Ottmar Anschütz
Lebenslauf von Ottomar Anschütz
1846
16. Mai: Ottomar Anschütz wird in Lissa, in der Provinz Posen (heute Leszno, Polen), geboren.
1864-68
Anschütz erhält eine Ausbildung bei den bekannten Photographen Ferdinand Beyrich (Berlin), Franz Hanfstaengl (München) und Ludwig Angerer (Wien).
1868
Ottomar Anschütz übernimmt den Photobetrieb seines Vaters in Lissa und arbeitet als Porträtphotograph und Dekorationsmaler.
1879
Anschütz baut ein Photoatelier auf Rädern, um sein Geschäft zu erweitern.
1881
Mit dem neuen Trockenplattenverfahren erzielt Anschütz seine ersten Momentaufnahmen.
1882
Anschütz photographiert das Kaisermanöver bei Breslau (darunter den Kronprinzen); die Aufnahmen sind dank eines selbst entwickelten Verschlusses scharf. Er entwickelt eine Handkamera mit Rolltuch-Schlitzverschluß (auch Rouleau-Verschluß genannt), die Belichtungszeiten von 1/1000 Sekunde erlaubt und damit scharfe Einzelbilder von Tieren in Bewegung ermöglichen soll.
1883
Anschütz nimmt mit dem neuen Verschluß seine ersten Momentphotographien auf. Er gewinnt auf der Photographischen Ausstellung in Brüssel dafür eine Bronzemedaille.
1884
Anschütz photographiert Tauben und Schafe. Dank des Schnellverschlusses gelingen ihm Aufnahmen von Störchen im Flug, die ihn berühmt machen. Als Photograph begleitet er erneut die Kaisermanöver, die in Homberg stattfinden. Auf eigene Kosten organisiert er eine Ausstellung seiner Arbeiten im Festsaal der Kriegsakademie in Berlin und in der Kunsthalle Düsseldorf.
1885
Erste Reihenaufnahmen von Pferden entstehen mit Hilfe einer Batterie von 12, dann 24 Photoapparaten; Anschütz erhält dafür finanzielle Unterstützung vom Preußischen Kultusminister.
1886
Anschütz arbeitet im Auftrag des Kriegsministeriums am Königlichen Militärreitinstitut in Hannover an Bewegungsstudien von Pferden. Er setzt dabei 24 Apparate ein und erhält rund 100 Reihenphotographien. Anschütz veröffentlicht sein erstes Album mit lithographierten Bildern. Frühjahr: Anschütz konstruiert einen Apparat mit einer Scheibe von 1,5m Durchmesser und mit 24 Glasplatten zu 9 x 13 cm, den er elektrischer Schnellseher oder Elektro-Tachyskop nennt. Die Photoplatten, mit einer Kurbel bei einer Geschwindigkeit von 30 Bildern pro Sekunde bewegt, werden mittels einer Geisslerschen Röhre von hinten erleuchtet; so wird die Betrachtung der Bilder in kleinen Gruppen möglich.
1887
19.-21. März: Der Elektro-Schnellseher von Anschütz wird der Öffentlichkeit im Kultusministerium in Berlin vorgestellt und gilt sofort als Sensation.
Juni: Auf dem Berliner Ausstellungspark stellt Anschütz den elektrischen Schnellseher aus.
16. Juli–25. August: Im Haus am Stadtbahnbogen 21 in Berlin sehen 15.000 Besucher den Anschützschen Schnellseher. Anschließend ist er in New York, Frankfurt am Main und Dresden zu bewundern. September: Auf der Versammlung der Naturforscher in Wiesbaden präsentiert Anschütz sein neues dreischlitziges Zoetrop.
1888
Im Zoologischen Garten von Breslau nimmt Anschütz wilde Tiere auf. Im selben Jahr zieht der Photograph nach Berlin (Charlottenstr. 59). Es finden Schnellseher-Vorführungen in Brüssel und Florenz statt, zudem bis ca. 1900 in Berlin im Photogeschäft von Anschütz.
September: Anschütz baut eine Hochgeschwindigkeitskamera für die Gruson-Werke in Brückau; um den Flug der Kanonenkugel zu studieren, benutzt er den Brennebenen-Verschluß. Er setzt eine Batterie von vier Kameras ein und erhält Aufnahmen bei einer Belichtungszeit von 76 Millionstel einer Sekunde. Es handelt sich um die erste Aufnahme eines Schusses bei Tageslicht.
11. November: Anschütz erhält ein Patent für den Brennebenen-Verschluß, der von der Firma C.P. Goerz & Co. (Berlin) in ihre Apparate eingebaut und fast 30 Jahre verwendet wird.
1889
Der Schnellseher ist bei C. B. Richards & Co. in New York City zu sehen wie auch in Boston, St. Petersburg, Philadelphia, Kassel und Berlin. Anschütz beginnt mit den »Sprechenden Porträts«. Er erhält eine Silbermedaille auf der Photographischen Jubiläumsausstellung in Berlin.
1890
Die »Sprechenden Porträts« werden in Berlin und Wien (K.K. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren) gezeigt. Der Schnellseher in Trommelform für bis zu sechs Personen ist in Berlin, Wien und Weimar zu sehen. Anschütz erhält ein Patent für den Jalousie-Brennebenen-Verschluß und eines für den Schnellseher in Wundertrommel-Form mit Schlitzen, die im Bildstreifen selbst sitzen. Tänze, Fechtübungen, Akrobatik, Gymnastik sowie Pferderennen bilden die Themen seiner Reihenphotographien.
1891-93
Die Firma Siemens & Halske baut den elektrischen Schnellseher, einen Groschenautomaten, und stellt davon ca. 140 Stück her. Anschütz arbeitet für die Deutsche Reichspost und nimmt Postbeamte in Berlin auf. Zudem photographiert er Patienten im Krankenhaus.
1891
16. Mai: Siemens & Halske stellen den elektrischen Schnellseher auf der Internationalen Elektrotechnischen Messe (Frankfurt) aus. Er ist zudem in Berlin, Warschau, Amsterdam, Brüssel und New York zu sehen.
9. September: Anschütz (nun wohnhaft in Berlin, Unter den Linden 14) unterzeichnet einen Vertrag mit Joe Livingston, dem Vertreter von Schwarz & Co (New York), der die Exklusivrechte für den Schnellseher-Vertrieb für die USA erhält. Dezember: Anschütz bringt preiswerte Trommel-Schnellseher aus Pappe auf den Markt.
1892
Vorführräume für den Anschützschen Schnellseher werden in Paris, New York und Boston eröffnet. Berühmte New Yorker Vergnügungsstätten zeigen den Schnellseher: Ein Gerät steht bei Koster & Bial's Music Hall, vier in den Räumen des Eden Musée. Die Firma C. P. Goerz & Co (Berlin) bringt das dritte Modell der von Anschütz und seinem Freund Carl Paul Goerz konstruierten Handkamera heraus.
Juni: Der elektrische Schnellseher-Automat von Anschütz ist die Attraktion des Crystal Palace in London.
Juli-August: 34.000 Besucher sehen den Anschützschen Automaten-Schnellseher im Berliner Ausstellungspark.
19.Oktober: Anschütz unterzeichnet einen Vertrag mit Edgar Cohen, der die Weltrechte für den Vertrieb des Schnellsehers ersteht (außer für Deutschland, Österreich und die USA). Cohen gründet zu diesem Zweck am 12. November die Electrical Wonder Company. Dezember: An einer der besten Adressen in London, The Strand, wird ein Vorführraum für den Anschützschen Schnellseher eröffnet.
1892-93
Anschütz' Schnellseher, nun auch Electrical Wonder Automats genannt, zeigen laufende Bilder auf Verkaufsausstellungen in London, Frankfurt am Main und Berlin. Sie erregen viel Aufsehen.
1893
Mai: Der Anschützsche Automaten-Schnellseher ist auf der World's Columbian Exposition in Chicago zu sehen.
2. Dezember: Die Electrical Wonder Company gibt auf.
1894
Anschütz' Schnellseher-Automaten werden in Stockholm und Lissabon der Öffentlichkeit vorgestellt.
25., 29., 30. November: Anschütz führt im Postgebäude an der Artilleriestraße in Berlin bei öffentlichen Vorführungen mit dem Projektions-Schnellseher (über-)lebensgroße Bilder vor.
1895
22. Februar - 30. März: Anschütz gibt in Berlin öffentliche Vorstellungen im 300 Plätze fassenden Saal des alten Reichstagsgebäudes, Leipziger Straße 4.
11. Mai–13. Oktober: Auf der Italienischen Ausstellung in Hamburg werden 30 Anschützsche Elektro-Schnellseher aufgestellt. Bis zum Ende der Ausstellung begeistern sich 56.645 Besucher an seinen bewegten Bildern.
20. Juni: Anschütz photographiert die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals in Kiel. Sein englischer Kollege Birt Acres hält mit seiner Kamera die Zeremonien in Hamburg (19.6.) und Kiel auf Zelluloid fest – die ersten in Deutschland gedrehten Filme entstehen.
Juli-August: Auf der Ausstellung in Lübeck werden 12 Automaten aufgestellt, die 10.152 Personen anziehen. Weitere Schnellseher von Anschütz sind u.a. in Malmö, Lissabon und Erfurt zu besichtigen.
1896
Juli: Anschütz eröffnet eine photographische Kunstanstalt und ein Spezialgeschäft für Amateurphotographen in Berlin (Leipziger Straße 116).
1897
Die Firma von Anschütz wird in eine G.m.b.H. umgewandelt. Er veröffentlicht Bilder von der Überschwemmung im Hirschbergtal.
1898
Anschütz begleitet als Photograph Wilhelm II. und seine Familie durch Palästina. Landschaftsaufnahmen von ihm werden in Berlin ausgestellt.
1899
Als erster deutscher Photograph stellt Anschütz seine Bilder auf der Kunstausstellung in Berlin aus.
1900
Auf der Photographischen Ausstellung in Berlin wird Anschütz eine Goldmedaille verliehen.
1901
Anschütz veröffentlicht im Selbstverlag Die Photographie im Hause, ein Ratgeber für Amateurphotographen.
1901-07
Anschütz sichert sich 20 Gebrauchsmuster für photographisches Zubehör (Kameraträger, Visierkorn für Bildsucher, Reflexschirm, Kassetten-Einschiebrahmen, Entwicklerapparate usw.) und acht Warenzeichen.
1904
Anschütz veröffentlicht Photographien der Marienburg in Ostpreußen.
1907
Ein neues Photoatelier und neue Geschäftsräume werden in der Potsdamer Straße 4 in Berlin bezogen. Während des Umzugs stirbt Anschütz am 30. Mai in Friedenau an den Folgen einer Blinddarmentzündung.