XX. Symposium für jiddische Studien

Jubiläum in Trier: XX. Symposium für jiddische Studien in Deutschland vom 4. bis 6. September 2017

Die Jiddistik in Trier ist ein vergleichsweise junges Fach. Unter Wiederaufnahme der Vorkriegsarbeit von Salomo Birnbaum, seit 1986 Ehrendoktor der Universität Trier, sorgte Walter Röll (vgl. Jiddistik Mitteilungen 55/56) mit seinem Ruf von Hamburg nach Trier im Jahr 1970 gemeinsam mit Erika Timm für die Etablierung der Jiddistik an der Universität. Der Schwerpunkt liegt von jeher auf dem Altjiddischen und verankert die Jiddistik damit in der Germanistik. Im Jahr 1990 wurde in Trier der erste Lehrstuhl für das Fach Jiddistik in Deutschland geschaffen; ihm folgte der zweite Lehrstuhl im Jahr 1996 in Düsseldorf.

1998 fand in Düsseldorf zum ersten Mal das Symposium für jiddische Studien in Deutschland statt. In diesem Jahr wurde das Symposium zum 20. Mal ausgerichtet. Die jährlich abwechselnd in Trier und Düsseldorf stattfindende Veranstaltung bietet sowohl etablierten als auch Nachwuchswissenschaftlern unterschiedlicher Nationalität Raum für Austausch und Diskussion. Dabei werden verschiedene Projekte zu jiddischer Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft präsentiert.

In diesem Jahr konnten die beiden Lehrstühle für Jiddistik in Trier und Düsseldorf 22 Vortragende aus Deutschland, Israel, Polen und den Niederlanden für die Veranstaltung gewinnen, die über drei Tage hinweg aktuelle Forschungsvorhaben in jiddischer und deutscher Sprache vorstellten. Das Symposium war der richtige Ort für das Gedenken an Walter Röll, der im Dezember 2016 verstorben ist. Weggefährten aus seiner langen wissenschaftlichen Laufbahn waren dankbar, ihm den zweiten Tag des Symposiums mit seinem altjiddischen Schwerpunkt widmen zu können.

Anlässlich des Jubiläums wurden zudem zwei Abendveranstaltungen der besonderen Art präsentiert:

Am Montagabend interpretierte der in Buenos Aires geborene Schauspieler Rafael Goldwaser in der Tufa beeindruckend das jiddische Theaterstück «Feter Artur«. Der von Dani Horowitz verfasste Monolog feierte 1996 in Trier seine Weltpremiere in jiddischer Sprache, ebenfalls mit Goldwaser als Darsteller. »Feter Artur« handelt vom Schriftsteller Peter Stone, einem Holocaust-Überlebenden, der dem Publikum von seinem Theaterstück berichtet, das kein Schauspielhaus aufführen lassen wolle, da es zu »theatralisch« sei. In diesem das ›Stück im Stück‹ umrahmenden Monolog erzählt der jüdische Dramatiker von seiner Zeit in Auschwitz und Theresienstadt, seinen Freunden Eddie, Karl und Martha und von seinem Onkel Arthur (»Feter Artur«), der die Familie im besetzten Prag zurückließ und nach Amerika floh. Im Zentrum des Stückes steht dabei neben dem Schrecken des Konzentrationslagers auch die Unmöglichkeit, die Erfahrungen mit Außenstehenden zu teilen. Goldwasers eindringliche und sensible Inszenierung zog das Publikum von Beginn an in ihren Bann, sein ergreifendes Schauspiel wurde mit anhaltendem Beifall quittiert.

Am Dienstagabend präsentierte der Mannheimer Journalist und Kulturredakteur Joachim Hemmerle in seinem Abendvortrag »Ohne Kompass durch Jiddischland. Feuilletonistische Plauderei über Begegnungen, Erlebnisse und Lektüre aus einem halben Jahrhundert« Streifzüge aus fünfzig Jahren seiner intensiven Beschäftigung und Erfahrung mit der jiddischen Kultur. Untermalt wurde der Bericht durch zahlreiche Archivmaterialien mit Bildern, Dokumenten und auch Audioaufnahmen, die er dem gut gefüllten Saal präsentierte. Hemmerle berichtete über gut geplante und auch unverhoffte Begegnungen mit Kulturschaffenden des Jiddischen, erzählte Anekdoten, blickte hinter die Kulissen des Kulturbetriebs und illustrierte seinen Vortrag mit seltenen Aufnahmen jiddischer Liedkunst.

Der diesjährige Büchertisch bot eine Besonderheit: Jiddische Bestände, aus einem Amsterdamer Antiquariat gerettet, fanden unter dem interessierten Publikum neue Besitzer, außerdem konnten der Trierer Universitätsbibliothek über 100 Bücher als Lückenergänzung übergeben werden. Um vielfältige Lektüren, Gespräche und wissenschaftliche Anregungen reicher verabredeten sich die Teilnehmer zu einer Fortsetzung im nächsten Jahr in Düsseldorf (3.-5. September 2018).

Maria Backes und Andreas Lehnertz, Trier

 

Das Programm in der Übersicht:

Montag:

Efrat Gal-Ed, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Bericht zum editorischen Projekt: Über die Grenze. Moderne jiddische Erzählungen (D)

Hanna Zalatar, Hochschule für jüdische Studien Heidelberg Shidekh in Peretz ́ Erzählungen »Elnt« und »Az men zogt meshuge, gleyb!« (D)

Evi Michels, Eberhard Karls Universität Tübingen Itshe-Meyer Weissenberg als moderner jiddischer Schriftsteller – biografische Notizen (D)

Daria Vakhrushova, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf »Af di vegn« von Perets Markish: Ein Rebell zwischen Modernismus und proletarischer Kunst (D)

Abendveranstaltung in der TuFa: Rafael Goldwaser, »Feter Artur« – Ein Stück von Dani Horowitz

Dienstag:

Niels Eggerz, Hebräische Universität Jerusalem Purim in Altdorf 1697 – Hintergrund und Kontext der Purimspielhandschrift aus der Sammlung von J. Chr. Wagenseil (D)

Astrid Lembke, Freie Universität Berlin Zwischen Misstrauen und Hoffnung. Werwölfe in der französischen und jiddischen Vormoderne (D)

Ewa Geller, Universität Warschau Das älteste ostjiddische Buch aus Polen: Sejfer derech ejc ha-chajim. Lublin 1613 (D)

Klaus Cuno, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Kopfzeilen Wormser jüdischer Grabsteine der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts (D)

Wulf-Otto Dreeßen, Universität Stuttgart König Salomon im Melochimbuch (D)

Oren Roman, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Kristlekhe hashpoes af Akeydes-Yitskhok in der yidisher un in der hebreisher literatur (J)

Erika Timm, Universität Trier Zibn gute yor - Noch einmal zur Vorgeschichte des Maiśebuchs (D)

Claudia Rosenzweig, Bar-Ilan Universität Ramat Gan Tsvey nisht bakante ksav-yadn mit a »historiola« (J)

Marion Aptroot, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf A bintl briv oder a brivnshteler? Di briv fun Sore bas Ayzik Shalit (J)

Simon Neuberg, Universität Trier Verter-furemung / verter-farkrimung (J)

Mirjam Gutschow, Universität Amsterdam Chaia Raismann – »Nit in golus un nit in der heem« – a yidish bukh in galkhes (J)

Abendveranstaltung: Joachim Hemmerle, Mannheim »Ohne Kompass durch Jiddischland« Feuilletonistische Plauderei über Begegnungen, Erlebnisse und Lektüre aus einem halben Jahrhundert.

Mittwoch:

Evita Wiecki, Ludwig-Maximilians-Universität München Jiddisch-Lehrbücher – Was lehren sie uns über die jiddische Sprache? (D)

Anna Rozenfeld, Universität Warschau Di shlogverter fun emes, frayntshaft un sholem. Di shprakh fun propagande in di 50-er yorn in yidishe radyo-programen. (J)

Tehilah van Luit, Amsterdam Hevel Hajoffi. Kleine Herausforderungen an die Tsni'es und der Tarjag Mitzwes in der aschkenazischen Gemeinde von Amsterdam im 18. Jahrhundert (D)

Agata Kondrat und Michał Gajek, Universität Warschau Lang andauernder Sprachkontakt und seine lexikalischen und semantischen Folgen am Beispiel der polnischen Entlehnungen im Jiddischen – Vorstellung eines Forschungsprojekts (D)

Lea Schäfer, Universität Marburg und Markus Schiegg, Universität Erlangen-Nürnberg Reflexe des Jiddischen in Patientenbriefen der Psychiatrie Kaufbeuren (D)

Ute Simeon, Universitätsbibliothek Frankfurt/Main Von Einhörnern, Greifenlöwen und fliegenden Fischen – 20 Jahre Symposium – 20 (fabelhafte) Tiere auf Druckerzeichen und Signets (D)