Sprachliche Konstruktionen wirtschafts- und sozialpolitischer Krisen in der BRD von 1973 bis heute
Forschungsprojekt, gefördert durch die DFG (10/2010-10/2012)
Projektleiter: Prof. Dr. Martin Wengeler (Trier), Dr. Alexander Ziem (Düsseldorf)
Mitarbeiter: Kristin Kuck, M.A.; David Römer, M.A.; Dr. Ronny Scholz
Das Forschungsprojekt „Sprachliche Konstruktionen sozial- und wirtschaftspolitischer Krisen in der BRD von 1973 bis heute“ ist ein von der DFG gefördertes sprachwissenschaftliches Projekt zur Erforschung von Krisen-Diskursen. Seit 2010 wird unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Wengeler und Dr. Alexander Ziem in einer Längsschnittstudie untersucht und auf der Basis großer Textkorpora gezeigt, wie mit sprachlichen Mitteln sozialpolitische und wirtschaftliche Krisen in der deutschen Öffentlichkeit konstruiert und verhandelt werden. Die Leitthese lautet, dass "Krisen" nicht zuletzt diskursive Phänomene sind, die als Rechtfertigungsinstanzen für viele politische Entscheidungen fungieren und daher für die Geschichte der Bundesrepublik von großer Bedeutung sind.
Das Projekt leistet einen Beitrag zur deutschen Sprach-, Diskurs- und Mentalitätsgeschichte. In den letzten 40 Jahren wurde der wirtschafts- und sozialpolitische „Zustand der Nation“ Bundesrepublik Deutschland immer wieder als Krise erlebt. Dabei gilt jede Krise als qualitativ neuartig und besonders brisant. Stets wird das Wahrnehmen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation als „Krise“ im fachlichen und öffentlichen Diskurs konstruiert und dargestellt. Ziel des Forschungsprojekts ist es zu erforschen, wie diese Darstellung explizit oder implizit als Faktum, als ‚richtige‘ Darstellung der ‚Realität’ legitimiert und durchgesetzt wird und auf welchen normativen Geltungsansprüchen diese Rechtfertigungen aufbauen.
Methodisch kombiniert das Projekt quantitative Verfahren der Korpuslinguistik mit hermeneutisch-interpretativen Herangehensweisen.
Publikationen
Martin Wengeler/Alexander Ziem (Hg.): Sprachliche Konstruktionen von Krisen. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein fortwährend aktuelles Phänomen. Bremen 2013.
David Römer: Wirtschaftskrisen. Eine linguistische Diskursgeschichte. Berlin/Boston 2017: De Gruyter (Sprache und Wissen: 26).
Kristin Kuck: Krisenszenarien. Metaphern in wirtschafts- und sozialpolitischen Diskursen. Berlin/Boston 2018: De Gruyter (Sprache und Wissen: 33).
Martin Wengeler 2015: (Wirtschafts-)Krisen in den Printmedien. Zur öffentlichen Konstruktion von Wirtschaftskrisen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Der Deutschunterricht 67, H. 5, S. 28-38.
Martin Wengeler 2015: „Früher haben Politiker Krisen herbeigeredet, jetzt ist die Krise da.“ Linguistik als Kulturwissenschaft am Beispiel der Erforschung sprachlicher Konstruktionen von Wirtschaftskrisen. In: Michael Dobstadt/Christian Fandrych/Renate Riedner (Hrsg.): Linguistik und Kulturwissenschaft. Zu ihrem Verhältnis aus der Perspektive des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und anderer Disziplinen. Frankfurt a.M., 87-104.
Martin Wengeler/Alexander Ziem 2014: Wie über Krisen geredet wird. Einige Ergebnisse eines diskursgeschichtlichen Forschungsprojekts. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 173, S. 52-75.
Christian Kreuz/Martin Wengeler 2014: Quantitative und qualitative Methoden der Diskurslinguistik am Beispiel der sprachlichen Konstruktion von Wirtschaftskrisen. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 61, H. 1, S. 60-72.
David Römer/Martin Wengeler 2013: Wirtschaftskrisen begründen/mit „Wirtschaftskrisen“ legitimieren. Ein diskurshistorischer Vergleich. In: Martin Wengeler/Alexander Ziem (Hg.): Sprachliche Konstruktionen von Krisen. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein fortwährend aktuelles Phänomen. Bremen, S. 269-288.
Martin Wengeler/Alexander Ziem 2013: „Krisen“ als diskursgeschichtlicher Gegenstand: Zugänge, Fragestellungen, Konzepte. In: Martin Wengeler/Alexander Ziem (Hg.): Sprachliche Konstruktionen von Krisen. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein fortwährend aktuelles Phänomen. Bremen, S. 1-16.
David Römer/Martin Wengeler 2013: „Die Globalisierung ist ein ökonomisches Phänomen mit politischen Folgen“. Linguistische Diskursanalyse am Beispiel der sprachlichen Konstruktion der ‚Arbeitsmarktkrise‘ 1997. In: Zeitschrift für Diskursforschung 1, H. 2, S. 137-158.
Martin Wengeler 2013: Von „‚Wirtschaftsdemokratie‘ ist ein Begriffsbastard‘“ bis „Steuern runter macht Deutschland munter“. Zur Geschichte von Wirtschaftsdiskursen im 20. Jahrhundert. In: Sprachwissenschaft 38, H. 1, S. 71-99.
Martin Wengeler 2013: „Unsere Zukunft und die unserer Kinder steht auf dem Spiel.“ Zur Analyse bundesdeutscher Wirtschaftskrisen-Diskurse zwischen deskriptivem Anspruch und diskurskritischer Wirklichkeit. In: Ulrike Hanna Meinhof/Martin Reisigl/Ingo H. Warnke (Hgg.): Diskurslinguistik im Spannungsfeld von Deskription und Kritik. Berlin/New York, S. 37-63.
Martin Wengeler 2012: Historische Diskurssemantik. Das Beispiel Wirtschaftskrisen. In: Kersten Sven Roth/Carmen Spiegel (Hgg.): Angewandte Diskurslinguistik. Felder, Probleme, Perspektiven. Berlin, S. 43-60.
Ronny Scholz/Martin Wengeler 2012: „Steuern runter macht Deutschland munter“ und „Kriegen die Pleitebanker auch noch einen Bonus?“ Zwei Wirtschaftskrisen in Bild. In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 81, S. 155-176.
Martin Wengeler 2010: „Noch nie zuvor“. Zur sprachlichen Konstruktion der Wirtschaftskrise 2008/2009 im Spiegel. In: Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur 6., H. 2, S. 138-156.
Martin Wengeler/Alexander Ziem 2010: „Wirtschaftskrisen“ im Wandel der Zeit. Eine diskurslinguistische Pilotstudie zum Wandel von Argumentationsmustern und Metapherngebrauch. In: Achim Landwehr (Hg.): Diskursiver Wandel. Wiesbaden, S. 335-354.