Das ‚tintenklecksende Säkulum‘ und die vielen Auseinandersetzungspartner Kants
Karl Moor, die Figur aus Schillers „Die Räuber“, charakterisiert sein Jahrhundert abschätzig als das „tintenklecksende Säkulum“ (Schiller (1781)). Damit trifft er einen prägenden Aspekt der Aufklärungszeit: das unablässige Schreiben!
Zum einen unterhielt man nicht-abreißende Briefkorrespondenzen, zum anderen wurden im zersplitterten Deutschland bis zum Ende des 18. Jahrhunderts an die 1.000 gelehrte Journale und Zeitungen gegründet – von Ein-Mann-Projekten mit nur wenigen Ausgaben bis zu Jahrzehnte überdauernden Großunternehmungen. Einige dieser Zeitungen erschienen gar mehrfach täglich!
Kant im Streitgespräch
Man ist versucht, große Umwälzungen Einzelpersonen zuzuschreiben, doch meistens wird ein Gedanke nicht im Alleingang entwickelt. Auch Kants Schaffen war ganz im Sinne der Zeit geprägt vom unablässigen Lesen des von anderen Gedachten, von Unterhaltungen und Scharmützeln mit gleichgesinnten Denkern, allen voran Tetens (1736-1807), Mendelssohn (1729-1786) und Garve (1742-1798).
Letzterer reagierte bspw. mit einer Rezension auf die „Kritik der reinen Vernunft“, in der er von dieser sagte, dass sie „den Verstand seiner Leser immer übt, wenn auch nicht immer unterrichtet“ (Garve (1782)). Ein hauptsächlicher Vorwurf lag in der Dunkelheit der Darstellung.
Diese Kritik war durchaus fruchtbar, regte sie nicht nur einen Jahre währenden Briefwechsel zwischen Kant und Garve an, sondern schlug sich auch im Werk des Ersteren nieder. So plante Kant etwa seine „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ zunächst als ‚Anti-Garve‘.