Saarbrücker Zeitung 07.01.08:

Aus Vitaliy wird Angela Merkel

Planspiel: Studenten simulieren EU-Außenpolitik

In der Europäischen Akademie in Otzenhausen kamen internationel 170 Studenten zusammen. Auf dem Programm stand "EuroSim 2008", ein Planspiel, das Verhandlungen im Bereich der EU-Außenpolitik nachstellte.

Von SZ-Mitarbeiterin Kathrin Werno

Otzenhausen. Nicloas Sarkozy ist gestresst: In wenigen Minuten muss die Rede fertig sein. Dennoch ist ein Lächeln für die Kamera drin. Angela Merkel hingegen kann sich relaxt zurück lehnen, ihr Meeting mit der Ratspräsidentschaft konnte rechtzeitig beendet werden. Die Namensschilder der beiden Spitzenpolitiker sind deutlich, allerdings trägt der französische Präsident rote Locken und Minirock und die deutsche Kanzlerin kurze braune Haare und Krawatte...

Wenn schon Rollentausch, dann richtig, heißt die Devise beim Simulationsspiel "EuroSim 2008", bei dem rund 170 Studenten der Politik- und Rechtswissenschaften aus Europa und den USA Verhandlungen im Bereich der EU-Außenpolitik simulieren. Politische Entscheidungsträger werden dabei von Studierenden verkörpert. Von amerikanischen Universitäten 1988 initiiert, findet das Planspiel jährlich statt - 2008 erstmals in Deutschland in der Europäischen Akademie in Otzenhausen. Thema der dreitätigen Veranstaltung war der zukünftige Status des Kosovo.

"Wir versuchen das übliche Format von EU-Verhandlungen so exakt wie möglich zu simulieren, aber ab und an müssen wir die Realität ein wenig vereinfachen und zum Beispiel Verhandlungen und Meetings aus Zeitgründen straffen", erklärt Prof. Dr. Joachim Schild vom Fachbereich Politikwissenschaft der Universität Trier, die in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes das EuroSim 2008 mitorganisiert hat. Bereits Monate vor dem Simulationsspiel erhalten die Studenten Informationen zu ihrer Rolle im EU-Gefüge. Wie Vitaliy Kin von der Widener-Universität in Philadelphia, der in Otzenhausen Angela Merkel "spielt". "Klar ist es schwer, in die Rolle des Staatsoberhaupts zu schlüpfen eines Landes zu schlüpfen, das man gar nicht kennt", sagt der 21-Jährige, "aber mit viel Recherche über die Geschichte und aktuelle Situation konnte ich mich schon gut in die Situation reindenken. Durch diesen Perspektivenwechsel habe ich viel gelernt."

Dennoch wurde es den studentischen Merkel, Sarkozy und Javier Solana heiß, als am zweiten Tag eine fingierte Meldung über Unruhen im Kosovo und die Ermordung von EU-Vertretern die Verhandlungen unterbrachen. Ein unerwartetes Krisen-Szenario, wie es Spitzenpolitiker immer wieder ereilt. Statements für die Presse, dann Krisengespräche der verschiedenen Komitees hinter verschlossenen Türen. Was berichtet die Delegation aus dem Kosovo? Wie soll die EU reagieren? Ist ein militärischer Einsatz notwendig? Bevor über das gemeinsame Vorgehen abgestimmt wird, findet noch einmal eine Versammlung des Plenums statt. Die Stimmung ist gereizt. Der finnische Premierminister meldet sich zu Wort, es folgen Forderungen nach einem unabhängigen Staat Kosovo und danach, die Schuldigen um jeden Preis vor Gericht zu bringen. Plötzlich Getuschele: Nicolas Sarkozy alias Elena Bandarouk taucht unerwartet am Renderpult auf und spricht sich für eine klare Koordination und Einigkeit aus. Applaus. Die 19-jährige Studentin aus den Niederlanden atmet auf. Und lächelt umso lieber für die Fotografen.