Niklas Luhmann

Nach dem Studium der Rechte in Freiburg (1946-1949), dem Referendariat und dem zweiten Staatsexamen arbeitete Niklas Luhmann (* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) mehrere Jahre in der öffentlichen Verwaltung, zuletzt (1956-1962) als Landtagsreferent im niedersächsischen Kultusministerium. Dort ließ er sich zum Studium der Verwaltungswissenschaft und der Soziologie an der Harvard Universität beurlauben.

Nach seiner Rückkehr wechselte er als Referent an das Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (1962-1965) und wurde 1966 als Abteilungsleiter an die Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund berufen.

Im gleichen Jahr wurde Luhmann in Münster promoviert (mit der bereits 1964 publizierten Arbeit "Funktionen und Folgen formaler Organisationen") und habilitierte sich (Titel der Habilitationsschrift: "Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung"). Seit 1968 lehrte er als ordentlicher Professor an der damals neugegründeten Universität Bielefeld, wo er 1993 emeritiert wurde.

Von 1970-1973 war er Mitglied der Kommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts. Als Mitherausgeber war er an der Gründung der Zeitschrift für Soziologie beteiligt. Im Jahre 1974 wurde er Mitglied der Rheinisch­Westfälischen Akademie der        Wissenschaften. Seine wissenschaftliche Arbeit findet ihren Ausdruck in zahlreichen Ehrungen und Gastprofessuren. An einigen ausländischen Universitäten wurde er zum Ehrendoktor promoviert: 1984 in Gent, 1988 in Macerata, Bologna, Recife und Lecce und 1993 in Louvain.

Die Trierer Ehrenpromotion, die Ihm am 28. Juni 1993 verliehen wurde, ist die erste Ehrendoktorwürde Luhmanns in Deutschland.

Luhmanns umfangreiches wissenschaftliches Schaffen begann in den 60er Jahren mit Arbeiten auf dem Gebiet der Organisation und Verwaltung und verlagerte sich zunehmend auf die Ebene der Gesellschaftstheorie. Gegenstände sind hier neben umfangreichen Werken zu allgemeinen Theoriefragen (vor allem sein 1984 erschienenes Haupt­ werk "Soziale Systeme") zunächst das Rechtssystem und das politische System, später zunehmend die Religion, das Erziehungssystem und die Soziologie der lntimverhältnisse.

Zu den jüngeren Arbeiten gehören auch Werke zur Soziologie der Wirtschaft, der Umwelt, der Risikoverarbeitung und zur Wissenssoziologie, was in den letzten Jahren zu einer neuen systemtheoretisch fundierten Theorie der Erkenntnis und einer auf dieser Basis entwickelten Wissenschaftssoziologie geführt hat.

Anknüpfend an die gesellschafts- und politikwissenschaftlichen Ansätze Talcott Parsans sucht Luhmanns Theorie vor allem neuere Entwicklungen zu nutzen, wie sie teils in Einzeldisziplinen wie etwa der Biologie, der Ökonomie oder der Psychologie, vor allem aber in übergreifenden Konstruktionen wie der allgemeinen Systemtheorie oder der Kybernetik ausgearbeitet wurden.

Mit dem Werk Luhmanns liegt eine der gegenwärtig auch international im Zentrum der sozialwissenschaftlichen Debatte stehenden Großtheorien vor. Es gibt wohl kaum eine                jüngere Veröffentlichung zu soziologischen Problemen, die nicht massive direkte oder indirekte Anleihen bei Luhmann machte oder ihn in der einen oder anderen Weise als Anreger sichtbar werden ließe. Das gleiche gilt auch für die Impulse, die Luhmanns Arbeiten auf andere Sozialwissenschaften gehabt haben: So ist sowohl in der Rechtswissenschaft als auch in zahlreichen organisationswissenschaftlichen und allgemein ökonomischen Auseinandersetzungen der Name Luhmanns nicht mehr wegzudenken.