VORREDE zur Festschrift für Gerhart Darmstadt aus Anlass seines 60. Geburtstages

(C) Maurice LeLoir, Benaki Museum Athen

Die weltweit erste Festschrift wurde im Barockzeitalter veröffentlicht, und zwar 1640 von dem Buchdrucker und evangelischen Kirchenliederdichter Gregor Ritzsch. Seither hat sich die Tradition herausgebildet, einem renommierten Fachkollegen und persönlich geschätzten Wegbegleiter, Vertrauten und Freund eine Sammlung von Aufsätzen zu widmen ‐ ein sog. Liber amicorum, mit dem die Wertschätzung einmal schwarz auf weiß zum Ausdruck gebracht werden soll. An diese Tradition möchte das vorliegende Buch aus Anlass des 60. Geburtstages von Gerhart Darmstadt anknüpfen.

Gerhart Darmstadt wurde, wie Georg Friedrich Händel, in Halle an der Saale geboren, und er übt jenen seltenen Beruf aus, über den Barnickels Kurzgefaßtes musicalisches Lexicon (Chemnitz 1737) schrieb: „Solche Leute, die in einer gewissen Kunst und Wissenschaft, als in der Music und dergleichen exzellieren, und andere übertreffen, heissen Virtuosi.“ Oder in den Worten des mittlerweile häufiger aufgeführten Komponisten Joseph Martin Kraus, dem Gerhart Darmstadt als Präsident der Internationalen Kraus-Gesellschaft besonders verbunden ist:

„Die musikalische Ausübung ist eine (…) Kunst, welche aus dem Abspielen vorliegender Tonstücke besteht. Es gehören dazu 1) gute Instrumenten; 2) Leute, die aus guten Instrumenten den besten Ton herauszuziehen wissen; die so viel Fertigkeit auf ihrem Instrument erlangt haben, daß sie vorliegende Stücke nach dem Takt, mit richtigen Accenten und nach dem Sinne des Komponisten abspielen können. Diese Leute nennt man Virtuosen.“ (Wahrheiten die Musica betreffend, 1779 , 33)

Als virtuosen Cellospieler und meisterlichen Interpreten der sog. Alten Musik wird man Gerhart Darmstadt natürlich nur bei seinen Konzerten, die immer auch eine Mit-Teilung sind, oder auf seinen zahlreichen CDs kennenlernen können. Doch man schaue sich allein seine Booklets an, seine detailreichen Vorworte zu Noteneditionen, oder seine musikwissenschaftlichen Aufsätze, und man wird einem beneidenswert belesenen und profunden Kenner der historischen Aufführungspraxis begegnen, ja einem Schatzgräber in der Musikhistorie.

Cello

Die Instrumente, die Gerhart Darmstadt so meisterlich beherrscht, reichen vom Barockvioloncello und dem fünfsaitigen Violoncello piccolo über das große Continuovioloncello (basse de violon, violone) bis hin zum Gitarrenvioloncell (Arpeggione) und dem klassischen Violoncello. Diesem reichhaltigen Instrumentarium wird man sicherlich nicht gerecht, wenn man es mit dem kleinen Wörtchen Cello zusammenfasst. Und so trifft man gelegentlich auch etymologisch gebildete Musiker, die ihr Instrument nicht auf eine Nachsilbe reduziert sehen wollen und auf dem Violon-“ vor dem italienischen Suffix „-cello“ bestehen.

Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm nahm dem Instrumentennamen sein drittes „o“ und trug als Lemma ein: „Violoncell“, folgendermaßen erläutert: „mit französischer aussprache von violon- und italienischer von -cell: das violoncell (sprich wiolontschell) ...jetzt oft verkürzt cello“. Die instrumentale Verkleinerung vom Violone wurde zuvor schon, etwa bei Friedrich Schiller, mit deutschem „z statt mit c geschrieben, aber mit italien. Endung“. Nur Wolfgang Amadeus Mozart sparte mit Silben nicht und erfand die scherzhafte Anrede „mein liebes violoncellchen“, fügte also der italienischen Verkleinerungsform noch eine ebensolche deutsche hinzu. Einer der ersten, der die mundfaule Variante wählte und schlicht von „Cello“ sprach, war übrigens Carl Philipp Emanuel Bach.

Begnügen wir uns also, auch wenn es gewiss noch viel zur Wort- wie auch Instrumentengeschichte zu sagen gäbe, mit der schlichten Definition von Johann Heinrich Zedler, der zwischen 1732 bis 1754 das Grosse vollständige Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste herausgab (der umfangreichsten Enzyklopädie im Europa des 18. Jahrhunderts): „Violoncello, die Basso viola und Viola de Spala, ist Italienisch und sind kleine Baßgeigen, in Vergleichung mit der grössern, mit vier, fünf, auch wohl sechs Saiten, worauf man mit leichterer Arbeit als auf den grossen Maschinen allerhand geschwinde Sache, Variationes und Manieren machen kan.“ Und wie geschwind Gerhart Darmstadt das kann, muss man einfach mal gehört haben! Auch wenn er nie im Leben das damals noch nicht so mechanisch gedachte Wort „Maschinen“ für seine Streichinstrumente wählen würde!

Liber amicorum

Die vorliegende Festschrift fühlt sich nicht dem üblichen akademischen Einheitsstil verpflichtet, sondern dem Künstler, Musikwissenschaftler und Menschen, dem sie gewidmet ist. All die Texte, Bilder, Zitate, Kompositionen- sie versammeln sich hier als bunte Gesellschaft, um auf ihre je eigene Weise die allerherzlichsten Geburtstagswünsche zu überbringen.

„So viel ist es also, was ich vorjetzo noch anführen wollen“, schloss Johann Adolf Scheibe einst seine Vorrede zu Der critische Musikus. Ich habe nun weiter nichts zu sagen, als mich gegen meine vernünftigen Leser zu bedanken, den übrigen aber die Erkänntniß der Wahrheit anzuwünschen. Hamburg, im Merz, 1738. In diesem Sinne: viel Vergnügen mit dem liber amicorum für den virtuosen Barockvioloncellisten Gerhart Darmstadt!

 

Annette Deeken                                                                                                                          Trier, zum 6. April 2012