Forschende der Universität Trier haben es, basierend auf einem gut erhaltenen Wrack eines römischen Frachtschiffs, bis ins Detail originalgetreu nachgebaut. Am 13. September tritt das auf den Namen „Bissula“ getaufte Schiff eine Reise nach Cannes an. Nach mehrjährigen wissenschaftlichen Mess- und Testfahrten auf der Mosel sollen im September und Oktober auf dem Mittelmeer Daten zur Leistungsfähigkeit des rekonstruierten Schiffs erhoben werden.
„Der Seehandel war ein elementarer Bestandteil der antiken Wirtschaft. Im Gegensatz zu den gut dokumentierten Landverbindungen sind die Seewege und ihre Auswirkungen auf den Handel sowie die Transportkosten erst unzureichend erforscht. Um das gesamte Ausmaß des antiken Seehandels zu verstehen, bedarf es einer genauen Analyse“, erläutert Projektleiter Prof. Dr. Christoph Schäfer die wissenschaftlichen Ziele.
Seetauglicher Handelssegler
In den vergangenen Jahren hat das Forschungsteam der Universität Trier zusammen mit Maschinenbauern der Hochschule Trier unter Leitung von Prof. Dr. Karl Hofmann-von Kap-herr mit modernster Messtechnik bereits auf der Mosel ergiebige Daten mit der Bissula gesammelt. Was der Fluss nicht bieten kann, sind jedoch die Bedingungen eines Meeres. „Mit etwa 16 Metern Länge und fünf Metern Breite ist die Bissula kein kleines Flussschiff, sondern ein seetauglicher Handelssegler. Zwar konnten wir auf der Mosel die wesentlichen Daten zu den Segeleigenschaften erheben, allerdings ist es noch wichtig, die Wirkung des Wellenschlags auf See zu messen – am besten natürlich im Mittelmeer“, erklärt Christoph Schäfer. Diese Aufgaben stehen in den kommenden Wochen in der Bucht von Cannes an, um die Erforschung des antiken Seehandels voranzutreiben. Ermöglicht wurde die Forschung auch dank der Unterstützung durch die Nikolaus Koch Stiftung.
An der französischen Küste, allerdings vor Marseille, war wohl in der Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. auch das römische Handelsschiff gesunken, dessen Wrack als Vorbild der Trierer Schiffsrekonstruktion diente. Der Nachbau erfolgte auf der Basis von Plänen und Modellen, die im Mainzer Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) und an der Hochschule Trier im Labor für Digitale Produktentwicklung und Fertigung unter Leitung des Akademischen Rats Michael Hoffmann erstellt worden waren.
Software für antike Seerouten
Ein elementarer Teil des Projekts besteht darin, die Seerouten nachzuzeichnen, auf denen die Frachtschiffe unterwegs waren. Auch dieser Frage gehen die Trierer Althistoriker mit ungewöhnlichen Methoden nach, indem sie mithilfe modernster Software, die bei weltweit renommierten Segelregatten zum Einsatz kommt, die antiken Seerouten berechnen. Junior-Professor Dr. Pascal Warnking hat hierzu mit seiner Forschung und der Verbindung von moderner digitaler Routensimulation mit betriebswirtschaftlichen Modellen einen bahnbrechenden Anstoß für das aktuelle Forschungsprojekt gegeben.
Er gehört ebenfalls zur Schiffscrew aus Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden, die bis Ende Oktober mit der Bissula auf dem Mittelmeer segeln und Daten erheben werden. „Die Bucht von Cannes bietet vor allem wegen der Windverhältnisse hervorragende Bedingungen für unser Forschungsvorhaben“, erklärt Pascal Warnking.
Verladung auf Schwertransporter
Am 13. September wird die Bissula zunächst von Trier die Mosel und die Saar hinauffahren, um im saarländischen Dillingen auf einen Schwertransporter verladen und auf dem Landweg nach Cannes transportiert zu werden. Eine Touristikfahrt erwartet die Besatzung dort beileibe nicht. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend werden Schiff und Crew in wissenschaftlicher Mission unterwegs sein. Von der touristischen Anziehungskraft und dem Glamour der südfranzösischen Filmstadt wird das Team vermutlich wenig zu sehen bekommen. Nicht ausgeschlossen ist dagegen, dass die Bissula bei ihrer wissenschaftlichen Mission unter den Luxusjachten im Hafen von Cannes zum heimlichen Star aufsteigt.