Rekonstruktion

Bei jeder Rekonstruktion der Antike – sei sie praktisch oder theoretisch – muss von einem konkreten Quellenbefund ausgegangen werden. Für die Rekonstruktion eines römischen Handelsschiffes reichen ikonographische oder schriftliche Quellen jedoch nicht aus, da sie in der Regel plakativ und zu wenig detailgetreu sind, um hilfreiche Informationen zur Konstruktionsweise zu liefern. Hier bieten die Schiffswracks eine tiefergehende Quellenbasis. Häufig sind die Wracks aber in einem desolaten Erhaltungszustand, sodass auch hier meist nur einzelne Konstruktionsdetails ermittelt werden können, nur selten aber die Gesamtbauweise eines ganzen Schiffes fassbar wird. Eine der wenigen Ausnahmen bietet hier das Wrack „Laurons II“, dessen Backbordseite nahezu vollständig erhalten ist. Durch seinen hervorragenden Erhaltungszustand und die im Verhältnis zu anderen römischen Handelsseglern geringe Größe ist der Befund geradezu ideal für eine Rekonstruktion.

Die Grundlage des Nachbaus bildet weitgehend die Publikation des Wracks von J.-M. Gassend et al. aus dem Jahre 1984, in welcher die Konstruktion mitsamt Maßen detailliert beschrieben und graphisch umgesetzt sind. Zur Klärung offener Fragen wurden Vergleiche mit anderen Schiffswracks angestellt. Hier sind v.a. das County-Hall-Wrack des 3. Jhs. aus der Themse-Mündung zu nennen, welches ebenfalls gut erhalten ist und in Größe und Bauweise dem Wrack von Laurons II ähnelt. Ähnlichkeiten in der grundlegenden Konstruktion zeigen aber auch die deutlich älteren und sehr viel größeren Nemi-Schiffe. Anhand all dieser Informationen erstellte Ronald Bockius, der Leiter des Museums für Antike Schifffahrt in Mainz, Pläne für die Rekonstruktion. Bei der Interpretation des archäologischen Befundes leisteten die Fachkollegen vom Centre Camille Jullian in Aix-en-Provence wertvolle Hilfe.

Im nächsten Schritt wurden diese Pläne durch Mitarbeiter und Studierende der Hochschule Trier in ein digitales Model umgesetzt, seit Mai 2017 erfolgte der 1:1-Nachbau durch Mitarbeiter und Studierende des Faches Alte Geschichte an der Universität Trier. Eingebunden waren neben einem Bootsbaumeister auch immer wieder externe Helfer. So arbeiteten u.a. Praktikanten der Caritas-Werkstätten Trier, Schüler des Auguste-Viktoria-Gymnasiums und diverse Freiwillige längere Zeit am Projekt mit. Die Bauleitung lag in Händen von Marcus Altmann, der seine Stelle am Gymnasium LSH Schloss Ising reduzierte, um an seinem nunmehr vierten Schiffsprojekt mitzuwirken, sowie bei Arne Döpke, Peter Johann, Amon Traxinger und Sascha Weiler.

Die Rekonstruktion wird nach der sogenannten Shell-first- oder Mallenbauweise durchgeführt. Dabei werden in bestimmtem Abstand Schablonen (Mallen) auf dem Kiel angebracht, deren Außenkanten die Innenlinie des Rumpfes ergeben. Somit lässt sich die Rumpfform von Beginn an festlegen, die Planken werden zunächst nur provisorisch angebracht. Die bis zu 17m langen Planken wurden gedämpft. Dadurch wurde das Holz geschmeidig genug, um es der gewölbten Rumpfform anzupassen. Erst wenn der Rumpf weitgehend in Planken ausgeführt ist, wird ein inneres Skeletsystem aus starken Eichenhölzern (Wrangen und Spanten) eingefügt, welches in der Folge die Mallen ersetzt. Die Planken selbst sind durch falsche Federn untereinander und mittels Holznägeln mit dem Spantsystem verbunden (Nut- und Federbauweise). Dadurch ist der Rumpf in alle Richtungen fest und kann sich kaum verformen.

Ausgeführt wurde die Rekonstruktion aus 10 Eichen und 13 Kiefern sowie zwei Weißtannen für Mast und Rah, allesamt ein Beitrag der Stadt Trier aus deren Waldbestand.