Der ‚galante Magister‘ und der ‚alles Zermalmende‘
Kant widmete wie sehr viele andere seiner Zeit sein Leben großteils der Philosophie. Bereits in seiner Erstlingsschrift, „Gedancken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“, schreibt er in der Vorrede, die auf seinen 23. Geburtstag datiert ist: "Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten, und nichts soll mich hindern, ihn fortzusetzen." (Kant (1747)) Heinrich Heine (1797-1856) umreißt das Leben Kants entsprechend mit den Worten: „Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben. Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. “ (Heine (1833/34)) Er fährt fort damit, ihn, der Königsberg kaum verließ, als Pedanten, nach dessen Spaziergängen man die Uhr stellen konnte,zu beschreiben. Eine Regelmäßigkeit in der Lebensführung mag charakteristisch gewesen sein. Doch ist dies sicherlich nur die eine Seite der Medaille. Zeitgenossen beschreiben, wie jeder „Tag, an dem man bey ihm aß, […] ein Festtag für seine Tischgenossen war“ (Wasiansky (1804)). Und tatsächlich gab Kant täglich Tischgesellschaften, trank Wein und plauderte mit seinen Freunden.
Wer waren Kants Tischgenossen?
Ausgestellt finden sich einige Schriften der Freunde und Schüler Kants, so etwa Theodor Gottlieb von Hippels (1741–1796) „Lebensläufe“ (1788). Hippel war Geheimer Kriegsrat der Stadt Königsberg und bekleidete mehrere wichtige Ämter. Kant hatte sich einmal an den einflussreichen Freund gewandt, mit der Bitte, seinen Einfluss geltend zu machen, da er sich durch den Gesang der Sträflinge in seinem in unmittelbarer Umgebung des Stadtgefängnisses liegenden Hauses in seiner Ruhe gestört fühlte. Dies belegt ein Dankesbrief Kants vom 19. Juli 1784, in dem es heißt:
„Ew. Wohlgeboren waren so gütig, der Beschwerde der Anwohner am Schloßgraben, wegen der stentorischen Andacht der Heuchler im Gefängnisse, abhelfen zu wollen. Ich denke nicht, daß sie zu klagen Ursache haben würden, als ob ihr Seelenheil Gefahr liefe, wenn gleich ihre Stimme beim Singen dahin gemäßigt würde, daß sie sich selbst bei zugemachten Fenstern hören könnten (ohne auch selbst alsdann aus allen Kräften zu schreien).“
Ein ebenfalls einflussreicher Königsberger war Marcus Herz (1747–1803), ein Arzt und ehemaliger Schüler Kants. Entgegen der Ansicht Kants war Herz großer Verfechter der Impfpflicht, wie er es in „An den D. Dohmeyer, Leibarzt des Prinzen August von England, über die Brutalimpfung und deren Vergleichung mit der humanen“ (1801) darlegt. Kant selbst war skeptisch aufgrund der großen Gefahren, die das Impfen seiner Ansicht nach mit sich brächte. Er schreibt:
„Wer sich die Pocken einimpfen zu lassen beschließt, wagt sein Leben aufs Ungewisse, ob er es zwar tut, um sein Leben zu erhalten, und ist insofern in einem weit bedenklicheren Fall des Pflichtgesetzes als der Seefahrer, welcher doch wenigstens den Sturm nicht macht, dem er sich anvertraut, statt dessen jener die Krankheit, die ihn in Todesgefahr bringt, sich selbst zuzieht. Ist also die Pockeninokulation erlaubt?“ (Kant (1798))
Der alles Zermalmende
Heine versäumt es nicht, den Kontrast zwischen dem vermeintlich beschaulichen äußeren Leben des Gelehrten und der Radikalität seiner Gedanken zu betonen. Zwar nannte man Kant zu Lebzeiten so durchaus den ‚galanten Magister‘, unter Philosophen war er dagegen rasch als der „alles zermalmende“ (Mendelssohn (1785)) Kant berühmt.