Kooperation mit der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (HdP RLP)

Bachelor-Arbeiten zur Polizeigeschichte der NS-Zeit

Ein bundesweit einzigartiges Projekt in der Polizeiausbildung in Rheinland-Pfalz

Vor dem Hintergrund der spezifisch deutschen Erfahrung mit dem Missbrauch von polizeilicher Gewalt zwischen 1933 und 1945 bietet ein Projekt der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz in Kooperation mit dem Landesarchiv Speyer Studierenden die Möglichkeit, ihre Bachelor-Arbeit der Polizeigeschichte der NS-Zeit zu widmen und damit weitere Anstöße zur Sensibilisierung für Grundrechte zu erfahren. Die Studierenden erhalten damit zudem die Möglichkeit, am Ende ihres Studiums ein außerordentlich interessantes, aber auch anspruchsvolles Vorhaben zu realisieren.

Grundlage einer solchen Forschungsarbeit sind insbesondere Ermittlungsakten der Geheimen Staatspolizeistelle Neustadt/W., die von 1937 bis 1945 für den NS-Gau Saarpfalz zuständig war. Insgesamt 12.174 Akten sind von dieser Stelle im Landesarchiv Speyer erhalten geblieben, was dem Bestand zusammen mit entsprechenden Beständen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Abt. Rheinland in Duisburg (Gestapo Düsseldorf), und des Staatsarchivs Würzburg (Gestapo Würzburg) in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal verschafft. Das historische Quellenmaterial, zu dem auch Akten anderer Polizeidienststellen und Entnazifizierungsakten ehemaliger Polizisten gehören, fungiert dabei gerade aufgrund seiner bedrückenden Inhalte als Impulsgeber für die Entfaltung ethischer Urteilsbildung.

Seit 2014 haben jährlich fünf Studierende diesen Weg mit Erfolg beschritten. Am Anfang steht ein Besuch des Landesarchivs in Speyer, bei dem die Interessenten einen Tag lang Akten zu verschiedenen politischen Delikten wie „Heimtücke“, „asoziales“ Verhalten, Zugehörigkeit zu den „Ernsthaften Bibelforschern“, Verstöße von osteuropäischen Zwangsarbeitern gegen die ihnen geltenden Erlasse etc. durchsehen. Auf der Grundlage einer daraufhin erfolgenden Auswahl einer jeweiligen Thematik bearbeiten die Teilnehmer/innen diese Akten anschließend nach bestimmten Fragestellungen: Wie gingen die Polizeibeamten vor? Welche Rolle spielten Denunziationen und Anzeigen aus der Bevölkerung? Welche Rolle spielte die NS-Ideologie bei der polizeilichen Vorgehensweise? Gab es polizeiliche Ermessensspielräume? Hatten die Beschuldigten eine Chance auf Nachsichtigkeit? Welche der heute geltenden Gesetze und Vorschriften stehen einer ideologiegesteuerten, menschenverachtenden und willkürlichen Behandlung, wie sie die Gestapo praktizierte, entgegen?

Das in dieser Form in Deutschland bislang einmalige polizeigeschichtliche Forschungsangebot stößt auf großes Interesse bei den Studierenden, doch muss der Entscheidung über eine Teilnahme auch im Hinblick auf die besonderen Anforderungen, die hiermit verbunden sind, ein internes Auswahlverfahren vorgeschaltet werden. Nach Abschluss von Begutachtung und mündlicher Verteidigung der Theses werden die Arbeiten zu einem Reader zusammengefasst. In einer gemeinsamen Veranstaltung stellen die Absolventen ihre Erkenntnisse einer interessierten Öffentlichkeit und einem Fachpublikum vor. Die Präsentation vermittelt zentrale Einblicke in diese Arbeit, die auch für den schulischen Unterricht Anregungspotential enthält. [Text: Rummel/Wimmer]

(c) Thomas Grotum

Kooperationsvereinbarung mit der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz

Die Hochschule der Polizei steht seit einigen Jahren in einer Kooperation mit dem Landesarchiv Speyer zur Aufarbeitung von Gestapo-Akten aus dem Bereich Neustadt an der Weinstraße. Studierende der Hochschule der Polizei setzen sich im Rahmen ihrer Bachelor-Thesis intensiv mit der Struktur der Polizei im NS-Staat, deren Durchdringung mit der NS-Ideologie und die damit verbundenen Auswirkungen auf den polizeilichen Umgang mit Minderheiten und vermeintlichen Staatsfeinden.

Diese bundesweit einmalige Zusammenarbeit zwischen Archivverwaltung und Polizei wurde durch den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung am 20. Oktober 2020 gefestigt und für die Zukunft gesichert.

Die Vereinbarung verfolgt das Ziel, durch die polizeihistorische Forschung an der Hochschule der Polizei dazu beizutragen, ein reflektiertes und kritisches Geschichtsbewusstsein bei Polizeistudierenden zu entwickeln, das Rollenverständnis der Polizei im demokratischen Rechtsstaat zu schärfen und das Bild einer demokratischen, weltoffenen und toleranten Polizei in der Öffentlichkeit darzustellen. 

„Die Kooperationsvereinbarung mit dem Landesarchiv Speyer stellt einen wesentlichen Schritt beim Aufbau von Netzwerken mit den Hochschulen des Landes Rheinland-Pfalz, der Landeszentrale für politische Bildung, den Landesarchiven und Gedenkstätten“, erklärt Friedel Durben, Direktor der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz. [Text: Moog]

(c) HdP RLP

Erweiterung der Quellenbasis

Seit Herbst 2020 ist die Forschungs- und Dokumentationsstelle SEAL an dem Projekt beteiligt. Die 3.533 Akten der Gestapo Trier, die im französischen Militärarchiv (Service historique de la Défense in Vincennes) gefunden und dann durch das Forschungsprojekt zur Geschichte der Gestapo Trier an der Universität Trier erschlossen wurden, erweitern die Quellenbasis und erlauben es, eine weitere Region des Landes Rheinland-Pfalz einzubeziehen. Darüber hinaus stehen jetzt nicht mehr nur fünf Plätze pro Jahr, sondern pro Abschluss-Jahrgang, von denen es jedes Jahr zwei gibt, zur Verfügung. Das betreuungsintensive Projekt konnte so seine Kapazität verdoppeln.

Neben Dr. Walter Rummel, Leiter des Landesarchivs Speyer, steht nun auch Dr. Thomas Grotum, Mitglied der kollegialen Leitung der Forschungs- und Dokumentationsstelle SEAL sowie Leiter des DFG-Projekts "Gestapo: Terror vor Ort. Die Staatspolizeistelle Trier in der südlichen Rheinprovinz", zur Verfügung, um die Abschlussarbeiten an der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz zu betreuen und zu bewerten. An der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz liegt das Projekt in den Händen von Markus Moog, der seinen Vorgänger Thomas Wimmer nach 5 Jahren erfolgreicher Arbeit abgelöst hat.

Universitätspräsident und Hochschuldirektor
(c) Universität Trier

Kooperationsabkommen zwischen Universität Trier und Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz

Ab dem 16. August 2021 kooperieren die Universität Trier und die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz offiziell miteinander. Ziel dieser Zusammenarbeit ist die Stärkung der Polizeigeschichte in Forschung und Lehre sowie die Förderung eines Geschichtsbewußtseins im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von Angehörigen der Polizei in Rheinland-Pfalz. Die Kooperationsvereinbarung fixiert gemeinsame Aktivitäten, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, und sichert diese nicht nur für die Zukunft, sondern soll sie systematisch ausbauen.