Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wo ist das Feuer hin?
Wohin dürfte, könnte und sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk entwickeln? Darüber haben Experten aus Wissenschaft und Praxis bei den 67. Bitburger Gesprächen in Mainz diskutiert.
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen entscheidende Monate bevor. Ende Januar legt der „Zukunftsrat“ seine Reformvorschläge vor, eine Klausur der Rundfunkkommission wird folgen. „Deshalb war es mir jetzt auch wichtig, zuzuhören“, sagte Malu Dreyer, rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende eben jener Rundfunkkommission der Länder, zum Abschluss der 67. Bitburger Gespräche in Mainz. Unter dem Titel „Die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Stand und Perspektiven“ hatte die Tagung Medienrechtler, Sozialwissenschaftler, Politiker und Funktionäre aus privaten wie öffentlichen Medien zusammengebracht.
Die Legitimationskrise der Öffentlich-Rechtlichen hat viele Ursachen. Einige liegen bei den Sendern selbst, doch vor allem sehen sich die Anstalten radikalen gesellschaftlichen Veränderungen gegenüber. Einen „doppelten Strukturwandel der Öffentlichkeit“ diagnostizierte der Soziologe Hartmut Rosa in Mainz: Während die Medienlandschaft zunehmend zersplittert, entfernen sich gleichzeitig die Lebenswelten der Menschen immer weiter voneinander. Die Realitäten verschiedener gesellschaftlicher
Gruppen hätten kaum noch etwas gemeinsam. „Lagerfeuer“ wie „Wetten, Dass…?“, die Sportschau oder auch das Sandmännchen seien erloschen. „Wenn Demokratie funktionieren soll, haben öffentlich-rechtliche Medien den Auftrag, irgendwie eine gemeinsame Welt zu erhalten“, so Rosa. Immer weitere Spartensender zu schaffen, um so unterschiedliche Gruppen getrennt voneinander zu bedienen, sei da nicht hilfreich.
Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Otfried Jarren hat daher das Konzept des öffentlichen Medienhauses entwickelt. „Um auf geänderte Anforderungen adäquat reagieren zu können, bedarf es Informationen aus einer Hand“, sagte Jarren in Mainz. Statt mit inkrementellen Reformen alles weiter zu verkomplizieren, schlug er vor, eine einzelne öffentlich-rechtliche Anstalt zu schaffen. Diese solle sich auf die Bereitstellung geprüfter Informationen konzentrieren und dazu weitgehende Handlungsfreiheit von der Politik erhalten. Auch schlanke, aber professionalisierte Aufsichtsstrukturen seien dringend nötig, um schnelle Effizienzgewinne zu erreichen.
Der Ball liegt also bei Ministerpräsidentin Dreyer und ihren Amtskollegen. Viel würde über die Höhe der Beiträge gesprochen, beklagte die SPD-Politikerin bei den Bitburger Gesprächen. Das sei aber falsch. „Stattdessen müssen wir mehr darüber reden, welchen Auftrag der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben soll.“ Ihr schwebten vor allem drei Dinge vor: ein breiteres Angebot für junge Menschen, eine größere Innovationsbereitschaft und eine verstärkte Kooperation.
Der Medienrechtler Matthias Cornils warf ein, dass auf einzelne journalistische Fehlleistungen auch die Politik keinen Zugriff habe. Möglicherweise, so seine Vermutung, würden deshalb immer wieder Ersatzdiskussionen geführt. Eine Renaissance von Lagerfeuerformaten erscheine ihm „vollkommen illusorisch“, sagte er. Stattdessen müssten die Öffentlich-Rechtlichen ihren Platz in einer veränderten Umgebung finden. Einer Umgebung, in der auch das Privatfernsehen weiter überleben können muss. Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender eines Verbands privater Medien, zeichnete ein düsteres Bild von deren wirtschaftlicher Lage. Die Werbeeinnahmen seien in den vergangenen drei Jahren um ein Viertel eingebrochen, Pläne für ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel und eine Reform der Filmförderung verdunkelten die Aussichten weiter.
Die 67. Bitburger Gespräche haben das Ausmaß der Herausforderung deutlich gemacht und Perspektiven aufgezeigt. Doch klar geworden ist auch, dass das Recht nur sehr weite Leitplanken vorgibt. Reformdiskussionen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden politisch, gesellschaftlich und in den Anstalten selbst geführt werden müssen. Inwiefern das gelingt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.