Online-Vortragsreihe "Die Selbstgerechten unter den Völkern - Reaktionen auf den 7. Oktober"
Über die Reihe
Mit der Vortragsreihe „Die Selbstgerechten unter den Völkern - Reaktionen auf den 7. Oktober“ interveniert die Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA) in eine Debatte, die von Desinformation und Unwissenheit geprägt ist. In 18 Vorträgen beleuchten und reflektieren Wissenschaftler:innen unterschiedlichster Fachdisziplinen, Journalist:innen und Betroffene die Folgen des 7. Oktober aus ihrer Perspektive.
Mit Vorträgen von Sarah Cohen-Fantl, Aras-Nathan Keul, Richard C. Schneider, Dr. Matthias Küntzel, Dr. Tilman Tarach, Dr. Volker Weiß, Dr. Olaf Kistenmacher, Dr. Nina Keller-Kemmerer, Dr. Martin W. Kloke, Thomas von der Osten-Sacken, Christoph Koopmann, Merle Stöver, Prof. Dr. Carlo Masala, Nicholas Potter, Dr. Oliver Vrankovic, Manar al Sharif, Dr. Anne-Christin Klotz und Dr. Jasmin Spiegel.
Alle Vorträge finden online um 18 Uhr über die Plattform Zoom (Zugangslink) statt und werden gleichzeitig über den YouTube-Kanal der IIA gestreamt.
Nächster Vortrag
Aufzeichnungen der bisherigen Vorträge
Veranstaltungen der Vortragsreihe
April
15. April 2024 | „Der Angriff auf die Seele Israels“ – Wie der 7. Oktober die politische, soziale und zivile Landschaft Israels verändert hat
Vortrag von Sarah Cohen-Fantl | Moderation: Emilia Taran | YouTube-Link
Der 7.10. hat alles verändert – und zwar für immer. Doch stimmt das wirklich? In wie fern unterscheidet sich der Hamas-Angriff auf die Kibbuzim im Süden Israels zu vorherigen? Wie sind die Auswirkungen innen- und außenpolitisch? Kann die israelische Gesellschaft die Konsequenzen auffangen oder wird sie daran zerbrechen? Eine Bestandsaufnahme und vorsichtiger Ausblick in die Zukunft.
Die deutsch-israelische Journalistin Sarah Cohen-Fantl, deren jüdische Familie die Shoa nur knapp überlebte, erhielt nach ihrem Abschluss an der Axel-Springer-Akademie das IJP-Stipendium für den Nahen Osten, machte Aliyah und arbeitete fünf Jahre lang als Kriegsreporterin vor Ort. Sie arbeitet weiterhin als freie Journalistin und schreibt ihren ersten Roman fertig.
18. April 2024 | Israel und die Palästinenser nach dem 7. Oktober – wie weiter?
Vortrag von Aras-Nathan Keul | Moderation: Sophie Brüss | YouTube-Link
Die Massaker der Hamas am 7.10., sowie deren Auswirkungen, stellen eine Zäsur für Israelis, Palästinenser und deren Beziehungen zueinander dar. In Israel kennt jeder jemanden, der oder die direkt vom 7.10. betroffen ist. Trauer, aber auch die Entschlossenheit, die Hamas zu bekämpfen, sind allgegenwärtig. In Gaza herrscht Verzweiflung, die Hamas missbraucht die Bevölkerung als Schutzschilde und kontrolliert die Verteilung der Nahrung. Ein überwältigender Teil der Menschen in Gaza und der Westbank begrüßt oder billigt die Massaker vom 7.10. dennoch. Wie soll so ein Zusammenleben auf Dauer möglich sein? Wie blicken die Menschen vor Ort auf die Situation? Welche Stimmen kommen nicht zu Wort? Und wie kann es weiter gehen?
Aras-Nathan Keul ist Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Deutschlands Rolle im Nahen Osten. Er hat sich dabei auf Deutschlands Beziehungen zu Israel und der Islamischen Republik Iran spezialisiert.
29. April 2024 | Zwischen Fehlinformation und Antisemitismus. Deutsche Medien in der Kriegsberichterstattung
Vortrag von Richard C. Schneider | Moderation: Alexander Carstiuc | Grußwort: Dr. Felix Klein (Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung) | YouTube-Link
Seit dem 7. Oktober beschäftigt der „Nahostkonflikt“ die deutschen Medienwelt so intensiv wie lange nicht mehr. Welche Rolle wird dabei den deutschen Medien in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Hamas zuteil? Richard C. Schneider erläutert, inwiefern Nachrichtenmedien antiisraelische Propaganda reproduzieren, welche Auswirkungen und Folgen dies für Jüdinnen und Juden in Deutschland hat und inwieweit von einer Voreingenommenheit ausgegangen werden kann.
Richard C. Schneider ist SPIEGEL-Autor und ehemaliger Leiter der ARD-Fernsehstudios Tel Aviv und Rom, kennt Alltag und Geschichte Israels und weiß um die gängigen Vorurteile in Deutschland. Heute schreibt er als freier Korrespondent für den SPIEGEL aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Im letzten Jahr erschien sein Buch „Die Sache mit Israel: Fünf Fragen zu einem komplizierten Land“ im SPIEGEL Buchverlag.
Mai
02. Mai 2024 | Die radikalen Feinde Israels
Vortrag von Dr. Matthias Küntzel | Moderation: Natali[a]e Kajzer | Grußwort: Noam Petri (Jüdische Studierendenunion Deutschland) | YouTube-Link | Vortrag in verschriftlichter Form
Die radikalsten Feinde Israels sind jene, die die Jüdinnen und Juden weltweit töten wollen und die im Holocaust eine gerechte, von Gott gewünschte Strafe sehen. Man findet sie derzeit hauptsächlich im Lager der Islamisten. Im Westen werden diese Kräfte, sofern es um die Vernichtung Israels geht, von Sektoren der „antikolonialen“ und „antiimperialistischen“ Linken unterstützt. Der Vortrag wird die Motive und die Artikulationsformen dieser Israelfeinde beleuchten.
Matthias Küntzel ist Politikwissenschaftler und Historiker und Träger des Theodor Lessing-Preises 2022. Er publiziert hauptsächlich über Antisemitismus im Islam, Islamismus und Nationalsozialismus sowie die deutsche und europäische Nahost- und Iranpolitik. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
20. Mai 2024 | Friends or foes: Wie Regierungen beides sein können, wenn es um Israel und den Kampf gegen Antisemitismus geht
Vortrag von Olga Deutsch | Moderation: Tim Stosberg | YouTube-Link
Die Sicherheit Israels gilt als deutsche Staatsräson; immer wieder machen Politiker und Diplomaten dies in Worten und Taten deutlich. Schaut man sich jedoch die deutsche und europäische Entwicklungszusammenarbeit an, gestaltet sich die Situation weniger eindeutig: Deutschland sowie viele andere europäische Staaten finanzieren - teilweise direkt, teilweise über Umwege - Nichtregierungsorganisationen, die Verbindungen zu terroristischen Gruppierungen aufweisen, Israel als Apartheid-Regime bezeichnen und dem Land Völkermord vorwerfen. Lokale NRO spielten eine wichtige Rolle bei den Anfang 2024 vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel vorgebrachten Genozid-Vorwürfen; UNRWA-Mitarbeiter stehen im Verdacht, an dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Dieser Vortrag gibt einen Einblick in die komplexe Rolle von NRO als politische Akteure in der Region und präsentiert Vorschläge dazu, wie Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe nach dem 7. Oktober gestaltet werden können.
Olga Deutsch studierte Bank-, Versicherungs- und Finanzwesen an der Universität Belgrad und der Universität München. Sie erhielt ein Stipendium der Ford Motor Company und machte ihren Abschluss als Community Leader an der School of International and Public Affairs der Columbia University in New York. Vor 2009 war sie Vorsitzende der European Union of Jewish Students, einer Dachorganisation von 34 nationalen Verbänden. Im Jahr 2008 erhielt sie den International Leadership Prize des American Jewish Committee. In den letzten 12 Jahren war Olga Deutsch in leitenden Positionen in der Privatwirtschaft in Europa und Israel tätig.
30. Mai 2024 | Das Rätsel des Judenhasses. Über die religiösen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus
Vortrag von Dr. Tilman Tarach | Moderation: Stefan Vennmann | YouTube-Link
Die Nähe des alten christlichen Judenhasses sowohl zum modernen Antisemitismus als auch zum Hass auf Israel wird in der deutschen Antisemitismus-Debatte noch immer verschleiert. Tilman Tarach ruft vergessene Ereignisse in Erinnerung und präsentiert bisher unbeachtete historische Zeugnisse, die Wesen und Wirkmächtigkeit des christlichen Antisemitismus eindrücklich aufzeigen. Nur vor der Hintergrundfolie alter judenfeindlicher Vorstellungen, die bereits im Neuen Testament angelegt sind, konnte der Vernichtungsantisemitismus der Nationalsozialisten entstehen. Auch heute ist die Gefühlswelt von Antisemiten und Antizionisten wesentlich von diesen unbewussten christlichen Mustern geprägt. Im Vortrag wird auch die Genese des Antisemitismus von Akteuren wie der Hamas diskutiert werden. Der islamische Antisemitismus muss als Abkömmling des christlichen Judenhasses verstanden werden, auch wenn er aus historischen Gründen eine eigene Dynamik entwickelt hat.
Dr. Tilman Tarach ist Jurist und lebt in Berlin und Istanbul. 2022 erschien sein Buch »Teuflische Allmacht: Über die verleugneten christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus«. Tarachs erstes, 2016 in Neuauflage erschienenes Buch behandelt den tendenziösen Blick auf Israel: »Der ewige Sündenbock: Israel, Heiliger Krieg und die ‹Protokolle der Weisen von Zion›. Über die Scheinheiligkeit des traditionellen Bildes vom Nahostkonflikt«.
Juni
20. Juni 2024 | „Der Feind meines Feindes bleibt mein Feind ...“ – Positionen der extremen Rechten zu Israel und dem 7. Oktober
Vortrag von Dr. Volker Weiß | Moderation: Nikolai Schreiter | YouTube-Link
Teile der äußersten deutschen Rechten pflegen mittlerweile ein israelfreundliches Image. Damit entziehen sie sich einerseits historisch bedingter Verdachtsmomente und können andererseits ihren Kampf gegen Einwanderung gut als Abwehr von Antisemiten tarnen. Der Vortrag soll zeigen, dass dies taktische Schutzbehauptungen sind, mit denen sich die deutsche Rechte entlasten möchte. Ein Blick in die rechten Binnedebatten zur Vergangenheitsbewältigung und dem Nahostkonflikt fördert hingegen Positionen zutage, die mit diesem pro-israelischen Anspruch wenig zu tun haben. Vor allem in ihrem antiwestlichen Denken ist die deutsche Rechte ihrem islamistischen Feind näher, als sie es zugeben möchte.
Dr. Volker Weiß ist Historiker und forscht hauptsächlich zur Geschichte und Gegenwart der extremen Rechten. Er studierte Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Literaturwissenschaft in Hamburg und wurde 2009 mit einer Arbeit über den jungkonservativen Kulturtheoretiker Arthur Moeller van den Bruck promoviert. Nach einigen Jahren als Hochschuldozent machte er sich als Autor selbständig. Sein 2017 erschienenes Buch „Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ war 2017 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, 2019 kommentierte er die Erstveröffentlichung des Vortrages „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ von Theodor W. Adorno, 2021 war er Gastprofessor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, heute schreibt er vor allem für die „Süddeutsche Zeitung“.
Juli
04. Juli 2024 | Das belastete Erbe. Warum sich die Linke kaum von ihrem Israelhass lösen kann
Vortrag von Dr. Olaf Kistenmacher | Moderation: Luise Henckel | Grußwort: Anetta Kahane (Amadeu Antonio Stiftung) | YouTube-Link
Warum gibt es in der Linken überhaupt Antisemitismus und Israelhass? Bei der deutschen Linken wird beides oft mit latenten Schuldgefühlen erklärt, die die Nachkommen der Nazi-Täter*innen wegen der Shoah entwickeln könnten und unbewusst abwehren. Der missglückte Sprengstoffanschlag der Tuparamos Westberlin auf die Jüdische Gemeinde im November 1969 zeigt den Zusammenhang sehr deutlich. Hinzu kommen für die Geschichte der radikalen Linken weitere Motive wie ein linker Nationalismus, der alle „nationalen Befreiungsbewegungen“ unterstützen will, nur den Zionismus nicht, oder ein personifizierter, fetischisierter „Antikapitalismus“, der einhergeht mit bestimmten Vorstellungen von „den Juden“.
In den letzten Jahren hat sich neben der Schuldabwehr in Bezug auf die deutsche Geschichte noch eine spezifisch linke Schuldabwehr etabliert, die immer aggressiver leugnen muss, dass die traditionell linke Auffassung vom Antisemitismus, Israel oder dem Zionismus falsch war und dass es in der Geschichte der politischen Linken alles gegeben hat: das Schüren von offenem Judenhass, antisemitische Verfolgungen, Terrorakte.
Olaf Kistenmacher ist promovierter Historiker und Journalist (vor allem für die Jungle World), Redakteur und Lektor für das Projekt der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, „Unter Druck?“ über Journalismus in Zeiten von Rechtsextremismus und Antisemitismus. Seit 1999 führt Kistenmacher Gruppen durch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, seit 2003 versucht er, in Hamburg eine Pädagogik gegen Antisemitismus zu etablieren. Seit Jahren forscht Kistenmacher zur Antisemitismusforschung vor und nach 1945 und Kritik des Antisemitismus bei Marcel Proust, Leo Trotzki und anderen. Jüngste Veröffentlichung: „Gegen den Geist des Sozialismus“. Anarchistische und kommunistische Kritik der Judenfeindschaft in der KPD zur Zeit der Weimarer Republik, Freiburg im Breisgau/Wien 2023.
11. Juli 2024 | Genozid: das „Verbrechen der Verbrechen“. Eine juristische Einordnung
Vortrag von Dr. Nina Keller-Kemmerer | Moderation: Mara Palaschinski | YouTube-Link
Der Vortrag befasst sich mit dem Straftatbestand des Völkermords. Entwickelt als juristisches Konzept ist der Begriff des Genozids heute längst zu einem politischen und hochgradig moralischen Terminus geworden. Nicht selten dient er der politischen Positionierung und prägt zugleich die Geschichtsschreibung und die Erinnerungskultur. Dabei gerät häufig die historische Entwicklung als auch die juristische Bedeutung des Straftatbestandes in Vergessenheit, was zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führt. Der Vortrag widmet sich dem Begriff des Genozids aus rechtlicher und rechtshistorischer Perspektive, um darauf aufbauend auch die Völkermordklage Südafrikas gegen Israel einzuordnen.
Dr. Nina Keller-Kemmerer studierte Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Nach ihrem Studium begann sie mit ihrer Promotion und arbeitete von 2010 bis 2014 als Doktorandin und Stipendiatin der „International Max-Planck-Research-Group for Comparative Legal History” am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (heute: MPI für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie). Im Juli 2017 wurde sie vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt promoviert. Seit Oktober 2021 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Öffentliches Recht und Völkerrecht von Prof. Dr. Thilo Marauhn und Verbundkoordinatorin des vom BMBF geförderten Verbundprojekts „ASJust. Antisemitismus als justizielle Herausforderung“.
18. Juli 2024 | Zwischen Alltagsempirie und Wahn. Palästina in der deutschen Linken
Vortrag von Dr. Martin Kloke | Moderation: Sophie Brüss | Grußwort: Aktion 3. Welt Saar | YouTube-Link
Ist Palästina ein Land, dem Israel seit 76 Jahren die Unabhängigkeit verwehrt? Welche Rolle spielen propalästinensische Heldenmythen im Gefühlshaushalt der deutschen Linken? Woher rührt die Sehnsucht, „die Palästinenser“ als avantgardistische Träger antiimperialistischer und postkolonialer Emanzipationsprozesse zu verklären? Der Berliner Politikwissenschaftler Martin Kloke, der die Region zwischen Mittelmeer und Jordan seit mehr als 40 Jahren regelmäßig besucht, wird liebgewonnene Projektionen auf den Prüfstand stellen. Mit einer differenzierten Darstellung palästinensischer Lebensrealitäten will der Referent einen Beitrag zur Versachlichung toxischer Nahost-Diskurse leisten.
Dr. Martin Kloke ist Politikwissenschaftler, Publizist und Bildungsmedien-Redakteur in Berlin. Er hat über das Verhältnis der deutschen Linken zum Staat Israel promoviert, ist in der deutsch-israelisch-palästinensischen Beziehungsgeschichte unterwegs und hat dazu zahlreiche Beiträge veröffentlicht.
30. Juli 2024 | Flucht seit 1948 – Probleme und Besonderheiten des palästinensischen Flüchtingsstatus
Vortrag von Thomas von der Osten-Sacken | Moderation: Andreas Stahl | YouTube-Link
Der Sonderstatus für palästinensische Flüchtlinge ist weltweit einzigartig: Die Einrichtung des Hilfswerks UNRWA als einziges Hilfswerk für eine bestimmte Flüchtlingsgruppe gehört ebenso zu den Besonderheiten wie das umstrittene ‚Recht auf Rückkehr‘. Die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus an andernorts geborene Nachkommen von Flüchtlingen verstärkt noch die Verstetigung des Flüchtlingsstatus, sodass die Zahl palästinensischer Flüchtlinge ständig zu- statt abnimmt. Das ‚Recht, Rechte zu haben‘, also das Konzept, das Flüchtlinge in ein Gemeinwesen aufnimmt und ihnen somit Grundrechte sichert, kann unter solchen Umständen keine Wirkung entfalten. Stattdessen tritt ein ‚Recht auf Heimat‘ in den Vordergrund – u.a. mit der Folge, dass der Flüchtlingsstatus der Palästinenser:innen Anknüpfungspunkte für völkische und reaktionäre Ideologien bietet. Im Vortrag geht Thomas von der Osten-Sacken den Fragen nach, wie der Sonderstatus für die Palästinenser:innen zustande kam und welche Auswirkungen er hat.
Thomas von der Osten-Sacken ist Journalist und freier Publizist, der sich seit Anfang der 1990er Jahre schwerpunktmäßig mit dem Nahen Osten beschäftigt.
August
22. August 2024 | Krieg der Bilder – der Nahostkonflikt auf Social Media
Vortrag von Christoph Koopmann | Moderation: Franziska Thurau | YouTube-Link
Als der Krieg im Gazastreifen begann, wurden Tiktok, Instagram, X und Co. sofort geflutet mit hochemotionalen Beiträgen über das, was da geschah. Aber nicht über die Massaker der Hamas am 7. Oktober, sondern vor allem über die israelischen Angriffe auf palästinensische Ziele. Die Hamas nutzt Social Media perfekt für ihre Zwecke – genauso Israels Armee. Dieser Krieg spielt sich weltöffentlich vor allem auf dem Smartphone ab, mit gravierenden Folgen für die Debatte. Über die schwer zu ziehenden Grenzen zwischen echtem Mitgefühl, Verdrehung, Fakes und Propaganda.
Christoph Koopmann ist Redakteur für innere Sicherheit im Politikressort der Süddeutschen Zeitung, wo er seit 2019 arbeitet. Zu seinen Themen gehören Terrorismus, Extremismus, Desinformation und Hate Speech.
September
05. September 2024 | Intersektionale Bündnisse gegen Israel - #MeToo unless you’re a Jew
Vortrag von Merle Stöver | Moderation: Vivian Buchholz
Wem feministische Solidarität gilt und wer davon ausgeschlossen ist, mussten Jüdinnen und israelische Frauen nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 bitter erfahren: Für sie galt die Grundüberzeugung der #MeToo-Bewegung nicht. Stattdessen formierte sich weltweit eine antisemitische Allianz, die die Gräueltaten der Hamas entweder leugnete oder rechtfertigte. Ausgerechnet emanzipatorische Kämpfe werden schon seit Jahren zunehmend zu Schauplätzen antisemitischer Verschwörung und antizionistischer Vernichtungsdrohungen. Der Vortrag zeigt anhand von Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit, wie sich dieser intersektionale Ausschluss in Theorie und Praxis zeigt.
Merle Stöver ist Doktorandin an der Universität Bielefeld und Dozentin an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin. Sie studierte Soziale Arbeit und Interdisziplinäre Antisemitismusforschung in Berlin und Jerusalem und arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Sie forscht zu Antisemitismus, Antiziganismus, Sozialchauvinismus und rechter Gewalt. Ihre publizistischen Beiträge erschienen in Sammelbänden wie „Beißreflexe“, „Feministisch Streiten“, „Antisemitismus seit 9/11“ und „Judenhass Underground“ sowie in Zeitungen wie der taz und der Jungle World.
19. September 2024 | Judenhass Underground? Antisemitismus in der Kultur- und Clubszene
Vortrag von Nicholas Potter | Moderation: Johannes Sosada
Techno DJs erklären sich mit der vom Iran geführten Achse des Widerstands solidarisch. Auf der renommiertesten Kunstausstellung der Bundesrepublik werden Karikaturen gezeigt, die im NS-Blatt „Der Stürmer“ hätten erscheinen können. Und auf der Berlinale wird selbstgerecht und in Kufiya verkleidet dem jüdischen Staat ein „Genozid“ vorgeworfen – und gleichzeitig zu dem Schicksal des Schauspielers David Cunio geschwiegen, der 2013 auf dem Filmfestival vertreten war und seit dem 7. Oktober in Geiselhaft der Hamas ist.
Von der Clubkultur bis zur Kulturblase gibt es nicht erst seit dem „Schwarzen Schabbat“, dem Überfall der Hamas auf Israel, ein Antisemitismusproblem. Aber es gibt auch Positivbeispiele: Menschen, die dagegen kämpfen, um sichere Räume auch für Jüdinnen und Juden zu schaffen.
Nicholas Potter ist britischer Journalist und schreibt für Medien wie die taz, Tagesspiegel, Haaretz und die Jüdische Allgemeine. Er ist Mitherausgeber des Buches „Judenhass Underground“ über Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und sozialen Bewegungen. Er arbeitet als Referent für Antisemitismus bei der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin.
26. September 2024 | Die israelische Linke
Vortrag von Dr. Oliver Vrankovic | Moderation: Axel Bolte
Für die Gründung Israels und die ersten Jahrzehnte des jungen Staats waren die jüdische Arbeiterbewegung und die aus ihr hervorgegangene Partei Avoda von entscheidender Bedeutung. Mittlerweile aber fristet die israelische Sozialdemokratie das Dasein einer Kleinpartei. Oliver Vrankovic beleuchtet den Absturz und geht dabei v.A. auf historische Fehler bei der Immigrationspolitik, Identitätspolitik und fatale Fehleinschätzungen des Nahostkonflikts ein. Über die Arbeiterpartei hinaus beurteilt Vrankovic die weiter links stehende Meretz und antizionistische linke Fringe Gruppen. Schließlich geht Vrankovic auf die Verwerfungen des 7.10. ein und die Chancen der zionistischen Linken unter Yair Golan wieder zu einer politischen Größe zu werden.
Oliver Vrankovic (geb. 1979) lebt seit 2007 in Israel und arbeitet seit 2009 als Pflegehelfer im Elternheim Pinkhas Rozen der Vereinigung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft. Im Elternheim leben Juden, die in den 1930er Jahren aus Mitteleuropa nach Palästina geflohen sind und Überlebende des Holocaust, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Palästina kamen und zu Mitbegründern des jüdischen Staates wurden. Außerdem arbeitet er seit 2016 bei der Wiener Library, dem größten Holocaust Archiv der Welt und organisiert Bildungs- und Begegnungsreisen. Dazu schreibt er unregelmäßig israelbezogene Artikel für deutschsprachige Medien, v.a. HaGalil und Jungle World. Seit 2021 ist Oliver Vrankovic Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Region Stuttgart e.V. Seit 2016 hält Oliver Vrankovic israelbezogene Vorträge in Deutschland. Oliver Vrankovic betreibt darüber hinaus den einzigen englischsprachigen Blog über israelischen Fussball und Fankultur in Israel.
30. September 2024 | Israelische Sicherheitspolitik im Angesicht des 7. Oktober
Vortrag von Prof. Dr. Carlo Masala | Moderation: Julius von Freytag-Loringhoven
Das sicherheitspolitische Vorgehen Israels im aktuellen Nahost-Konflikt ist Thema der anhaltenden Debatten um den aktuellen Nahostkonflikt. Doch worin genau besteht das Vorgehen Israels? Welche Maßnahmen werden ergriffen und warum? Der Vortrag umfasst eine Analyse der israelischen militärischen Vorgehensweise, beleuchtet die Maßnahme im Hinblick auf ihre Erfolgsmöglichkeiten und befasst sich mit einem Ausblick, ob sich Israel auf einen noch länger andauernden Krieg einstellen muss.
Prof. Carlo Masala ist Politikwissenschaftler und seit 2007 Professor für Internationale Politik an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München. Außerdem ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, ständiger Sachverständiger in der Enquete Kommission des Deutschen Bundestags zum Afghanistaneinsatz sowie Mitglied des Kuratoriums „Wissenschaftsjahr 2024“ beim Bundesministerium für Forschung und Bildung. Prof. Masala erhielt 2023 für sein wissenschaftliches Werk und seine Wissenschaftskommunikation die Lichtenberg-Medaille in Gold der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Weiterhin wurde Prof. Masala im Oktober 2023 für sein wissenschaftliches Werk mit dem Rohde Preis der Universität der Bundeswehr ausgezeichnet.
Oktober
02. Oktober 2024 | The other side of Gaza
Vortrag von Manar al Sharif | Moderation: Dr. Oren Osterer
Der Vortrag muss leider verschoben werden. Wir informieren über einen neuen Termin.
07. Oktober 2024 | Die Ruptur und ihre Wirkung – Eine interdisziplinäre Betrachtung von Interviews mit Jüdinnen und Juden in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023
Vortrag von Dr. Anne-Christin Klotz und Dr. Jasmin Spiegel | Moderation: Deborah Frank
Im Rahmen des Dokumentations- und Forschungsprojekts „Jüdische Stimmen hörbar machen: Die Dokumentation von Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023 aus jüdischer Perspektive in Deutschland“ führen Jasmin Spiegel und Anne-Christin Klotz seit Februar 2024 Interviews mit Jüdinnen und Juden in Deutschland durch. Angesiedelt zwischen Psychologie, Geschichte und Kulturwissenschaften werden im Vortrag erste Ergebnisse der Interviewstudie zu jüdischen Perspektiven auf und Erfahrungen mit Antisemitismus nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 vorgestellt. Im Fokus steht das Erleben verschiedener Formen von Antisemitismus, die gefühlte Sicherheit, als Jüdinnen und Juden in Deutschland zu leben, sowie die Beziehungen zum jeweiligen nichtjüdischen Umfeld. Ferner werden auch Themen wie mögliche Tradierungen familiärer Traumata, Einflüsse und Veränderungen auf die jeweils eigene jüdische Identität sowie etwaige Coping-Strategien beleuchtet werden.
Anne-Christin Klotz ist Historikerin und seit 2022 Postdoktorandin an der Martin Buber Society of Fellows der Hebrew University of Jerusalem. Sie forscht und lehrt unter anderem zum Holocaust in Osteuropa, globaler jiddischer Kultur und jüdischen Trauerpraxen. Ihr Buch „Gemeinsam gegen Deutschland. Warschaus jiddische Presse im Kampf gegen den Nationalsozialismus (1930–1941)“ (De Gruyter 2022) wurde mehrfach international ausgezeichnet und gehörte zu den Finalisten des Yad Vashem Buchpreises 2023.
Jasmin Spiegel ist Psychoanalytikerin, Diplompsychologin und seit 2021 Postdoktorandin an der Martin Buber Society of Fellows der Hebrew University of Jerusalem. Ihr klinischer Schwerpunkt ist die Traumatherapie. Sie forscht unter anderem zu den Themen soziales Trauma und Mikroanalysen von körperlichem Ausdruck in Videomaterial.
Förderer und Kooperationspartner:innen der Vortragsreihe
Die Reihe wird gefördert von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit Hessen/Rheinland-Pfalz und der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz. Schirmherr der Reihe ist der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Felix Klein.
Kooperationspartner der Reihe sind:
- Amadeu Antonio Stiftung
- Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz
- Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.
- die Beauftragte der Ministerpräsidentin für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Rheinland-Pfalz Monika Fuhr
- Werteinitiative. Deutsch-jüdische Positionen
- HINENU – Jüdischer Studierendenverband für Rheinland-Pfalz und das Saarland
- Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft
- JSUD – Jüdische Studierendenunion Deutschland
- Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V. – Arbeitsgruppe Trier
- Gesellschaft für kritische Bildung
- DEIN e.V. - Verein für Demokratie und Information
- Tikvah Institut
- SABRA Düsseldorf
- Network of Young Academics Against Antisemitism (NY3A)
- Bündnis gegen Antisemitismus Köln
- Arbeitsgemeinschaft Trier der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V.
- CriThink! e.V.
- Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Ganey Tikva Bergisch Gladbach e.V.
- Bündnis gegen Antisemitismus Koblenz
- Aktion 3. Welt Saar