit seiner Ehefrau gesehen hatte. Es sei nun nicht so einfach gewesen, die Kuh zu bändigen. Schließlich sei es ihnen doch gelungen. Die Kuh sei mit vereinten Kräften an die Kette gelegt und die Kette am Pkw des Kl. befestigt worden. Als dann habe man mit dem Pkw samt der hinten angeketteten Kuh, wie auch unter Zuhilfenahme menschlicher Schubkraft -das Anschieben einer sich weigernden Kuh müsse auch gelernt sein - den Feldweg in Richtung E. zurückgelegt, wo man erfreulicherweise ohne wesentliche Zwischenfälle den Hof des Bauern K erreicht habe. Der Kl. habe nun gehofft, die inzwischen ihm schon lästig gewordene Kuh loszuwerden. Leider habe der Landwirt K in seinen Stallungen keinen Platz mehr frei gehabt. Auch andere in E. angesprochene Landwirte hätten sich leider unkonziliant gezeigt. Er habe zunächst nicht gewusst, was nun mit der Kuh geschehen sollte. Niemand habe ihm sagen können, wer denn nun der Besitzer des Tieres gewesen sei. Er, der KI., und seine Helfer hätten sich in einer nahezu recht ausweglosen Lage befunden. Die Kuh sei zu diesem Zeitpunkt immer noch an seinem Fahrzeug befestigt gewesen. Man habe sich schließlich dahingehend geeinigt, dass die Kuh vorübergehend erst einmal auf einer nahe der Scheune des Landwirts K gelegenen Rasenfläche angepflockt werden könne. Sie hätten allerdings vergessen, die Kuh rechtzeitig in die Planung mit einzubeziehen. Die Kuh habe etwas dagegen einzuwenden gehabt. Es habe den Anschein erweckt, als ob sich der Kuh natürliche Ängste bemächtigten. Als jedenfalls der Zeuge Ka die Kuh vom Fahrzeug des Kl. in der besten Absicht zu dem aufgezeigten Zwecke habe abbinden wollen, habe diese sich plötzlich wie toll gebärdet. Sie habe ihren Kopf und Oberkörper wild bewegt und mit ihren Hufen in Richtung des Zeugen Ka geschlagen, der sich man gerade noch habe in Sicherheit begeben können. Der Pkw des Kl. indessen sei den überraschenden Angriffen der Kuh ausgesetzt worden und habe einiges ertragen müssen. Der Pkw des Kl. sei dabei an einigen Stellen eingebeult worden. Damit sei für den Kl. dieser Sonntag "gelaufen" gewesen. Zwar sei es dann noch mit vereinten Kräften gelungen, die Kuh, wie ursprünglich beabsichtigt, auf eine nahegelegene Wiesenfläche zu verbringen und dort auch festzumachen. Kurz danach sei die Polizei auf der Bildfläche erschienen, die ja ihre Hilfe zugesagt hatte. Aufgrund einer im Ohr der Kuh befindlichen Ohrenmarke habe man den Bekl. als Halter der Kuh ermitteln können. Er, der KI., habe dem Bekl. gegenüber seinen Schaden angemeldet. Die Haftpflichtversicherung des Bekl. weigere sich doch, seinen Schaden auszugleichen. Lediglich habe die Versicherung den Pkw des Bekl. nach diesem Vorfall begutachten lassen. Aufgrund der Schadensschätzung betrage der Schaden am Pkw des Kl. 1.187,98 DM. Mehr wolle der Kl. auch nicht geltend machen, obschon er, wie er meint, dazu berechtigt sei. Man müsse auch einmal daran denken, dass ihm die sonntägliche Freude jedenfalls für den Rest des Tages gänzlich vergrellt gewesen sei; schließlich habe er, wie er vorträgt, am Sonntag sicherlich etwas Besseres zu tun gewusst, als unnützen Zeitaufwand für eine fremde Kuh zu investieren.

Aus den Gründen:

Wie man es auch dreht und windet,
die Klage, sie ist nicht begründet.

Zwar hat der KI., wie man sieht,
sich redlich um die Kuh bemüht.
Nun ist jedoch in dem Geschehen
nicht zu erkennen und zu sehen,
was der Jurist Geschäfte nennt,
die ohne Auftrag man auch kennt,
wenn sie geführt von fremder Hand,
Gefahr zu bannen, die bekannt
(§§ 677, 680 BGB).

Der Tatbestand lässt deutlich werden,
man macht sich selber oft Beschwerden.

Eine Kuh am Wegesrand,
wiederkäuend sich vergnügend,
sonntäglichen Frieden liebend,
wird vom Kl. hier verkannt.

Wo ist die Gefahr ersichtlich,
die der Kl. hier gerichtlich
festzustellen sich bemüht?
Ach, es ist ein altes Lied!

Die Polizei war informiert,
nur kurzfristig nicht orientiert,
sie hätte aber unumwunden
die Kuh am Wegesrand gefunden,
und Rat gewusst, wie man das Tier
befrieden kann im Felde hier.

Warum nun Pkw und Kette,
warum des Schiebens große Müh?
Dabei gibt es doch ganz nette
Transportgeräte für das Vieh.

Die Kuh, vielleicht mit Namen Liese,
träumte noch von jener Wiese,
wo sie der Kl. aufgespart,
nun fremdem Hofe zugeführt.

"So geht mein Herr nicht mit mir um"
macht deutlich sie dem Publikum,
das nun auf Landwirts Kses Hofe
versammelt ist mit Knecht und Zofe.

Sie ist verschreckt, geschockt, verstört
und reagiert, sie ist empört.
Nur deshalb regt sich Kopf und Klaue,
die Kuh hat Angst, dass man sie haue.
Denn alles, was bisher geschehen,
es war nicht gut, es war nicht schön.

Wer kennt die Psyche einer Kuh,
wenn sie aus sonntäglicher Ruh'
auf einen fremden Hof gebracht,
ja, wer kennt da des Rindviehs Macht.
Sie spürte, wie die fremden Stimmen
in ihr Kuhgemüt eindringen,
sie fürchtete nur um ihr Leben,
dies muss man doch der Kuh vergeben!

Deshalb die Tritte und das Weh
am frischpolierten PeKaWe.
Der Kl. hätte nichts verbockt,
hätt' er die Kuh dort angepflockt,
am Wegesrand, am Wiesenrain,
des Nachmittags im Sonnenschein.

Sein Pkw in altem Glanz
wär nicht verbeult, er wäre ganz.

Der Kl. hat, wie's oft passiert,
ein wenig überreagiert.

Er hat es sicher gut bedacht,
als er die Kuh ins Dorf gebracht.
Doch tat ihm dieses gar nichts nützen,
er bleibt jetzt auf dem Schaden sitzen
und muss, das bleibt auch ohne Fragen,
für diesen Fall die Kosten tragen (§ 91 ZPO).

Der Kosten wegen, wie sich's frommt,
vorläufig die Vollstreckung kommt,
wenn der Bekl. seine Kosten
zusammenstellt als offne Posten.
Auch wenn's den Kl. nicht ergötzt,
geschrieben steht dies im Gesetz
(§ 708 Nr. 11 ZPO).

 

AG Düren, Urt. v. 13. 10. 1999 - 47 C 301198, NJW 2001, 901

 

Rinderwahnsinn

Sachverhalt:

Die Kl. war bei dem Bekl., einem Facharzt unter anderem für Hauterkrankungen, in ärztlicher Behandlung und ließ am 20. 8. 1996 einen Allergietest durchführen. Im Vorfeld dieses Tests teilte sie dem Bekl. mit, dass sie Vegetarierin sei. Daraufhin strich der Bekl. die Fleischsubstanzen aus dem durchzuführenden Testprogramm. Dennoch wurden der Kl. durch die Zeugin W, einer Arzthelferin des Bekl., mehrfach Fleischlösungen, die unter anderem Rind-, Schaf- und Schweinefleisch enthielten, von insgesamt 0,05 ml etwa 1/4 mm unter die Haut gespritzt. Der Bekl. entschuldigte sich bei der Kl. hierfür. Die Kl. behauptet, sie sei seit 1989 Vegetarierin. Zudem lebe sie seit diesem Test in großer Sorge, mit BSE-Erregern infiziert zu sein, die bei ihr zu einer Erkrankung mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führen könnten. BSE sei nämlich auf den Menschen übertragbar. In Folge dieser Sorge und der Infektionsgefahr leide sie an ständigen Angstzuständen, die zu Schlafstörungen, Bluthochdruck, Magenschmerzen und Sodbrennen geführt hätten. Die Kl. hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 DM für angemessen. Wegen möglicher zukünftiger Schäden sei auch nach ihrer Meinung ihr Feststellungsantrag zulässig und begründet.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Kl. steht weder ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nach §§ 847 I, 831 I BGB zu, noch hat der Feststellungsantrag, der sich auf positive Forderungsverletzung eines Dienstvertrags i.V. mit § 278 BGB und auf § 831 I BGB stützen könnte, Erfolg.
Zwar liegt durch das Einspritzen der Fleischlösung gegen den ausdrücklichen Willen der Kl. eine Körper- und Persönlichkeitsverletzung im Sinne des Deliktsrechts sowie eine Pflichtverletzung im Sinne einer positiven Forderungsverletzung vor. Doch sind die daraus resultierenden Folgen - nämlich unter anderem Angstzustände, Schlafstörungen und eine mögliche Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung -, die bei der Kl. eingetreten sind oder werden, was das Gericht als wahr unterstellt, dem Bekl. nicht zurechenbar. Die Kl. hat den ihr insofern obliegenden Beweis nicht erbracht. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest.
Für das Eingreifen des Kriteriums der Zurechenbarkeit ist es nicht allein erforderlich, dass im Sinne einer äquivalenten Verursachung eine Bedingung vorliegt, ohne die das schädigende Ereignis oder die schädigende Folge nicht eingetreten wäre. Vielmehr bedarf es einer wertenden Betrachtung im Sinne der Adäquanz und des Schutzzweckszusammenhangs (so bereits BGHZ 18, 286 [2881 = NJW 1955, 1876; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. [1999], Vorb. § 249 Rdnrn. 58, 62). Insofern ist eine Prognose erforderlich, ob das Ereignis aus Sicht eines optimalen Beobachters im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (BGH, NJW 1998, 138 [140]; VersR 1976, 639 [640]; BGHZ 57, 131 [14 11 = NJW 1972, 2 10; Palandt/Heinrichs, Vorb. § 249 Rdnr. 59). Auch (unangemessene) psychische Reaktionen können in diesem Sinne kausal sein (vgl. BGHZ 132, 341 [344 ff.] = NJW 1996, 2425), ebenso wie die Verwirklichung einer möglichen Gefahr auf ungewöhnliche Weise, etwa wenn bei einer Impfung die Schadenswahrscheinlichkeit geringer als 0,01 % war (so BGHZ 18, 286 [288], = NJW 1955, 1876; Palandt/Heinrichs, Vorb. § 249 Rdnr. 60). Die Grenze der Zurechnung ist jedoch dann überschritten, wenn die psychische Reaktion im konkreten Fall in einem groben Missverhältnis zum Ereignis steht und schlechterdings nicht mehr verständlich ist (BGHZ 132, 341 [346] = NJW 1996, 2425). Zur Beurteilung dessen ist eine wertende Beurteilung notwendig (so bereits BGHZ 18, 286 [288] = NJW 1955, 1876), bei der berücksichtigt werden muss, dass jenseits einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrenze für schädigende Auswirkungen eine haftungsrechtliche Verpflichtung entfällt (so zu Recht BGH, VersR 1976, 639 [640]).
Den Nachweis dieser erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen Schädigung und als wahr unterstellten Folgen hat die Kl. nicht erbracht. Die sicherlich bestehende äquivalente Kausalität reicht hierzu nicht aus. Der Sachverständige Prof. Dr. R, dessen Feststellungen sich das Gericht zu eigen macht, hat in seinem überaus detaillierten, präzisen und überzeugenden Sachverständigengutachten bereits festgestellt, dass es noch keinen endgültigen Nachweis dafür gibt, dass BSE-Erreger überhaupt auf den Menschen übertragbar sind. Zwar spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür. Doch ein letzter Nachweis existiert dafür nicht. Aber selbst wenn man diesen Nachweis als gegeben ansehen wollte, tritt eine Erkrankung der Kl. im ungünstigsten Fall mit einer Wahrscheinlichkeit auf, die effektiv mit Null gleichzusetzen ist.
Insofern kann die Erkrankung der Kl. praktisch nicht eintreten, selbst wenn ein besonders eigenartiger und unwahrscheinlicher Verlauf eintreten sollte- Kann aber schon eine Erkrankung auf Grund des Allergietests nicht eintreten, sind die als wahr unterstellten Angstzustände der Kl., die auf Grund der Infektionsgefahr entstanden sein sollen, aus Sicht eines optimalen Beobachters schlechterdings nicht verständlich und nachvollziehbar. Da nämlich keine Erkrankung auf Grund des Tests geschehen kann, dürfen bei der Kl. auch keine Ängste vor einer solchen bestehen. Außerdem tritt noch hinzu, dass nach den außerordentlich klaren und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen die Wahrscheinlichkeit um den Faktor 1000 höher ist, dass die Kl. sich vor ihrer Zeit als Vegetarierin - auch diese Behauptung wird zu Gunsten der Kl. als wahr unterstellt - infiziert hat als durch den Test beim Bekl. Insofern ist ihr ebenfalls der Nachweis der Kausalität hinsichtlich einer Handlung des Bekl. nicht gelungen. Eine Beweislastumkehr zu Gunsten der Kl. kann auch nicht eingreifen, da der Bekl. bzw. seine Arzthelferin nicht grob sorgfaltswidrig gehandelt haben. Hierfür fehlt jeglicher Anknüpfungspunkt.
Der Einstich beim Einspritzen der Testlösung selbst stellt freilich grundsätzlich eine schmerzensgeldauslösende deliktische Handlung dar, da er gegen den Willen der Kl. erfolgt ist. Insofern liegt sowohl eine Körperverletzung als auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kl. vor. Trotzdem führt dieser Umstand nicht dazu, der Kl. ein Schmerzensgeld zuzusprechen. Denn die Piekser an sich und die daneben bestehende Persönlichkeitsverletzung stellen Bagatellverletzungen dar, die nicht ersatzfähig sind. Das Gericht schließt sich hinsichtlich der fehlenden Ersatzfähigkeit von Bagatellverletzungen der, überzeugenden herrschenden Ansicht an (vgl. hierzu Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. [1986], § 847 Rdnr. 4 in. w. Nachw.). Eine solche Verletzung ist dann anzunehmen, wenn das körperliche Wohlbefinden nur ganz vorübergehend und in ganz unbedeutendem Umfang beeinträchtigt ist (vgl. nur LG Aachen, Vers11 1983, 45). Die Durchführung des Tests selbst hat die Kl. nicht in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt. Das behauptet sie auch selbst nicht, da es ihr nur um die Folgen geht. Auch der dem § 847 1 BGB zu Grunde liegende Gedanke der Genugtuung ist vorliegend insofern nicht schmerzensgeldbegründend, da der Bekl. sich bei der Kl. entschuldigt hat. Diese Entschuldigung reicht aus, um die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung bei dem gegen den Willen der Kl. durchgeführten Test mit Fleischlösungen aufzuwiegen.

 

AG Oldenburg, Urt.v. 16.3.1987 – 3 C 443/86, SchlHA 1987, 115

 

Oldenburger Schweinemastprozess

Tatbestand:

Die Klägerin liebt Schweinebraten –
besonders, wenn er billig ist -,
drum hat der Onkel ihr geraten:
„Kauf dieses süße Ferkelchen
von mir für hundert Märkelchen –
wenn das nicht superbillig ist! –
ich mäste es im Koben hier
und du ersetzt das Schrotgeld mir!“
Der Freund, befragt, hält’s auch für billig
und einen guten Tip fürwahr,
und ohne Murren zahlt er willig
zweihundert Mark gleich schon in bar.

Das Ferkelchen bleibt lange klein,
will gar nicht gerne schlachtreif sein,
statt nur vier Monat, wie gedacht,
benötigt es beinahe acht.
Ums Schrotgeld nun für diesen Braten
ist man sich in die Haar’ geraten.
Fürs Angebot, das sie gemacht,
hat sie der Onkel ausgelacht:
„Noch zwanzig Mark, das reicht nicht aus,
dann bleibt das Schwein bei mir im Haus.
Ich werd’ es für mich selber schlachten
und in die Tiefkühltruh’ verfrachten!“
so spricht der Onkel, der besagte,
im Rechtsstreit nunmehr der Beklagte.
Gesagt getan, das fette Schwein,
passt grad noch in die Truhe rein!

Die Klägerin, nun voller Groll,
beantragt: Der Beklagte soll
ihr gutes Geld ihr wieder geben,
nachdem das Schwein nicht mehr am Leben!
Doch der Beklagte wendet ein:
„Die Klag’ wird abzuweisen sein.
Den Preis hat mir der Freund entrichtet
und ihm allein bin ich verpflichtet,
und außerdem rechne ich auf
mit meinem Schaden aus dem Kauf!
Viel Arbeit und der Schlachterlohn,
das kost’ zweihundert Märker schon.“

Von all den Zeugen, die gekommen,
hat das Gericht nur drei vernommen.
Sie wussten alle gut Bescheid
und dienten der Gerechtigkeit.

 

Entscheidungsgründe

Lang dacht’ ich nach und angespannt
und hab’ alsdann für Recht erkannt:

Zur Hälfte ist wohl grade eben
dem Klagantrag hier stattzugeben.

Die Klägerin war mit dabei
bei Schweinekauf und –mästerei,
die Geldhingabe nur allein
kann doch wohl nicht entscheidend sein.
Es muss ihr unbenommen bleiben,
das Geld nun wieder einzutreiben.

Sie hat ja auch ein Recht darauf,
weil er erfolglos blieb, der Kauf.
Doch dem Beklagten umgekehrt,
ist es mit Recht dann nicht verwehrt,
zu rechnen auf mit dem Verluste,
den er dabei hinnehmen musste:
denn Fleischbeschau und Schlachterkosten,
das sind ja wohl die beiden Posten,
die eigentlich und immerhin
bezahlen müsst’ die Klägerin.
Hätt’ die Vertragspflicht sie gewahrt,
dann hätte er das Geld gespart.

Weil keine hat gewonn’ von beiden,
drum haben – das ist einzusehn –
sie beide auch gleich stark zu leiden
und für die Kosten einzustehn.
An das Gericht zahlt jeder zwar
die Hälfte nur von den Gebühren,
doch seinem Anwalt – das ist zu spüren –
zahlt jeder selbst das volle Honorar.

So wurde aus dem Ferkelchen
für ach nur hundert Märkelchen
- so billig sollt’ es sein -
ein furchtbar teures Schwein!

Und die Moral von der Geschicht:
Um Kleinigkeiten streit’ man nicht,
zieh’ jedenfalls nicht vors Gericht!
Das gilt nicht nur in diesem Fall,
das gilt beinahe überall.
Sonst kann Gerechtigkeit auf Erden
ganz unerfreulich teuer werden! 

 

Anmerkung dazu von Sympher, SchlHA 1987, 131:

Schade, daß der Schweine-Zwist
nicht berufungsfähig ist.
Wenn man die Sache recht betrachtet,
hat B. der KLÄG'RIN Schwein geschlachtet (§ 930 BGB)
und hat aus diesem Grunde eben
das Schweinefleisch herauszugeben.
950 greift nicht ein;
es gilt der Grundsatz: Schwein bleibt Schwein.

Geld gibt's auch sonst nicht, B. steht's zu
für Kauf nebst Dienstvertrag dazu;
er hätt's mit Recht selbst dann kassiert,
wär's Ferkelchen am Schlag krepiert.
Drum wird der Einwand nicht geduldet,
B. habe 'nen Erfolg geschuldet;
im alten Rom schon galt der Schluß,
daß "Casum sentit dominus".
Auch hat B. nicht das Schwein beschädigt (§ 249 BGB),
es ward programmgemäß erledigt;
auch deshalb schuldet B. nur Fleisch.

Doch falls Beklagter auf dem Posten,
macht er für Schlacht- und Zusatzkosten
- falls's Ferkel schuldlos (?) wuchs so schlecht -
hier geltend ein Rückhalte-Recht.
Neumünster hätte das gerochen
und Zug um Zug FLEISCH zugesprochen.


 

LAG Chemnitz, Urteil vom 6.4. 1993 - 1 Sa 10/93, RAnB 1993, 108

 

Tatbestand und Entscheidungsgründe:
In Anbetracht dessen, daß die am 25.10.1939 geborene, geschiedene Klägerin seit Oktober 1966 bei der Beklagten als Hortnerin tätig war, ihr am 31.03.1992 zum 30.09.1992 mit Wirkung ab 01.10.1992 eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung mit 30 Wochenstunden ausgesprochen wurde, sie dies nur unter Vorbehalt annahm, und am 14.04.1992 hiergegen Klage erhob, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß gehört sei sowie die Sozialauswahl falsch sei,

sie demgemäß beantragt hat, die Änderungskündigung für ungerechtfertigt zu erklären und

Abweisung der Klage von der Beklagten beantragt worden ist,

weil die Zahl der zu betreuenden Kinder von 35 auf 20 gesunken sei und entweder eine Hortnerin hätte entlassen werden oder beide auf 30 Stunden hätten herabgesetzt werden müssen und das im Einverständnis des Personalrats geschehen sei, die Beklagte am 12.01.1993 Berufung gegen das am 23.12.1992 zugestellte, der Klage wegen unzureichenden Vortrags zur Anhörung des Personalrats stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt und am 11.02.1993 - nach Verlängerung der Frist bis zum 12.03.1993 - begründet hat unter Wiederholung ihres Vorbringens nunmehr beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen und

Zurückweisung der Berufung von der Klägerin beantragt wird,

weil die Sozialauswahl falsch sei, da sie ältere Rechte als die erst seit 13 Jahren beschäftigte 32 Jahre alte Kollegin habe, war nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Personalrätin Zeugin B zu entscheiden, daß die Klage unbegründet ist, nachdem auf Grund der Beweisaufnahme feststeht, daß die Personalratsanhörung rechtzeitig, vollständig und deshalb ordnungsgemäß war, der starke Rückgang der Kinderzahl eine Herabsetzung der Betreuungskräfte auch aus Kostengründen erforderlich machte und nach der Bedarfskündigungsregelung des Einigungsvertrages Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 2 bis zum 31.12.1993 eine Herabsetzung der Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst erleichtert möglich ist, diese Regelung auch für die Änderungskündigung gilt und § 1 KSchG ersetzt sowie eine gleichmäßige Herabsetzung der Arbeitszeit für beide Hortnerinnen einer vernünftigen Auswahl und Regelung entspricht, zumal die Klägerin zwar älter und länger beschäftigt, die Kollegin aber verheiratet ist und zwei Kinder hat, so daß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage mit der Kostenfolge des 91 ZPO abzuweisen und die Revision nicht zuzulassen war, da es sich um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, und folglich nur auf die Nichtzulassungsbeschwerde des § 72 a ArbGG hinzuweisen ist.

Die RAnB-Redaktion verfasste eine entsprechende Anmerkung dieses Urteils:
In Anbetracht dessen, daß es sich bei dem vorstehend wiedergegebenen Text um die wörtliche Abschrift eines der Redaktion in Ablichtung vorliegenden Original-Urteils eines Landesarbeitsgerichts handelt, also ein etwaiges Haareraufen seitens des Lesers nicht zu Lasten der Redaktion gehen kann, da diese lediglich der Chronistenpflicht nachgekommen ist, stellt sich die Frage, ob ein solchermaßen abgefaßtes Urteil, dessen Darstellung von Tatbestand und Entscheidungsgründen auf ein zumindest eigenwilliges Verständnis des § 313 Abs. 1 Nr. 5 und 6 ZPO seitens des Urteilsverfassers schließen läßt, im Interesse der Prozeßparteien liegt, wobei insbesondere an die unterlegene Partei zu denken ist, der angesichts des auf dem Urteil beruhenden teilweisen Verlustes des Arbeitsplatzes und damit ihre Existenzgrundlage sowie im Hinblick auf die in den neuen Bundesländern insbesondere für ältere Arbeitnehmer generell schwierige Arbeitsmarktsituation wahrscheinlich der Sinn nicht nach philologisch-juristischer Erbauung durch einen iuris legumque peritus (Hor. serm. I 1,9) westdeutscher Provenienz steht, die vielmehr angesichts der Urteilsbegründung, die in ihrer Syntax für einen juristischen Laien kaum nachzuvollziehen ist, berechtigte Zweifel daran haben kann, ob die für das Streben des erkennenden Gerichts nach einer gerechten Entscheidung erforderliche Energie nicht teilweise in ein solches nach sachfremder judikatorischer Verbalartistik umgeleitet worden ist (vergl. die im Anschluß an die Veröffentlichungen des Urteils in BB 1993, 941 und DB 1993, 992 enthaltenen redaktionellen Hinweise), so daß sich schließlich der Gedanke aufdrängt, die vorliegende Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie den Anforderungen des § 313 Abs. 3 ZPO genügt - oder ob sie i.S. von § 551 Nr. 7 ZPO "nicht mit Gründen versehen" und deswegen als revisibel anzusehen ist.

 

AG Offenbach a.M., Urteil vom 22. 5. 2002 - 39 C 6315/96, NJOZ 2005, 185

 

Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von der Bekl. Schadenersatz und Schmerzensgeld. Hierzu trägt er vor, von den drei Rauhhaardackeln der Bekl. gebissen worden zu sein. Die Bekl. wendet ein, eine Tierhalterhaftung scheide aus, weil der Kl. einen der Dackel zuvor getreten habe, so dass sich die anderen Tiere, die Tochter und Enkelin der getretenen Tiermutter seien, im Wege der „Nothilfe“ veranlasst gesehen hätten, ihrer Dackelverwandten zu helfen. Mit Beschluss vom 22. 4. 2002 hat das Gericht auf Folgendes hingewiesen:

„I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass dieses absolut ätzende ‚Horrorverfahren´ bereits seit mehr als 1½ Jahren das AG beschäftigt und sämtliche Dimensionen eines amtsgerichtlichen Verfahrens sprengt; der Umfang von bisher 240 Seiten übersteigt schon ein normales OLG-Verfahren; die Parteien reichen ständig neue Schriftsätze ein, insoweit steht es inzwischen 16:11 für den Kl. Dadurch wird dem Gericht jede Möglichkeit einer endgültigen, zeitaufwendigen Durcharbeit dieser entsetzlichen Akte und für die Absetzung einer Entscheidung genommen. Da die Sache nun wahrlich exzessiv ausgeschrieben ist, wird höflich darum gebeten, von weiteren Schriftsätzen Abstand zu nehmen, mit Ausnahme von konstruktiven Vergleichsvorschlägen, die allein noch sinnvoll wären. …“

Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Bekl. haftet als Tierhalterin gem. § 833 BGB auf Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe, weil zwischen den Parteien nicht ernsthaft im Streit ist, dass einer der Rauhhaardackel der Bekl. den Kl. gebissen hat. Das Gericht lässt es hier ausdrücklich offen, ob die drei Rauhhaardackel möglicherweise als Mittäter entsprechend § 830 BGB, § 25 II StGB gemäß vorgefasstem Beißentschluss gemeinschaftlich gehandelt haben, dies ist jedenfalls nicht streitentscheidend. So scheidet jeweils eine terroristische „Dackel“-Vereinigung gem. § 129a StGB aus, weil keine der genannten Katalogstraftaten verwirklicht ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Dackel insgesamt eine Großfamilie bilden, immerhin handelt es sich um Mutter, Tochter und Enkelin, es besteht also durchaus eine enge verwandtschaftliche Beziehung, der Solidarisierungseffekt ist groß. Das Gericht vermochte aber nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass Dackeltochter und Dackelenkelin im Wege der Dackel-„Nothilfe“ ihrer angeblich angegriffenen Dackelmutter bzw. -oma zu Hilfe kommen wollten, um diese vor den von der Bekl. behaupteten Tritten des Kl. mit beschuhtem Fuß zu schützen. Insoweit konnte auch kein - zwingend erforderlicher - Verteidigungswille bei den beiden jüngeren Dackeln festgestellt werden. Auch für Sippenhaftgedanken bzw. Blutrache haben sich keine genügenden Anhaltspunkte ergeben. Insgesamt hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass hier eine Provokation seitens des Kl. vorlag. Die vernommenen Zeugen haben teilweise den eigenen Vortrag der Bekl. so nicht bestätigt, teilweise haben sie auch nur auf Grund von Belllauten das Geschehen mitbekommen, sind also analog bei Verkehrsunfällen als so genannte „Knallzeugen“ zu qualifizieren, wobei ein gewisses Entgegenkommen der „Hausgemeinschaft“ nicht zu verkennen war, der Bekl. „zu helfen“.

Durch das erfolgte Beißen des Kl. durch Dackel hat sich die typische Tiergefahr realisiert. Das Gericht hat bereits im Termin auf die einschlägige Rspr. hingewiesen, dass in Fällen dieser Art jedenfalls immer die Tierhalterhaftung eingreift, wobei hier ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung auf Seiten des Kl. nicht festgestellt ist. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht die im Aufnahmebericht des Stadtkrankenhauses Offenbach attestierten Verletzungen zu Grunde gelegt. Diese sind allerdings nur als äußerst geringfügig anzusehen, sie hatten jedenfalls keine Folgen, sie bewegen sich im Bereich von Bagatellen, so wie dieser gesamte Prozess ja auch, was der Gesetzgeber in § 495a ZPO niedergelegt hat. Die oberflächlichen drei Schürfbisswunden rechtfertigen auch unter Einbeziehung der einschlägigen Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM. Hierbei ist auch festzustellen, dass die vom Kl. behauptete Arbeitsunfähigkeit von einer Woche nicht substanziiert nachgewiesen worden ist. Das Gericht hatte dem Kl. in der Ladungsverfügung aufgegeben, hierüber ein Attest vorzulegen, was er nicht getan hat. Des Weiteren verblieben gewisse Ungereimtheiten auf Grund der Behauptung der Bekl. und der hierzu vernommenen Zeugen, der Kl. sei durchaus in der Lage gewesen, Fahrrad zu fahren. All dies rechtfertigt jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM im Hinblick auf § 847 BGB unter Abwägung sämtlicher Umstände.

Gegen die weiter geltend gemachten materiellen Schäden hat die Bekl. nichts erinnert. Diese sind demgemäß in Höhe von 76,80 DM zu ersetzen. Gleiches gilt für den Zinsanspruch, der sich in gesetzlicher Höhe unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens als begründet erweist. Ergänzend wird wegen dieses spektakulären, für die deutsche Rechtsentwicklung bedeutenden Rechtsstreits auf die Darstellung in der Offenbach-Post vom 13. 2. 1997 Bezug genommen.

 

 

Der Russenpuff


ArbG Detmold, Urt.v. 23.8.2007 - 3 Ca 842/07 (NJW 2008, 782)

Gibt der Beklagte vor Gericht
weiter, quasi als Bericht,
dass er von Dritten mehrfach hörte,
wie die Klägerin sehr störte
durch ihr unsittliches Betragen
ohne dies zu hinterfragen,
so ist dies sein gutes Recht.
Um die Klage steht es schlecht:
Schmerzensgeld, das gibt es nicht
und auch keine Schweigepflicht.
(Leitsatz der NJW-Redaktion)

Der Streit entstand, weil der Beklagte
im Rechtsstreit vorzutragen wagte,
was nun der Klägerin sehr mißfällt.
Sie fordert deshalb Schmerzensgeld.
Dass der Beklagte schweigen soll
verlangt sie ferner voller Groll.
Was ist der Grund für ihre Klage?
Nun, der Beklagte hat in X.
einst einen Spielbetrieb besessen.
Die Klägerin ihrerseits indessen
erhielt - als Aufsicht eingesetzt -
für diese Tätigkeit zuletzt
als Stundenlohn, wie man das kennt
nur 7 Euro und 11 Cent.
Oft kamen dorthin manche Kunden
erst in den späten Abendstunden,
um sich - vielleicht vom Tagesstress -
beim Spielen auszuruh'n.

Indes behauptet nun der Beklagte,
dass es die Klägerin dann wagte,
so neben ihren Aufsichtspflichten
noch andere Dinge zu verrichten:
So habe sie sich nicht geniert
und auf dem Hocker masturbiert.
Was dabei auf den Hocker troff,
befände sich im Hockerstoff.
Die Spielbar sei aus diesem Grunde
als "Russenpuff" in aller Munde.
Er habe zwar nun dies Geschehen
nicht selbst vor Ort mit angesehen.
Doch hätten Zeugen ihm beschrieben,
was dort die Klägerin getrieben.
Er kündigte auf Grund der Kunde
der Klägerin aus anderem Grunde,
um - dies ließ er jedoch betonen -
den Ruf der Klägerin zu schonen.

Die Klägerin klagte dann sogleich.
Man einigte sich im Vergleich
- hier mag man die Parteien loben -
denn der Vertrag wird aufgehoben
und - um die Sache abzurunden -
die Klägerin noch abgefunden.

Der Klägerin reichte dies nicht hin,
denn ihr steht nach noch mehr der Sinn.
Sie habe nie vor all den Zockern
sich selbst befriedigt auf den Hockern.
Der Pein, die man ihr zugefügt,
der werde nur durch Geld genügt.
Die Lügen - für sie nicht zu fassen -
muss der Beklagte unterlassen.

Der Beklagte meint, es fehler dieser Klage
der Grund, dies stehe außer Frage.
Er habe nichts etwa "erdichtet"
nein, nur in dem Prozess berichtet
- und so die Kündigung begründet -
was vorher Zeugen im verkündet
und diesen habe er geglaubt.
Dies sei ihm doch wohl noch erlaubt.
Was nun die Klägerin bestreitet,
das habe er auch nie verbreitet.
Er habe doch nur im Prozess
berichtet wie gehört. Indes:
Er könne schließlich nach Belieben
was dort die Klägerin getrieben
beweisen: erstens durch die Zeugen;
die würden sicher nichts verschweigen.
Und zweitens durch den Stoffbezug
des Hockers, der die Klägerin trug.
Er reichte ihn - den gut verpackten -
bereits zu den Verfahrensakten,
auf dass nunmehr die Analyse
der Klägerin Tun exakt bewiese.

Was die Parteien noch so sagen,
ist in der Akte nachzuschlagen.

Die Klage - wie die Kammer findet -
ist vollumfänglich unbegründet.

1. Auch wenn's der Klägerin mißfällt:
Es gibt für sie kein Schmerzensgeld;
denn der Beklagte durfte hier
sich äußern, wie er's tat. Dafür
gilt dies hier nur in den Verfahren -
sonst darf er auch nichts offenbaren.
er hat - um auf den Punkt zu kommen -
insoweit etwas wahrgenommen,
was der, der die Gesetze kennt,
"berechtigtes Interesse" nennt (vgl. § 193 StGB).

Zwar könnte man zu Recht hier fragen:
darf man denn einfach etwas sagen,
wenn man es nur von anderen hört
und dies wen es betrifft empört?
Besteht nicht wengistens die Pflicht,
dass man sich informiert und nicht
leichtfertig irgendwas verbreitet,
was anderen Verdruss bereitet?
Dass der Beklagte so ganz "locker"
erfand das Treiben auf dem Hocker,
er also nicht aus Zeugenmunde
erfuhr die "sexuelle Kunde",
hat selbst die Klägerin nicht erklärt.
So war es ihm auch nicht verwehrt
die Kunde für sich selbst zu nützen,
hierauf die Kündigung zu schützen.

Die Klägerin hat hier nämlich nicht
bestritten, daß hier ein Bericht
der Zeugen stattfand, der Beklagte
nur wiedergibt, was man ihm sagte.
Auch dafür, dass die beiden Zeugen
persönlich vielleicht dazu neigen
bewusst die Unwahrheit zu sagen,
ward im Prozess nicht vorgetragen.
So musste der Beklagte nicht
misstrauen ihrem Tatbericht,
um selbst der Sache nachzugehen,
was in der Spielbar so geschehen.
Nur wenn sein Ziel war zu verletzen,
die Klägerin herabzusetzen,
sie zu verleumden, zu entehren,
war ihm dies deutlich zu verwehren.

Kurz: Es kommt letztlich darauf an,
ob's der Beklagte selbst ersann,
er also gleichsam phantasierte,
wie sich die Klägerin gerierte.
Und deshalb bleibt auch unergründet,
was sich im Hockerstoff befindet
und ob die Zeugen sah'n und hörten,
was dem Beklagten sie erklärten.

Nein, der Beklagte muß mitnichten
ein hohes Schmerzensgeld entrichten.

2. Auch unbegründet - ohne Frage -
ist hier die Unterlassungsklage.
Die Klägerin hat nicht vorgetragen,
dass der Beklagte sozusagen
nun coram publico beschrieben,
was auf dem Hocker sie getrieben.
Nur im Prozess hat er erklärt,
was jetzt die Klägerin empört.
Das durfte er - wie dargestellt,
womit natürlich das entfällt,
was letztlich Grund der Klage war:
die zu befürchtende Gefahr,
dass der Beklagte überall
herumerzählt den "Hockerfall",
bestrebt ist, unter allen Leuten
was man ihm zutrug zu verbreiten.

Die Kosten, dies bleibt noch zu sagen;
sind von der Klägerin zu tragen (vgl. § 91 ZPO).
Der Streitwert war nach den Gesetzen
(vgl. § 61 I ArbGG, § 3 ZO, § 23 III RVG)
- wie hier geschehen - festzusetzen.

 

Biss im Morgengrauen

AG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. 6. 2005 - 32 C 672/04 (NJW-​RR 2005, 1388)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß §§ 847, 253 BGB in Höhe von 400,00 €. Nach Durchführung der Beweisaufnahme und nach der Einlassung des Beklagten ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte die Klägerin verletzt hat, indem er die Klägerin in den Zeh gebissen hat. Ferner steht zur Überzeugung des Gerichts insbesondere auch nach Einreichung der Atteste fest, dass sich durch diesen Vorfall der Zeh der Klägerin entzündet hat. Wie die Klägerin weiterhin vorgetragen hat, sind weitere Behandlungsmaßnahmen, wie zum Beispiel eine Zehentfernung nicht zu erwarten.

Das Gericht hält in Anbetracht dieser Umstände ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 € für gerechtfertigt. Ausweislich des Attests war die Klägerin jedenfalls für die Dauer von 10 Tagen arbeitsunfähig geschrieben. Es ist unerheblich, ob die Klägerin sich insoweit bei dem Beklagten tatsächlich krankgemeldet hat, wie der Zeuge L. bekundet hat, oder sie dies bei der AOK gemeldet hat. Das ärztliche Attest diesbezüglich liegt vor. Wenn die Klägerin sich jedoch nicht offiziell krankgemeldet hat, so liegt jedenfalls aus ärztlicher Sicht ein gesundheitlicher Zustand vor, der eine Krankschreibung jedenfalls rechtfertigt, und zwar für die Dauer von 10 Tagen. Hinzu kommt, dass nach dem ärztlichen Attest eine stark entzündete Menschenbisswunde vorlag. Es ist gerichtsbekannt, dass bei Verletzungen im Fußbereich erhebliche Einschränkungen in der Lebensqualität vorhanden sind. Nach Angaben der Klägerin konnte sie sich auch zunächst nur mit Badeschuhen fortbewegen. Angesichts dessen, dass selbst wenn die Klägerin, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, den Zeh ablecken lassen wollte, so hätte der Beklagte keinesfalls in den Zeh beißen und die Klägerin verletzen dürfen. Die Klägerin hat dem Beklagten nicht den Zeh zum Zwecke der Verletzung hingegeben, sondern zum Zwecke der Reinigung. Der Beklagte ist darüber hinaus gegangen und hat die Klägerin verletzt. Wie der Zeuge M. glaubhaft bekundet hat, hat es auch sofort nach dem Biss geblutet. Da es sofort zur Blutung gekommen ist, hat der Beklagte auch ordentlich zugebissen. Dies ist keinesfalls zu tolerieren und mit einem angemessenen Schmerzensgeld für die Klägerin im Hinblick auf die erlittenen Schmerzen und Einschränkungen zu vergüten. Angesichts dessen, dass die Klägerin jedoch keine weiteren gesundheitlichen Konsequenzen zu erwarten hat, sie hat selbst angegeben, dass eine Entfernung des Zehnagels nicht in Betracht kommt, ferner ist durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen worden, dass man sie gewaltsam festgehalten habe und der Beklagte auf diese Art und Weise sie gebissen habe, war dies bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Nach alledem hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 € angesichts der Umstände und der nachgewiesenen Umstände für angemessen, aber auch für ausreichend.