Familienangelegenheiten: Die Entstehung einer ‘Maritime Contact Zone‘ der kolonialen Anglo-World, 1790-1840
Projektleitung: PD Dr. Eva Bischoff (Universität Trier)
Mitarbeiter: Haureh Hussein, M.A. (Universität Trier)
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit: 1. August 2021 – 31. Juli 2024
Das Projekt untersucht die Interaktionen zwischen Walfängern und Indigenen an den Küsten der „Anglo-World“ (Belich) zwischen 1790 und 1840. Das Ziel des Projektes ist es, die aus den vielfältigen sozialen, ökonomischen und kulturellen Transfer- und Austauschprozessen entstehenden Raum, eine maritime contact zone, zu rekonstruieren und globalhistorisch zu perspektivieren. Dazu fokussiert das Projekt exemplarisch auf diejenigen Beziehungen, die sich zwischen Mitgliedern führender Walfangfamilien, die gleichzeitig auch Mitglieder der Religious Society of Friends (Quäker/innen) waren, und den mit ihnen in Kontakt tretenden Māori entfalteten. Es fragt nach der Globalität des Erfahrungs- und Handlungshorizonts der am Walfang beteiligten Akteure und Akteurinnen und zeichnet am Beispiel des Walfangs die Verzahnung lokaler und regionaler Ökonomien im Zuge der sich globalisierenden Wirtschaftszusammenhänge im frühen 19. Jahrhundert nach. Es erkundet die Praktiken, durch welche die maritime Kontaktzone entstand und auf welche Weise maritime und landgebundener Ökonomien dabei miteinander verzahnt waren. Es verfolgt damit einen neuen, innovativen Forschungsansatz, der die bislang getrennt betrachteten Bereiche der Geschichte der anglophonen siedlerimperialen Expansion mit Ansätzen der New Maritime History verbindet. Methodisch greift das Projekt dabei auf die systematische und reflektierte Verschränkung unterschiedlicher Brennweiten der historischen Analyse („jeux d’échelles“, Revel) zurück, die bereits in vorangegangenen Untersuchungen der Antragstellerin erfolgreich angewendet worden ist. Die Untersuchung ruht auf einer breiten, multiarchivarischen Quellenbasis, die das Schriftgut aus Privatnachlässen und Firmenarchiven exemplarisch ausgewählter Quäker- und Māori-Familien, Berichte und Korrespondenz der vor Ort tätigen Missionare und Printmedien mit den Akten der Kolonialadministration, insbesondere des Land Claims Office, kombiniert. Die Ergebnisse des Projekts werden in einer monographischen Fallstudie festgehalten, die eine wichtige Fallstudie zur Bedeutung der maritimen Ökonomien für die Entwicklung der siedlerkolonialen Expansion im Pazifik liefern sowie am Beispiel der Walfangindustrie die transozeanischen Verflechtungen der Globalisierungsprozesse des Langen 19. Jahrhunderts aufzeigen wird. Zusätzlich werden mehrere Aufsätze für internationale, begutachtete Fachzeitschriften entstehen, welche entlang von Einzelaspekten des Projekts grundsätzliche, theoretisch-methodische Fragen einer transozeanischen Geschichte diskutieren und so einen Beitrag zur Weiterentwicklung eines gerade neu entstehenden Forschungsfeldes liefern werden. Auf diese Weise trägt das Projekt zu einer historisch informierten, kritischen Reflexion der Beziehung zwischen Mensch und Ozean bei, die angesichts aktueller Debatten um Nachhaltigkeit und Klimawandel von besonderer Bedeutung ist.
Das Projekt ist Teil der Forschungsprojekte des Trierer Instituts zur Erforschung des Transfers von Menschen, Gütern und Ideen von der Antike bis zur Gegenwart (TRANSMARE).