Unveröffentlichtes Manuskript für den Trierischen Volksfreund

Ein Diplomat sagt niemals Nein

Trierer Studis proben im US-amerikanischen Buffalo den diplomatischen Ernstfall

Von unserer Mitarbeiterin Denise Francu

Trier. Bald ist es so weit. Studenten der Uni Trier sind auch dieses Jahr bei dem EU-Planspiel „EuroSim“ dabei. Drei Tage lang debattieren, verhandeln und feilschen 200 Studenten von beiden Seiten des Atlantiks im Nord-Osten Amerikas über EU-Themen. Dieses Jahr steht die Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung auf der Tagesordnung.

„Eurosim“ ist Spiel und Ernst zugleich. Seit 1987 bringt die Simulation den Studenten das Bürokratiemonster EU näher. Die Studenten schlüpfen in die Rollen realer EU-Politiker und Diplomaten. Traditionelle Geschlechterrollen werden hier kurzerhand außer Kraft gesetzt: Sarkozy hält eine flammende Rede in Minirock und ebenso feuerrotem Haar; Merkel trägt Schlips und Dreitagebart. Die acht Trierer Studenten repräsentieren die Delegation von Lettland. Eine kurzfristige Regierungsumbildung in Lettland hat im Vorfeld für Turbulenzen gesorgt. Neue Rollen mussten eingeübt werden. Aus dem 57-jährigen Ivars Godmanis, bisheriger Regierungschef und Hobby-Moderator beim privaten lettischen Radiosender SWH-Rock, wurde der 37-jähriger Physiker Valdis Dombrovski.
In Anzug, Schlips und Kragen geht es in die in Räumlichkeiten des Canisius College in Buffalo. Warum Amerika? Ganz einfach: Die Ursprungsidee stammt aus den USA. Im konkreten Spiel sollte amerikanischen Politikstudenten die undurchsichtigen EU-Institutionen näher gebracht werden. Das gesamte komplexe EU-Rätesystem kann selbstverständlich nicht abgebildet werden. Nur die „Regierungschefs“, „Justiz- und Innenminister“ sowie „EU-Abgeordnete“ der einzelnen Länder fliegen zu der „Brüsseler Tagung“ ein.
Thomas Siemes, wissenschaftlicher Mitarbeit, betreut die Trierer „Eurosimler“. Was gibt er seinen Studis mit auf den Weg? „Flexibilität“ lautet das Zauberwort. „Man muss etwas anbieten können. Reine „Nord-Korea-Taktik“ funktioniert nicht. Die Kunst ist es sich von dem „Schubladen-Denken“ zu lösen. Dies erfordert Aufgeschlossenheit, Spontaneität und Kreativität- alles Eigenschaften, die auf internationalen Konferenzen den entscheidenden Ausschlag geben.“ Auch in realen Verhandlungen zwischen Merkel, Sarkozy und Co. kommen Entscheidungen quasi in der Kaffee-Pause zustande. „Also raus aus dem offiziellen Rahmen“, predigt Siemes seinen Studenten. Auch die Sprache der Diplomatie will gelernt sein. „Vielleicht“, „womöglich“, „unter Umständen“ sind die Basics des Diplomaten-Jargon. Ein absolutes „No-Go“ ist das Wörtchen „Nein“: „Ein Diplomat der Nein sagt, ist kein Diplomat“, schärft Siemes seinen Schützlingen ein. Weitere diplomatische Kniffe gab es von Annamarie Bindenagel, der Tochter des ehemaligen U.S. Botschafters James D. Bindenagel höchst persönlich.
Die „lettische“ Verhandlungstaktik kann selbst redend nicht preisgeben werden. Verschwiegenheit gehört zur Diplomatie. Ein Blick in die gegenwärtige, internationale Politik lässt aber Mutmaßungen zu. Für Zündstoff wird der Ost-West-Gegensatz sorgen. Fahren die „Osteuropäer“ einen pro-amerikanischen Kurs bei der Terrorismusbekämpfung oder legen sie ihr Augenmerk auf die Grenzsicherung Richtung Russland? Wie im waren Leben beginnen die Studenten Szenarien und Verhandlungstaktiken zu entwerfen. Kriminalitätsbekämpfung- wird Polen wieder aufmucken aus Sorge um die eigenen Souveränitätsrechte? Wie werden Bulgarien und Rumänien bei der Korruptionsbekämpfung kooperieren? Und unsere „Letten“? Thema wird wohl die Nachbarschaft zu Russland sein. „Terrorismusbekämpfung - eigentlich nicht das Hautthema für uns Letten“, so Siemes, „da müsste man uns schon etwas anbieten können.“ Eben ganz der Diplomat.
Für zusätzlich Druck und nasse Hände kann eine kurzerhand eingefädelt, internationale Krise sorgen: Zum Beispiel ein Terroranschlag. Damit müssen die „hochrangigen Politiker“ rechnen. Das Flair eines Richtigen EU-Gipfels erleben, das ist es was Eurosim so reizvoll für die Studenten macht. Drei Tage Dauer-Verhandlungen gehen an die Substanz. „Zugeständnissen, „Deals“ und eine gemeinsame Erklärung wird es wohl erst gegen Ende geben. Dann wenn alle erschöpft sind“, prophezeit Siemes, „wie in der Wirklichkeit auch“. So komplex die Europäische Union auch ist: Es funktioniert - trotz 27 unterschiedlicher Staaten. Irgendwie.