Teilprojekt 3

Extra muros, intra muros – Zugangsregulierungen gegenüber Juden in den Reichs- und Autonomiestädten der Frühen Neuzeit zwischen Norm und Praxis 

Aus fast allen Reichs- und größeren Autonomiestädten im Alten Reich wurden die Juden zwischen Ende des 14. und Mitte des 16. Jahrhunderts ausgewiesen. Was bedeutet dies für die jüdischen Lebenswelten der Frühen Neuzeit? Das Teilprojekt widmet sich der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen rechtlichen und realen Bedingungen Jüdinnen und Juden seit dem 16. Jahrhundert Zugang zu diesen Städten gewährt wurde.

Die Ausgangslage ist nur vordergründig eindeutig: Juden war die Betretung der inneren Städte in den allermeisten Reichsstädten seit den spätmittelalterlichen Vertreibungen grundsätzlich verboten, erstmals konsequent in Straßburg 1390. In vielen Städten – und so auch und gerade in Straßburg – war Juden der Eintritt in die Stadt indessen sehr wohl erlaubt, wobei durchweg von einem interessensgeleiteten Entgegenkommen verschiedener städtischer Instanzen, Institutionen, Gruppen und womöglich auch einzelner Individuen auszugehen ist. Die Zugangsregeln waren, soweit bekannt, zwar stets restriktiv, allerdings veränderlich und im Vergleich überaus unterschiedlich. Sie berührten diverse Modalitäten, etwa für Tageszeiten und Dauer, Areale, Statusgruppen, Tätigkeiten, Kennzeichnungs- und Gebührenpflichten.

Der soziale und topographische Austragungsort der Thematik sind Stadtmauern und Stadttore, durch die sich In- und Exklusion materialisierten. Hier interessieren konkrete Situationen, die Obrigkeitshandeln zwischen Norm und Informalität offenbaren – Abweisung, Schikanen und Sanktionen auf der einen Seite, Verwaltungsversagen, Indifferenz und Vorteilsgewährung auf der anderen. Mit Blick auf die jüdischen Akteure ist die ganze Bandbreite strategischer Verhaltensmuster von der formellen Privilegierung bis hin zu Tricks, sich durchzulavieren, in Rechnung zu stellen.

Zunächst soll eine Bestandsaufnahme vorgenommen werden, wobei das Augenmerk in der ersten Untersuchungsphase Normen und Praktiken gelten wird, die idealerweise bereits Aufschluss über die Genese und Veränderungen von Zugangsregulierungen erlauben. Das Projekt wird eine Auswahl von Städten treffen und Untersuchungen in je unterschiedlichen Graden empirisch vertiefen. Ungeachtet dessen ist erstmals eine systematische Analyse des Stadtzugangs geplant.

Die Thematik stellt ein ausgesprochenes Desiderat im Spektrum der jüdischen Studien wie auch der vergleichenden Städteforschung dar: Die Regulierung – respektive Verwehrung – der Stadtbetretung betraf schließlich auch Fremde, Handwerker, Nichtsesshafte, Standespersonen bzw. Adlige, Unehrenhafte etc. Somit ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte auch jenseits des jüdischen Erfahrungshorizonts und insgesamt interessante Perspektive für eine integrative Betrachtung der christlich-jüdischen Gesellschaftsgeschichte.

Team

Projektleitung: Prof. Dr. Stephan Laux

Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in: N.N. 

Titelabbildung: Das „Rosenthaler Tor“ in Berlin 1860. Im 18. Jahrhundert der einzige Stadtzugang für Juden. 

Wikimedia Commons, https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Rosenthaler_Tor,_1860.jpg. Gemeinfrei.