Jahrestagung des Arbeitskreises Parteienforschung 2013
Jahrestagung 2013 am 25./26. Oktober 2013 gemeinsam mit dem Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung der HHU in Düsseldorf
Thema: Parteien und Staat
Den Call for Papers finden Sie hier (pdf).
Das Programm der Tagung finden Sie hier (pdf).
Präsentationen der Tagung (alphabetisch)
Isabelle Borucki: Wie viel Partei steckt in Regierungskommunikation? Zur Ausgestaltung des Kommunikationsmanagements der Bundesregierung (pdf).
Dr. Sebastian Bukow: Zwischen Parteienrecht und Organisationsfreiheit (pdf).
Dr. Klaus Detterbeck: Kartellparteien in Mehrebenensystemen (pdf).
Dr. Simon Franzmann: Logische Fehlschlüsse in Analysen des Parteienwettbewerbs (pdf).
Dr. Henrik Gast, Prof. Uwe Kranenpohl: Erosion der innerparteilichen Demokratie? Zur Entwicklung der Kontrollpotenziale in Deutschland, Österreich und der Schweiz (pdf).
Dr. Timo Grunden: Das Scheitern der Basisdemokratie im parlamentarischen Regierungssystem (pdf).
Prof. Dr. Manfred Stelzer: Parteienfinanzierung in Österreich (pdf).
Dr. Hendrik Träger: Die Parteipolitisierung des Bundesrates - mit besonderer Fokussierung auf die Zeit der Regierung Merkel II (2009-2013) (pdf).
Prof. Dr. Elmar Wiesendahl: Der Parteienstaat im Wandel der Staatlichkeit (pdf).
Ergebnisprotokoll der Mitgliederversammlung (pdf)
Tagungsbericht "Parteiendemokratie oder Parteienstaat"?
Das spannungsreiche Verhältnis von „Parteien und Staat“ wird politikwissenschaftlich insbesondere entlang der Frage „Parteiendemokratie oder Parteienstaat?“ diskutiert. Gerade die Parteienforschung hat sich dieses Themas intensiv angenommen, wie die Kartellparteiendebatte zeigt. Doch auch die Rechtswissenschaft fragt nach dem Verhältnis von Parteien und Staat, etwa hinsichtlich der Parteien- und Politikfinanzierung. So lag es nahe, die AK-Jahrestagung 2013 gemeinsam mit dem PRuF Düsseldorf zu veranstalten, so dass politik- und rechtswissenschaftliche Forschungsergebnisse vorgestellt und von den rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert werden konnten. Die Tagung wurde von der DVPW sowie den Verlagen Springer VS, Barbara Budrich und Nomos unterstützt.
Das Verhältnis von Parteien und Staat betrifft vor allem die Perspektive der Einwirkung des Staates auf Parteien sowie der Einwirkung von Parteien auf den Staat, wie Elmar Wiesendahl (APOS Hamburg) in seinem einführenden Vortrag über den „Parteienstaat im Wandel der Staatlichkeit“ ausführte. Mit seiner Diskussion der Gouvernementalisierung der Parteien und der Einbettung des Parteienstaats in moderne Staatlichkeit sowie der Veränderung moderner Staatlichkeit schuf er den konzeptionellen wie inhaltlichen Rahmen der Tagung. Er beleuchtete den Bereich staatlicher Präsenz und die Wirkungsweisen von Parteien, argumentierte gegen überzogene Niedergangsthesen und betonte, dass Parteien noch immer über Letztentscheidungskompetenzen im politischen System verfügten. Der Gestaltungsstaat entwickle sich dabei jedoch zu einer „marktkonformen Demokratie“, was zu einer Verlagerung der Parteienstaatlichkeit zu „governmentness“, einer „Dominanz der Parteiregierung“ und letztlich einer „parteiendemokratische Aushöhlung und Entzauberung des Parteienstaats“ führe.
Parteien und Parteienwettbewerb
Daran schloss Simon Franzmann (Düsseldorf) an, der Ursachen sowie Vorschläge zur Vermeidung „Logische[r] Fehlschlüsse in Analysen des Parteienwettbewerbs“ darstellte. Er empfahl, ontologische Konzeptdefinitionen von Konzeptspezifikationen deutlich zu trennen, Typologien zu nutzen und Kooperation als integralen Bestandteil der Politik zu begreifen. Franzmann schlug ein emanzipatorisches Design politikwissenschaftlicher Untersuchungen vor, das Fehlschlüsse in der Konzeptspezifikation vermeiden hilft. Über die Frage des Parteienwettbewerbs in Parteikartellen referierte Klaus Detterbeck (Magdeburg), der die Besonderheit des Typus Kartellpartei und die Beziehungen von (Kartell-)Parteien zum Staat herausstellte. Er fokussierte seinen Vortrag auf die Erfassung von Parteien als Kartellen in Mehrebenensystemen, welche er über eine territoriale Perspektive der innerparteilichen Demokratie zu erschließen suchte. Arne Pilniok (Hamburg) trug aus rechtswissenschaftlicher Sicht zur „Rolle der Parteien bei der staatlichen Organisation der Wahlen: Entscheider in eigener Sache oder unabhängige Wettbewerbshüter?“ vor. Das Problem sei von entscheidender Bedeutung, da Wahlen als administratives Problem zu verstehen seien, schließlich könnten Parteien hier in eigener Sache tätig werden. Er stellte die Mechanismen gewollter Entpolitisierung der Wahlorganisation dar, etwa die Schaffung unabhängiger Institutionen, einer Selbstbindung und verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Gleichwohl: Insbesondere die Wahlkreiseinteilung sowie Wahldurchführung seien problematisch, die Zusammensetzung der Wahlausschüsse nicht unpolitisch. Aus politikwissenschaftlicher Sicht diskutierte Hendrik Träger (Magdeburg) „Die Parteipolitisierung des Bundesrates“, vor allem während der Regierung Merkel II. Anhand der Dissonanzindikatoren „Anrufung des Vermittlungsausschusses“ und „Zustimmungsversagung“ analysierte er, inwieweit im Bundesrat politisch motiviert gehandelt wurde. Träger visualisierte, wann Konfliktsituationen entstanden und verwies darauf, dass im Zuge der Regierungsbildung in Hessen eine mögliche Große Koalition auf Bundesebene zum ersten Mal von Anfang an keine eigene Mehrheit im Bundesrat haben könnte. Dies wäre eine in dieser Form neue Situation, die die Grünen im Bundesrat zum entscheidenden Faktor machen würde. Zum Abschluss dieses Themenblocks sprach Manfred Stelzer (Wien) zur „Neuregelung der Parteienfinanzierung in Österreich“. Nach teils überraschenden Erläuterungen zur Vorgeschichte stellte Stelzer die jüngsten Neuregelungen vor und bot einen Überblick über die geschaffenen Kontrollmechanismen. Die Auswirkungen der Reform seien eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Förderung, vor allem aber eine Entgrenzung sowie Entkopplung der Parteifinanzierung von Wahlverhalten und Mitgliedsbeiträgen. Das Ergebnis sei ein sich abschottendes System, wie es nicht zuletzt in der Kartellparteienthese diskutiert wird.
Parteienrecht und Parteiorganisation
Julian Krüper (Bochum) fragte in seinem Vortrag „‚Partei als Rechtsform. Theorie und Praxis der Ausgestaltungskompetenz des Gesetzgebers aus Art. 21 Abs. 3 GG“, ob das dort geregelte „Nähere“ mehr als Organisationsformen umfasse. An die Staatsrechtslehrer Pascale Cancik und Hermann Pünder anküpfend stellte Krüper fest, beim Parteienrecht handle es sich um eine „Gelingensbedingung repräsentativer Demokratie“. In deskriptiver Hinsicht sei die Distinktionsfunktion des Parteienbegriffs maßgeblich, während normativ nach seiner Eignung zu fragen sei. In Betrachtung der Funktionen rechtsförmigen Handelns gestalte sich vor allem die Ausbalancierung von Begrenzung und Ermöglichung bei Parteien schwierig. Im Rahmen von Art. 21 Abs. 3 GG dürfe nicht zu viel geregelt werden, das Grundgesetz sei auf eine Offenheit des politischen Prozesses angelegt. Die aktuellen Regelungen seien jedoch in vielerlei Hinsicht unbefriedigend. Sebastian Bukow (Düsseldorf) verknüpfte in seinem Beitrag „Zwischen Parteienrecht und Organisationsfreiheit“ theoretische Überlegungen und empirische Befunde zur Binnenorganisation deutscher Parteien. Unter Rückgriff auf neoinstitutionalistische Ansätze untersuchte er aus politikwissenschaftlicher Sicht das Spannungsverhältnis von rechtlichen Organisationsvorgaben und Parteistatuten, verstanden als bewusste parteiliche Organisationsentscheidungen. Er zeigte auf, dass das Parteienrecht in seiner normativen Wirkung eher unter-, in seiner organisationsdeterminierenden Wirkung aber überschätzt werde. Parteien könnten die rechtlich gegebenen Organisationsfreiheiten nutzen, wodurch es Unterschiede in den Statuten gebe, die jedoch in praxi meist an Bedeutung verlören. Er kam zu dem Schluss, dass das Parteienrecht keinen so engen Rahmen für die Ausgestaltung der deutschen Parteien vorgebe, wie es häufig dargestellt werde.
Die innerparteiliche (Mitglieder-)Beteiligung ist weiterhin ein aktuelles, vieldiskutiertes Thema in der Parteienforschung. Timo Grunden (Gießen) trug zum „Scheitern der Basisdemokratie im parlamentarischen Regierungssystem“ vor. Er arbeitete in Anknüpfung an institutionentheoretische Argumente die Ähnlichkeit der Probleme der Piratenpartei mit denen der Grünen vor 30 Jahren heraus (imperatives Mandat, Ehrenamtlichkeit, Basisintegration, Transparenz). Die aktuellen Probleme ähnelten einander stark und ließen sich durch Annahmen des Prinzipal-Agenten-Ansatzes erklären. Für die Piraten heiße dies: Sie müssten sich entweder – wie die Grünen – anpassen, oder ihnen drohe das Scheitern. Uwe Kranenpohl (Nürnberg) und Henrik Gast (Düsseldorf) stellten in ihrem Vortrag „Erosion der innerparteilichen Demokratie - Zur Entwicklung der Kontrollpotenziale in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ einen Vorschlag zur empirischen Messung innerparteilicher Demokratie vor. Zugleich diskutierten sie, wie diese besser auszugestalten sei und deuteten einen Zuwachs von „Quasi“-Mitgliederentscheiden als ein Indiz für Erosion, wodurch ein Machtgefälle zwischen professioneller Führung und ehrenamtlichem Apparat entstehe.
Parteien und Regierung
Julia Fleischer (Amsterdam) richtete in ihrem verwaltungswissenschaftlichen Vortrag „Der Kamineffekt - neu angeheizt? Alte und neue Formen der Patronage in der Bundesverwaltung“ den Blick auf Regierungsparteien. Sie präsentierte aktuelle Untersuchungsergebnisse zur Parteipolitisierung in der Ministerialverwaltung anhand der Betrachtung von 396 Staatssekretären anschaulich vor und wies nach, dass der „Kamineffekt“, also die schnellere Beförderung parteipolitisch „passender“ Spitzenbeamter, messbar sei. Isabelle Borucki (Trier) untersuchte im Kern ebenfalls Parteien in der Regierung, wobei sie sich auf die Regierungskommunikation fokussierte und fragte: „Wieviel Partei steckt in Regierungskommunikation?“. Sie behandelte unter anderem die partiell interne Professionalisierung der Ministerialbürokratie, stellte Spannungen zwischen Ressorts dar und warf die Frage auf, ob eine Oligarchisierung und Kartellierung von Kommunikationseliten stattfindet. Möglicherweise diene Populismus als neue Kommunikationsstrategie zum Einfangen von Transparenzforderungen und zur Mobilisierung.
Tagungsbericht: Dipl.-Jur. Jan Benjamin Daniels (Osnabrück), Redaktion: Dr. Sebastian Bukow (Düsseldorf), Dr. Isabelle Borucki (Trier)