Stellungnahmen und Pressemitteilungen

Redebeitrag der IIA auf der "Nie wieder ist jetzt!"-Demonstration am 28. Januar 2024 in Trier

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Foto Demo 28.01.24
Foto Demo 28.01.24

Am 28. Januar 2024 fand in der Trierer Innenstadt eine Demonstration unter dem Motto “Nie wieder ist jetzt!” statt. Mehr als 10.000 Teilnehmer:innen versammelten sich zwischen Porta Nigra und Hauptmarkt, um angesichts der vor kurzem publik gewordenen Correctiv-Recherche gegen die “Remigrations”-Pläne der AfD und ihrer extrem rechten Verbündeten zu protestieren. Organisiert von Buntes Trier und der AG Frieden Trier, rief ein Bündnis von ca. 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gruppen und Initiativen zur Demonstration auf - darunter auch die IIA. Auf der Demonstration sprach auch IIA-Mitglied Lennard Schmidt, dessen Redebeitrag wir hier in voller Länge veröffentlichen:

„Nie wieder ist jetzt!“ Buntes Trier hat dem Protestaufruf gegen die AFD und ihre neurechten Vorfeldorganisationen diese Worte vorangestellt. Jeder kennt diese Worte, aber nur wenige kennen ihren Ursprung. „Nie wieder ist jetzt“, das war die Losung, die am 19. April 1945 die ehemaligen Gefangenen des Konzentrationslagers Buchenwald zusammenführte, um einen Schwur zu leisten, der bis heute Gültigkeit besitzen muss: „Wir werden den Kampf erst aufgeben, wenn der letzte Schuldige vom Gericht aller Nationen verurteilt ist. – Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“

„Nie wieder ist jetzt“, dieses Mantra schafft eine Dringlichkeit, eine Unmittelbarkeit, die zum Handeln verpflichtet, die keine andere Möglichkeit als die Aktion zulässt. Und zum Handeln besteht derzeit genug Anlass! Denn 79 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz demonstrieren wir gegen eine Partei, die „Gesindel entsorgen“ will, die sich von „kulturfremden Völkern“ bedroht sieht, die brennende Flüchtlingsheime als ein Akt des Widerstandes sieht, die eine „Vernichtung der deutschen Identität“ durch einen „großen Austausch“ befürchtet, die von Faschisten, Rassisten, Antisemiten und Frauenfeinden durchsetzt ist und in der rechtsextreme Kräfte die wenigen liberalen Gegenstimmen längst systematisch ausgeschaltet haben.

Kein Zweifel, die Lage ist ernst. Fast 30% der deutschen Wähler halten eine Partei, die die massenweise Abschiebung von Geflüchteten und deutschen Staatsbürgern plant, für satisfaktionsfähig. Sollte diese Partei in den kommenden Wahlen siegen, dann werden sie systematisch linke Strukturen zerschlagen, zivilisatorische Errungenschaften torpedieren, regressive Gesetzesvorhaben durchdrücken, die Forschung einer kruden Nützlichkeitsideologie unterwerfen und selbstverständlichen an ihren Abschiebeplänen arbeiten. Viele sind hier, weil sie entsetzt waren von den Enthüllungen des Correctivs, doch wer in den letzten Jahren die AFD verfolgt hat, für den beinhalteten die Geheimberichte nichts Neues. Wie so oft in der Geschichte sagen die Rechten uns offen ins Gesicht, was sie denken und wie sie handeln werden. Rene Springer, Bundestagsabgeordneter der AFD sagte unmittelbar nach Veröffentlichung des Papiers: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen“. Millionen Menschen haben nun in den letzten Wochen demonstriert gegen diese Politik und damit bewiesen: Die Lage ist ernst, aber alles andere als hoffnungslos.

Doch diese Millionen Menschen hat man in den letzten Wochen schmerzlich vermisst, als Jüdinnen und Juden in Deutschland die Opfer von antisemitischen Übergriffen in der Folge des 7. Oktobers wurden. „Nie wieder“, das war auch die Forderung, die die jüdischen Gemeinden an die deutsche Zivilbevölkerung gerichtet hatten, die wieder einmal dabei zusehen, wie antisemitische Mobs gegenüber Jüdinnen und Juden übergriffig wurden. Die dabei zusahen, wie Fensterscheiben eingeschmissen wurden, wie Hakenkreuze an jüdische Geschäfte geschmiert wurden, wie Jüdinnen und Juden auf offener Straße bedroht und misshandelt wurden. „Nie wieder“, das rief man uns zu, doch wir wollten wieder einmal nicht zuhören. Die Protestrufe der jüdischen Gemeinden blieben unerhört – ein Massenprotest, der nun erfreulicherweise nach den Enthüllungen sich formiert, blieb aus.

Mit welcher Berechtigung also bemächtigen wir uns dieser Phrase nun, wenn wir zwar gegenüber der AFD so laut werden, aber in den vergangenen Wochen geschwiegen haben. Hier zu sprechen, das kostet mich keine Überwindung. Ich kann mir sicher sein, dass meine Aussagen von tausenden Menschen beklatscht und bejubelt werden. Mut hätte es gekostet, auch dann auf die Straße zu gehen, wenn geifernde Antisemiten eine Gegendemonstration bilden, während sie dort oben gestanden und gerufen haben: „Ich schneide euch den Kopf ab!“. Wer gegen Faschismus auf die Straße geht, wer als Kämpfer gegen Antisemitismus auftreten will, der muss jeden Faschismus gleichermaßen verurteilen. Nicht nur den von rechten Parteien, sondern auch gegen die faschistische Hamas. "Nie wieder" muss auch heißen: Gegen jeden Antisemitismus!

Hier, im Kreis von tausenden wähnen wir uns als Widerstandskämpfer gegen eine nationalsozialistische Machtergreifung. Hat man damals noch berechtigterweise über eine Jana aus Kassel gelacht, vergleichen sich nun Demonstranten unironisch mit Sophie Scholl oder wähnen sich im Widerstand gegen eine faschistische Machtübernahme. Sie bestellen Zeitzeugen auf die Demonstrationen, damit diese ihnen versichern können, dass sie nun ganz anders handeln, als ihre Großeltern.
Diesen Menschen sei gesagt: Der Schwur von Buchenwald ist nicht nur eine Aufforderung zum Handeln, sie ist auch eine Aufforderung zum Denken. Sie ist der Auftrag, die Faschisten nicht nur unmittelbar zu besiegen, sondern mit einer Kritik des Faschismus bis ins Herz einer Gesellschaft vorzudringen, die den Faschisten den Weg bereitet hat. Und eine solche Kritik benötigt vor allem eins: Wissen um den Gegenstand, den sie betrifft. Die Kritik der Gesellschaft ist nichts, was aus dem Bauch heraus entsteht, sondern aus dem Hirn.

Die Männer und Frauen, die in Buchenwald ihren Schwur abgeleistet haben, wussten was Widerstand ist. Die Möglichkeit "Nie wieder" aussprechen zu können, haben sie mit ihrem eigenen Blut erkauft. Noch bevor Buchenwald befreit werden konnte, überwältigten die Gefangenen die SS-Wachmannschaften. Für ihre Befreiung hatten diese Menschen selbst gesorgt, genau so wie sie im Lager Frauen und Kranke beschützt, Kinder gerettet haben.
Wer über den Judenmord nicht reden will, der soll auch zur AFD gefälligst schweigen!

Lasst uns also auf Jüdinnen und Juden zugehen, sie einbegreifen in diese Proteste, ihre Sorgen und Ansprüche ernst nehmen, denn nur so schaffen wir eine Welt, wie sie sich die Männer und Frauen in Buchenwald sie gewünscht hätten.

Redebeitrag der IIA auf der Kundgebung "Gemeinsam für die Demokratie" am 15. Januar 2024 in Trier

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Man braucht niemandem mehr zu erklären, wie gefährlich die AfD ist. Wie gefährlich sie nicht nur für das Leib und das Leben von Menschen ist, sondern auch für das Konzept der Demokratie überhaupt. Jeden Tag entsteht hier oder dort eine neue Initiative gegen Rechts, wird ein neuer Verein für Demokratie in die Wiege gehoben, ein neuer Experte für Antifaschismus. Seit Jahren wiederholen diese zivilgesellschaftlichen Akteure gebetsmühlenartig, was jeder der hier Anwesenden sowieso schon weiß und wusste: Die AfD ist eine faschistische Partei, die von Rassist:innen, Antisemit:innen und Sexist:innen durchsetzt ist. Jeder, der sich darüber aufklären lassen wollte, hatte genug Zeit und Möglichkeit dazu. Jeder, der die AfD trotzdem noch wählt oder sie verharmlost, der tut es bewusst, weil er ihre Politik gutheißt oder sich für ihre Konsequenzen nicht interessiert.

Wenn wir jedoch alle gewusst haben, dass die AfD eine faschistische Partei ist, woher stammt dann die plötzliche Überraschung darüber, dass eine rassistische Partei tatsächlich umzusetzen versucht, was sie seit Jahren ankündigt? Haben wir denn den AfDler:innen gar nicht zugehört? Sie sagen es uns doch offen, jeden Tag. Im Fernsehen, bei Instagram, bei Twitter, bei YouTube. Dass sie Menschen nach rassistischen Kriterien für ersetzbar, für entledigen halten. Dachten wir, die meinen das nicht ernst? Haben wir insgeheim gehofft, dass sich das Problem ohnehin irgendwann von selbst auflöst?

Ich denke, für solcherlei Hoffnung ist es zu spät, doch dürfen wir uns von Angst und Wut nicht dumm machen lassen. Von uns gefordert ist eine Kritik, eine radikale Kritik, und die ist immer schmerzhaft.

Denn unsere Kritik, die muss mitten ins Herz dieser Gesellschaft zielen, auf den gesellschaftlichen Nährboden, auf dem die Pläne der Faschist:innen gedeihen können. Die ekelhafterweise als Rückführung bezeichnete geplante Abschiebung von Menschen in genau die Ländern, vor deren Zuständen sie geflohen sind, ist doch neuerdings in aller Munde - nicht nur in denen von der AfD. Auch andere Parteien gehen neuerdings damit hausieren, dass sie Menschen zurück in die Hölle schicken wollen, aus der sie gerade erst entstiegen sind.

Gerechtfertigt wird dies immer wieder mit dem “importierten Antisemitismus” oder einer Solidarität mit Israel. Dass man in den letzten achzig Jahren keinen importierten Antisemitismus gebraucht hat, um Jüdinnen und Juden in Deutschland das Leben schwer zu machen, sie zu drangsalieren und zu ermorden, interessiert diejenigen, die von Abschiebung reden, herzlich wenig, genauso wie ihnen auch der Schutz jüdischen Lebens ein bloßes Instrument zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ist. Nachdem man seit Jahrzehnten die Bitten und Bedürfnisse der jüdischen Gemeinden gekonnt ignoriert hat, fordert man nun ein Bekenntnis zu Israel, um deutscher Staatsbürger oder Staatsbürgerin werden zu können. In einem Land, in der die sogenannte Kritik an Israel noch immer die vornehmste Diskurseigenschaft ist, ein grausamer Witz ohne Pointe. 

Wir stellen uns klar gegen Abschiebung. Wer die Deportation von geflüchteten Menschen oder deutschen Staatsbürgern mit Rekurs auf Auschwitz zu rechtfertigen versucht, der ist ein Feind der freien Gesellschaft und redet den Faschist:innen der AfD nach dem Mund.

Statement der IIA zu einem antisemitischen Graffiti auf dem Campus der Universität Trier

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In der Nacht vom 9. auf den 10. Januar wurde an der Wand des Mensa-Gebäudes der Universität Trier gut sichtbar ein Graffiti angebracht, welches über den Schriftzug "Stoppt den Genozid in Gaza" Bezug auf den aktuellen Krieg im Nahen Osten nahm, der durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen wurde. Der Begriff des Genozids, der hier verwendet und in diesen Tagen des Öfteren von palästinensischen und postkolonialen Aktivist:innen als Vorwurf gegen Israel vorgebracht wird, wird von den Vereinten Nationen definiert als "die Absicht [...], eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise auszulöschen". Während nun die Hamas und andere islamistische Gruppen oder Staaten wie der Iran durchaus die völlige Auslöschung des Jüdischen Staates zur obersten politischen Maxime erklärt haben und sich dies auch in ihren Chartas und Aussagen ihrer Führer widerspiegelt, kann die Bezeichnung des Vorgehens Israels im Gazastreifen zum Zwecke seiner Selbstverteidigung als Genozid nicht anders gedeutet werden denn als Versuch der Dämonisierung Israels und damit als eine Form des israelbezogenen Antisemitismus.

Das anarchistische "A", welches für das Graffiti im Wort "Gaza" genutzt wurde, verweist auf den politischen Hintergrund der Täter und stellt die Aussage damit in eine lange Kontinuitätslinie des linken Antisemitismus. Bereits 1969 schrieb die linksradikale Gruppe "Tupamaros Westberlin" in einem Statement: "Aus vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen". Diese Täter-Opfer-Umkehr nutzten die Tupamaros, um einen Terroranschlag auf das Jüdische Gemeindehaus am Jahrestag der Reichspogromnacht zu legitimieren. Dieser Fall zeigt, dass die in Bezug auf Israel vorgebrachte unreflektierte Nutzung des "Genozid"-Begriffs zum einen die nationalsozialistische Barbarei der Shoa relativiert und verharmlost, zum anderen aber auch einer Schuldumkehr dient, die das gewaltsame Vorgehen gegen Jüdinnen und Juden entweder als Individuen oder in der Gestalt Israels zur humanistischen Notwendigkeit erklärt.

Wir sprechen uns in aller Deutlichkeit gegen solche Versuche der Erringung von Deutungshoheit aus und begrüßen die schnelle Intervention der Universität, die sich nicht nur vor einigen Wochen in einer Resolution des Senats gegen jeden Antisemitismus positioniert und mit Israel solidarisiert hat, sondern auch das Graffiti an der Mensa-Wand innerhalb weniger Stunden überhangen hat.

Dennoch sehen wir uns in der Pflicht, auch als Studierende sichtbar gegen Antisemitismus auf dem Campus aufzustehen, denn für jüdische Studierende ist ihre Studienzeit spätestens seit dem 7. Oktober von antisemitischen Erfahrungen und Unsicherheitsgefühl am Campus geprägt. Daher werden wir in Kürze eine Kundgebung auf der Forumsplatte durchführen, um unsere Solidarität klar und deutlich zu zeigen. Weitere Infos zum genauen Termin werden wir über unsere Kanäle mitteilen.

Gegen jeden Antisemitismus - auch an der Universität Trier!

Redebeitrag der IIA auf der Solidaritätskundgebung für Israel am 11. Oktober 2023 in Trier

Redebeitrag IIA

Am Samstag, den 7. Oktober, überfielen bewaffnete Einheiten der Terrormiliz Hamas aus dem Gazastreifen heraus Israel. Der Angriff musste von langer Hand geplant worden sein und wurde selbstverständlich von den unversöhnlichen Feinden Israels, allen voran dem Iran, eifrig unterstützt.

Durch das Überraschungsmoment gelang es den Islamisten, die Verteidigungsanlagen Israels kurzzeitig zu überwinden und mehr als 1200 israelische Staatsbürger:innen zu ermorden. Doch damit nicht genug. Viele weitere wurden verwundet oder sind immer noch vermisst, andere, wie die schrecklichen Propagandabilder dieser antisemitischen Mordbrenner zeigen, wurden entführt und in den Gazastreifen verschleppt.

Wir sind heute hier zusammengekommen, um den Ermordeten dieses Terroranschlags zu gedenken, der der größte und radikalste antisemitische Anschlag seit der Shoah gewesen ist, aber auch, um zu zeigen, dass es Menschen in der ganzen Welt gibt, die solidarisch an der Seite Israels stehen. In Zeiten, in denen Solidaritätsdemonstrationen etwa in Neukölln aus Sicherheitsbedenken abgesagt werden müssen, senden wir die Botschaft, dass wir uns von den vereinigten Antisemiten in aller Welt nicht einschüchtern lassen.

Vielerorts war zu lesen, dass eine solche Parteinahme für Israel sich verbiete und dass man in einem solchen Konflikt Partei für keine Seite ergreifen dürfe. 

Dass es sich bei diesem Angriff um den neuesten Gewaltakt in einer langen Reihe von sich gegenseitig verstärkenden Gewalttaten handele und dass dementsprechend Schuld und Unschuld, Opfer und Täter, Angegriffener und Angreifer schon längst nicht mehr identifiziert werden können. 

Dass in diesem angeblichen Religionskrieg sich zwei verfeindete Gruppen eben um ein Land streiten, das beiden versprochen wurde.

Dass also in diesem Streit zweier Akteure, letztendlich beide Seiten legitime Ansprüche vertreten und man keiner Seite den Vorzug geben dürfe oder dass die Wahl einer Seite, so als würde es sich dabei um ein Fußballspiel handeln, dem persönlichen Geschmack überlassen bliebe.

Diesen Menschen sei jedoch gesagt, dass es sich hier nicht um Ringen zweiter staatlicher Akteure um Einfluss, Territorium oder Rohstoffe handelt.
Was die Hamas und ihre Verbündeten dazu antrieb, den Grenzzaun, der zum Schutz des Landes gegen antisemitische Mörderbanden dient, einzureißen und im Anschluss grauenhafteste Verbrechen an der Zivilbevölkerung zu begehen, war purer Antisemitismus, Judenhass. Der Angriff zielte nicht auf Militäreinrichtungen oder auf staatliche Institutionen, er war kein symbolischer Akt gegen die vermeintliche Ungerechtigkeit in der Welt, kein Widerstand gegen koloniale Unterdrückung und keine Verzweiflungstat der Verdammten dieser Erde. Er war ein lang geplantes und effektiv umgesetztes Pogrom an Jüdinnen und Juden, der durch einen antisemitischen Mob begangen worden ist – ganz genau so, wie es in der Geschichte bereits so oft der Fall gewesen ist.  

Wer sich also auf die bequeme Position zurückziehen will, dass alle Seiten unterschiedslos gleich seien, dem sei gesagt: Hinter diesem Pazifismus verschanzen sich die Mörder; nämlich jene Mörder, die Kinder in ihren Krippen ermordeten, Frauen vergewaltigten und vor laufender Kamera hinrichteten und gezielt junge Menschen an einem Ort abschlachteten, an dem sie alles Recht darauf gehabt hätten, in Ruhe und Frieden ihre Jugend zu zelebrieren. Auf dem Musikfestival Nova.

Warum hebe ich ausgerechnet dieses Musikfestival so hervor? Weil ich finde, dass es den Unterschied zwischen Israel und seinen Feinden so gut illustriert! Ein Musikfestival ist ein Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Herkunft, Ethnien, Geschlechter und Altersgruppen zusammenkommen, um ihrer Liebe für die Musik Ausdruck zu verleihen.

Islamisten aber hassen die Liebe und sie hassen auch das Leben. Sie hassen alles, für das ein Musikfestival steht. Freiheit, Ungezwungenheit, Lebensfreude und Freizügigkeit. Ein Musikfestival im Gaza-Streifen? Vollkommen undenkbar! 

Israel aber, so könnte man sagen, ist wie dieses Musikfestival. Israel hat als moderner, liberaler Rechtsstaat den Anspruch, ein Ort zu werden, an dem man ohne Angst verschieden sein kann. Und der Angriff der Islamisten darauf zeigt, dass ihr Angriff auf die Jüdinnen und Juden auch gleichzeitig ein Angriff darauf ist, was das Leben überhaupt lebenswert macht. Wer also davon ausgeht, dass der heimtückische Mord an Jüdinnen und Juden ihn oder sie nichts angehe, dem sei gesagt: Der Islamismus zielt direkt auf das Herz von allem, was eine liberale, kosmopolitische und freie Gesellschaft ausmacht.

Und das dröhnende Schweigen, das uns ausgerechnet aus der sonst so progressiven, sensiblen und pseudotoleranten Künstlerszene entgegenschallt, die Sprachlosigkeit in den Kreisen derer, die sonst so schnell dabei sind, Sexismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit anzuprangern – und das ist ja auch gut so –, die spricht Bände. Wer sonst immer so schnell dabei ist, gratismutig ein paar Likes und Klicks abzugreifen, wer sonst die Welt in allzu starken schwarz-weiß Kontrasten zeichnet, der fängt plötzlich hier, beim Judenmord an zu differenzieren, abzuwägen, zu mahnen und komplizierteste Argumentationen anzuführen, um das Verhalten der Hamas zu relativieren. Ihnen gilt unsere Kritik und meine Verachtung.

Unsere Hochachtung und unsere Wünsche gelten aber jenen Israelis, die jetzt ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Zivilbevölkerung Israels zu schützen. Unser Mitleid und unsere Trauer gilt den Opfern des Hamas-Terrors: den jüdischen und nicht-jüdischen Israelis, deren Leben durch Raketen und Terroranschläge in Gefahr ist, wie der palästinensischen Zivilbevölkerung, die in unmenschlicher Art und Weise als menschlicher Schutzschild missbraucht wird, um möglichst schreckliche Propagandabilder für die Hamas zu produzieren. Und unsere Solidarität gilt - nicht nur heute, sondern jeden Tage - Jüdinnen:Juden in Israel, in Deutschland und weltweit, die gerade einmal mehr um ihre Sicherheit fürchten müssen, Angst haben müssen, ihre jüdische Identität offen zu zeigen.

Wir möchten unseren Redebeitrag beschließen mit drei Forderungen an Politik und Medien:

  1. Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten „UNRWA“ muss einer Generalüberholung unterzogen werden. Die Fördersummen, die eigentlich in den Aufbau einer Infrastruktur und für die Unterstützung der Zivilbevölkerung gedacht sind, werden nicht für Krankenhäuser und Kindergärten, sondern für Gewehre und Granaten ausgegeben! Durch deutsches Geld werden in Israel auch noch achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Juden ermordet und das ist ein Skandal in einem Land, das „Nie wieder“ als Leitmotto vor sich herträgt! Mehr als jeder zehnte Euro für UNRWA kommt aus Deutschland! Wir müssen diese Finanzierung von Grund auf neu denken. Deutsche Gelder dürfen nicht dem Judenmord dienen!
  2. Deutschland muss sich von den Feinden Israels klar abwenden, wenn die vielzitierte deutsche Staatsräson vom Schutz Israels nicht bloß ein Lippenbekenntnis bleiben soll! In Teheran steht die sogenannte Israel-Restzeituhr, die herunterzählt, wie lange der Staat Israel noch existieren wird. Sollen wir uns diese Vernichtungsdrohung bieten lassen? Deutschland muss seine Appeasement-Politik gegenüber dem iranischen Regime beenden.
  3. Von der Berichterstattung über den sog. Nahostkonflikt fordern wir gut recherchierte und antisemitismusfreie Einordnungen. Die SZ spricht von einer Gewaltspirale, in der sich gleichartige Akteure gegenseitig hochschaukeln würden. Anderswo liest man davon, dass die Regierung Netanyahus die Attacken provoziert habe. Dabei wird vergessen, dass keine Politik der Welt solcher Barbarei Vorschub leistet! Der Grund für die Attacken ist antisemitischer Wahn, der sehr gut ohne Bezüge zur Realität auskommt und der unabhängig von der politischen Ausrichtung der israelischen Regierung grassiert. Was gebraucht wird, sind kompetente Berichterstatter, die in der Lage sind, die Situation richtig einzuschätzen und nicht antiisraelischen Propagandalügen auf den Leim zu gehen.

Nun bleibt nur noch zu sagen: Am Israel Chai! Das Volk Israels lebt und es wird sich auch von dieser erneuten Attacke antisemitischer Wahnsinniger nicht unterkriegen lassen!

Pressemitteilung: Ein Meilenstein für die Antisemitismusforschung in Trier. Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung feiert ihre erste Mitarbeiterstelle

PM

Im Jahr 2019 gründete sich in Trier die Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (IIA) mit der Motivation, ein Jahr später die "1. Interdisziplinäre Antisemitismustagung für Nachwuchswissenschaftler:innen" zu organisieren. Diese Veranstaltung stellte den Auftakt für die Arbeit der Initiative dar, in deren Rahmen unter anderem Formate wie die "Kulturwochen gegen Antisemitismus" oder eine Konferenz zu "Antisemitismus in der (post-)migrantischen Gesellschaft" veranstaltet wurden. Mit dem Sammelband "Antisemitismus zwischen Kontinuität und Adaptivität" erschien im Oktober 2022 außerdem die erste Publikation der IIA.

Am 1. Februar 2023 konnte ein weiterer Meilenstein des Institutionalisierungsprozesses gefeiert werden: Durch die Förderung der Nikolaus Koch Stiftung im Zuge des Projekts "Gründung eines Instituts für Antisemitismusforschung an der Universität Trier" existiert nun die erste wissenschaftliche Mitarbeiterstelle für die IIA. Diese wird in Zukunft von Lennard Schmidt, Teil ihrer Kollegialen Leitung, ausgefüllt werden: "Es ist schön, zu sehen, dass unsere Arbeit der letzten Jahre von anderen Akteur:innen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft anerkannt und gelobt wird. Wir danken all unseren Freund:innen und Unterstützer:innen und freuen uns auf eine Vielzahl spannender Projekte, die wir in den kommenden zwei Jahren angehen werden", so Lennard Schmidt.

Für 2023 plant die IIA unter anderem im Mai die zweite Auflage des Oy Vavoy!-Kulturfestivals unter dem Motto "Fußball, Judentum, Empowerment und Solidarität" sowie im Spätsommer eine Neuauflage der "Kulturwochen gegen Antisemitismus". Daneben soll das antisemitismuskritische Netzwerk der IIA innerhalb von Rheinland-Pflaz und darüber hinaus weiter aufgebaut und gestärkt werden. "Um Antisemitismus nachhaltig bekämpfen und Demokratie fördern zu können, braucht es eine institutionalisierte Antisemitsmusforschung. Diese muss sich auch tiefgreifender Grundlagenforschung widmen können, ohne von der Prekarität wissenschaftlicher Beschäftigungsverhältnisse eingeschränkt zu werden", führt Schmidt abschließend aus.

Pressemitteilung: Mord an Alexander W. – Ein weiteres Opfer rechtsextremer Gewalt

PM: Mord an Alexander W.

Gemeinsame Stellungnahme der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Rheinland-Pfalz, der Fachstelle für Betroffenenstärkung und Demokratieentwicklung – m*power und des Vereins Netzwerk am Turm. Erarbeitet mit Unterstützung der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung und der Forschungsgruppe Extreme Rechte und Rechtspopulismus in Rheinland-Pfalz | Idar-Oberstein/Bad Kreuznach/Koblenz, 12. September 2022

Wir werten den Mord an Alexander W. († 18. September 2021 in Idar-Oberstein) als rechtsextremen Terror: Der Täter gab an, damit eine Botschaft gegen die Corona-Schutzmaßnahmen senden zu wollen. Zwar waren ihm die politisch Verantwortlichen nicht greifbar, wohl aber der auf die Einhaltung der Maßnahmen bedachte Tankstellenmitarbeiter. Bereits vor der Pandemie war der Täter rechtsextrem eingestellt, sein Hass konzentrierte sich ab 2020 verstärkt auf Personen, die er für die Corona-Politik verantwortlich wähnte. Sein Denken mündete schließlich im Mord an Alexander W.

Das Schüren von Angst ist typisch für rechtsextremen Terror: Die gezielte und brutale Tat möchte der Täter verstanden wissen als Symbol eines legitimen Widerstandes gegen die angeblich illegitime Regierung und ihre Handlanger:innen. So berichtete die Polizei unmittelbar nach der Tat von mehreren Vorfällen, in denen Täter:innen Angestellte im Einzelhandel oder Bahnreisende mit Verweis auf die Tat in Idar-Oberstein bedrohten. Sie fühlten sich durch die Tat ermutigt, nun selber Gesicht zu zeigen und zu handeln.[1][2] Die Botschaft der Tat zielt auf das Schüren von Angst und Verunsicherung bei allen potenziellen Betroffenen und wirkt damit über die konkrete Tat hinaus.

„Der Mord an Alexander W. hat offengelegt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Tat und rechtem Terror ist. Der Täter wollte die Verantwortlichen für die Corona-Politik treffen, greifbar war ihm aber nur W., der als Tankstellenmitarbeiter die Corona-Verordnungen durchsetzen musste.“ (Rolf Knieper, Geschäftsführer Fachstelle für Demokratieentwicklung und Betroffenenstärkung – m*power)

Die Ermordung Walter Lübckes ruft in Erinnerung, dass auch Repräsentant:innen des Staates Opfer rechtsextremer Gewalt werden können; der Anschlag in Halle zeigt, dass zur Tat entschlossene Rechtsextreme auch beliebige Opfer in Kauf nehmen. Der Mord weist also deutliche Muster von rechtem Terror auf und reiht sich ein in eine dynamische neue Entwicklung.

Der Strafprozess zeichnete das Bild eines Täters, der sich schon vor der Corona-Pandemie in einer rechtsextremen Lebenswelt bewegt hat. Dort äußerte er Hass, Gewalt- und Vernichtungsfantasien gegenüber Migrant:innen, Politiker:innen und vermeintlichen politischen Gegner:innen. Verantwortliche Politiker:innen wollte er „in die Gaskammer schicken“ oder „an Straßenlaternen aufhängen“.[3] Die im Prozess vernommene Oberpsychologierätin des LKA sprach von der langjährigen rassistischen Gesinnung des Angeklagten und nannte seine politische Motivation als handlungsleitendes Motiv für die Tat. Als der Täter seine Waffe ergriff, handelte er in seinem Weltbild stellvertretend für viele andere, die auf „Corona-Demos“ den Resonanzraum für seine Tat bildeten.

„Wir konnten schon bei den Corona-Protesten auf den Straßen und in den diversen digitalen Gruppen beobachten, wie seit Beginn der Pandemie einzelne Menschen für die Maßnahmen verantwortlich gemacht und als Feinde markiert wurden. Nicht selten wurde dies mit Gewaltphantasien verbunden. Die Proteste waren getragen von einer sich verschärfenden Widerstandsrhetorik. Der Mord an Alexander W. zeigt deutlich, dass solche Formen von rhetorischer und digitaler Gewalt auch in reale Gewalt umschlagen können.“ (Nicola Rosendahl, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus)

Rechtsextreme finden heute auch in Online-Welten Zuspruch und technisches Knowhow. In Teilen des Internets bilden Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Misogynie, die Leugnung des menschlich beeinflussten Klimawandels und die Feindschaft zur liberalen Demokratie häufig ein Grundrauschen, das Einzelne motiviert den Entschluss zum gewaltsamen Widerstand zu treffen. Online finden sie mitunter moralische Unterstützer:innen, Sponsor:innen und Zugang zu Waffen. Eine Einbindung in rechtsterroristische Unterstützernetzwerke muss heute nicht mehr zwangsläufig persönlich erfolgen. Dies zeigen beispielsweise die Attentate in München 2016, sowie in Christchurch und Halle 2019.

Der Mord in Idar-Oberstein zeigt erneut, wie rechtsextreme Weltbilder Einzelner und die gesellschaftliche Mobilisierung Vieler auf der Straße und im Netz kaum kontrollierbare Gewalt-
Dynamiken auslösen können. In den vergangenen Jahren waren es die gesellschaftlichen Verwerfungen infolge der Pandemie; im Herbst könnte die Energiekrise als einschneidende Lebenserfahrung hinzutreten. Die Gesellschaft muss wachsam sein gegenüber den neuen drohenden Wellen rechtsextremer Wut und Gewalt.

„Der Täter hat aus seiner politischen Haltung kein Geheimnis gemacht und sogar seine Tat im privaten Umfeld angekündigt. Wichtig ist also, dass das Umfeld genau zuhört, bei menschenfeindlichen Äußerungen widerspricht und sich selbst Hilfe und Beratung einholt. Bei Gewaltphantasien und -ankündigungen muss das Umfeld die Polizei verständigen.“ (Siggi Pick, Netzwerk am Turm e.V.)

Der Mord an Alexander W. muss sowohl von Behörden als auch von Politik und Öffentlichkeit als rechtsextreme Tat gewertet und in politische Entwicklungen eingeordnet werden. Nötig ist eine verstärkte Sensibilisierung für den Wandel der extremen Rechten, auch in den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, um das Verständnis zu vertiefen für die rechtsextreme Gefährdung des Zusammenlebens. In der Aus- und Weiterbildung bei Polizei und Justiz muss das Thema auf der Höhe der wissenschaftlichen Debatte verankert werden. Dafür ist auch die Finanzierung von entsprechender Grundlagenforschung und zu rechtsextremer Gewalt in Rheinland-Pfalz notwendig. Wir schließen uns außerdem der Forderung zivilgesellschaftlicher Initiativen an, eine unabhängige Kommission einzusetzen, zur Aufarbeitung und Überprüfung möglicher rechtsextremer Morde in Rheinland-Pfalz. Ihr müssen auch Vertreter:innen der engagierten Zivilgesellschaft angehören.


Stellungnahme der IIA zu Michael Fiedrowiczs “Ohne Kampf gibt es kein Christentum” 

Stellungnahme der IIA zu Äußerungen von Prof. Dr. Michael Fiedrowicz auf Anfrage des Trierischen Volksfreundes | 30.05.2022

Bei unserer Einschätzung des von Prof. Dr. Michael Fiedrowicz verfassten Aufsatzes “Ohne Kampf kein Christentum. Ecclesia militans - eine vergessene Metapher” (In: Die Neue Ordnung, 72 (1), Februar 2018) haben wir zwei zentrale Fragen gestellt:  Zum einen ist von Bedeutung, inwieweit der Text antisemitische Stereotype und Topoi beinhaltet und verbreitet, und zum anderen, ob der Autor diese Inhalte deskriptiv im Sinne einer wissenschaftlichen Analyse wiedergibt oder selbst von ihnen überzeugt ist bzw. sie als Norm des rechtgläubigen Christen konstruiert.

Es lässt sich zunächst festhalten, dass Prof Dr. Fiedrowicz bereits zu Beginn des Textes eine manichäische Aufteilung der Welt vornimmt: “So zeigen schon die ersten Seiten der Bibel, losgelöst von historischen Bedingtheiten, die in der Weltgeschichte einander entgegengesetzten Mächte: Gott, der Messias und die Menschen auf der einen Seite, der Teufel in der Rolle des Widersachers Gottes und des Antichristen auf der anderen Seite” (Fiedrowicz 2018: 21). Der Autor vermischt hier rhetorisch mythisch-biblische Religionsgeschichte und Historiographie und deutet den Kampf zwischen “Gut und Böse” als transhistorische Konstellation, innerhalb der sich geschichtliche Phänomene ereignen. Diese Dichotomie reduziert die Komplexität der Weltgeschichte auf eine simple Gegenüberstellung von moralischen Extremen. Dabei ist die “antichristliche” Seite derart überzeichnet dargestellt, dass sie vom Rezipienten jederzeit als Projektionsfläche von negativen Empfindungen genutzt werden und ein Einfallstor für Antisemitismus darstellen kann.

Als Quellen für seine Darstellung der Widerstände gegen die Kirche führt Fiedrowicz anstelle von anerkannten historischen Belegen ausschließlich die Bibel und ihre Interpretationen durch Geistliche wie Papst Benedikt XIV./Kardinal Joseph Ratzinger oder “die Kirchenväter” an. Einer wissenschaftlichen Methodik folgt der Text unserer Meinung nach nicht, stattdessen findet eine Vermischung von Wissenschaft und katholischem Dogma statt. Dies zeigt sich nicht nur textinhärent, sondern unserer Einschätzung nach auch in Fiedrowiczs Reaktion auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der Herkunft seiner Aussagen: So betonte Fiedrowicz im Volksfreund, dass es sich bei seinen Ausführungen lediglich um indirekte Zitate aus historischen Quellen handele, die er aus formal-stilistischen Gründen nicht mit einer Fußnote habe kennzeichnen können. Dieses Vorgehen entspricht nicht den Standards wissenschaftlichen Arbeitens, die sich u.a. durch die der Nachprüfbarkeit von Quellen definiert. Zudem wirkt diese Ambivalenz wie der Versuch, sich gegen inhaltliche Kritik jeglicher Art zu immunisieren.

In Rekurs auf die zuvor angeführten Aussagen aus der Einleitung bezeichnet Fiedrowicz diesen wahrgenommenen Dualismus aus “Gläubigen” und Feinden der Kirche, zwischen Jesus Christus und Satan, als in den Evangelien “beschriebene Wirklichkeit” (ebd: 26). An dieser Stelle tritt deutlich zutage, dass der Autor nicht bloß fremde Inhalte wiedergibt, sondern selbst von der Bedeutung dieses religiösen Kampfes überzeugt ist. So führt er an: “Diese Realität auszublenden, hieße nicht, auf der Höhe moderner Wissenschaft zu sein, sondern die Tiefendimension des Kampfes zu verkennen, der jedem Getauften und der Kirche insgesamt aufgetragen ist” (ebd: 26, Herv. i. O.). Entgegen der öffentlichen Aussagen Fiedrowiczs ist der Text nicht ausschließlich deskriptiv, sondern enthält ein eindeutig normatives Plädoyer für den kirchlichen Kampf gegen ihre vermeintlichen Gegner: “Deswegen erscheint es überaus notwendig, sich auf eine Bezeichnung der Kirche zu besinnen, die heute fast vergessen scheint, aber seit Anbeginn das Selbstverständnis der Kirche zutiefst prägte. Gemeint ist der manchen noch vertraute Titel: Ecclesia militans – die streitende Kirche” (ebd: 30).

Hinsichtlich der Frage, welche dezidiert antisemitischen Stereotype und Topoi der Text bedient, ist festzuhalten, dass der Autor sowohl klassisch-antijudaistische als auch moderne antisemitische Inhalte einsetzt. Fiedrowicz zufolge “suchte Satan die entstehende Kirche durch gewaltsame Verfolgung zu vernichten, durch die anfängliche Verfolgung seitens der jüdischen Synagoge” (ebd: 23). Der Begriff der Synagoge kann mehrdeutig interpretiert werden, da das Wort nebst seiner heute gebräuchlichen Variante als Synonym für jüdisches Gotteshaus auch die Gesamtheit des Judentums meinen könnte. Die angebliche Verfolgung von Christen durch Juden erscheint durch deren Minderheitencharakter und die Rechtslage im Römischen Reich bestenfalls fragwürdig. Sicherlich mag es theologische Streitfragen zwischen Juden- und Christentum geben, dies jedoch fälschlicherweise als “Verfolgung” von Christen durch Juden zu bezeichnen, bedient in diesem Kontext klassische Narrative der Schuldumkehr. Überhaupt wird dieser vermeintliche Sachverhalt nicht als historisches Phänomen, sondern als Zeichen der Ankunft Satans gedeutet. Das Einwirken Satans zeige sich, so der Fortlauf der Argumentation, in diverser Gestalt bis heute, wodurch ‘die Juden’, wenn auch nicht immer explizit benannt, als Feinde der Christenheit dargestellt und so in der Folge auch dort, wo sie nicht explizit genannt werden, (mit)gemeint. So werden Jüdinnen:Juden im Text dadurch diffamiert, dass ihnen eine Verbindung zum “Antichristen” und dem Anbeten falscher Götzen unterstellt wird (vgl. ebd: 27). Fiedrowicz entwickelt im Verlauf des Textes argumentativ die Idee weiter, Christ:innen müssten auch gegenwärtig gegen die Feinde, die von Satan gesandt seien, vorgehen und diese aufs Ärgste bekämpfen, was er mit dem Aufbau der dichotomen Weltsicht zu Beginn des Textes bereits als unumgänglich legitimiert hat.

Er unterstellt Jüdinnen:Juden neben dem verbalen Vorgehen gegen Christ:innen sogar eine gewaltsame Aggression, für die es keinerlei historische Belege gibt: “In den Zeiten des Antichrist, da ‘die Erde in seine Hände gegeben sein wird’ und er die Weltherrschaft erlangt hat (vgl. Offb 13,7), werden sich die Gegner der Kirche – Juden, Heiden, Irrlehrer – gemeinsam gegen sie erheben, um sie nun nicht wie früher nur mit Worten, sondern mit schonungsloser Gewalt anzugreifen” (ebd: 28f.). Neben der direkten Benennung jüdischer Menschen als Feind:innen des Christentums verwendet Fiedrowicz zahlreiche antisemitische Topoi. So werden zum Beispiel ‘die Juden’ als treibende Kraft hinter Säkularisierung und Laizismus in Europa vermutet, wodurch traditionelle Beziehungen zwischen Mensch und Gott sowie Traditionen und Werte aufgebrochen werden: “‘Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche’: der Empörungsschrei der jüdischen Hohepriester [...] ist geradezu durch den fehlenden Gottesbezug in die Präambel der europäischen Verfassung eingeschrieben, sozusagen als ideologischer Laizismus” (ebd: 29). In diesem Kontext richtet sich Fiedrowicz beispielsweise gegen die sogenannte “Gender-Ideologie” (ebd: 25), welche in die Verschwörung gegen das Christentum und die Institution der Ehe eingebettet sei. Des Weiteren sieht der Autor das Christentum durch “entschieden anti-christliche Strömungen bedroht, die auf verschiedenen Ebenen agieren: UN-Resolutionen, EU-Beschlüsse, sogenannte Nicht-Regierungsorganisationen, nationale Gesetzgebungen, bestimmte Parteiprogramme, Medienpropaganda, Bildungseinrichtungen und anderes mehr” (ebd: 30). An dieser Stelle lässt sich eine explizit anti-demokratische Ideologie bei Fiedrowicz erkennen, die selbst die EU und die UN als von einer Verschwörerelite unterwandert sieht. Auch das im modernen Antisemitismus gerne verwendete Narrativ der im Verborgenen für das Böse arbeitenden und als jüdisch kontrolliert geltenden Freimaurerlogen verwendet er (vgl. ebd: 22). Ebenso nutzt er das u.a. von der Neuen Rechten propagierte Verschwörungsnarrativ einer vermeintlichen “Neuen Weltordnung”, die dem Zweck diene, durch “Lüge und Gewalt [...] die Menschen dem Weltstaat gefügig zu machen. Wo die Verführung des Geistes durch Propaganda nicht gelingt, wird Gewalt zum Einsatz kommen” (ebd: 29). Diese dystopisch-apokalyptische Vorstellung von einem gewalttätigen, totalitären Weltstaat ist seit den “Protokollen der Weisen von Zion” ein beständiges  Element im Repertoire von Antisemit:innen.

Zusammenfassend  bleibt festzuhalten, dass Michael Fiedrowicz in seinem Text antisemitische Topoi bedient und sich dezidiert anti-demokratisch äußert, all dies angetrieben von der Vorstellung eines Schicksalskampfes zwischen Satan und Jesus Christus. Innerchristliche Konflikte und Krisen wie die gegenwärtige Problematik der Kirchenaustritte werden vollständig auf von Satan beeinflusste feindliche Mächte projiziert (vgl. ebd: 30).  Er unterlässt es außerdem, eine Trennung zwischen den Texten anderer Geistlicher und seiner eigenen Einschätzung vorzunehmen, wodurch der gesamte Text als verschwörungsideologisch-antisemitisch motivierter Aufruf des Autors zum religiösen Kampf gegen die Feinde der Kirche betrachtet werden muss. Ein solcher ist nicht tragbar und verbietet sich im Allgemeinen, aber im Besonderen für einen Hochschullehrer, der u.a. in die Lehramtsausbildung involviert ist.

Diese Kritik haben wir in den letzten Wochen immer wieder im Kontext unterschiedlicher Vorträge (Haus des Jugendrechts, Wissenschaftliche Bibliothek, Stadtbücherei Trier etc.) öffentlich vertreten. Nun hat uns das Bistum eingeladen, auf einer Veranstaltung der Theologischen Fakultät einen zehnminütigen einführenden Vortrag über Antisemitismus zu halten. Ursprünglich war von Seiten des Bistums angedacht, dass der Vortrag einen einführenden Charakter zum Gegenstand des Antisemitismus im Allgemeinen haben soll. Da wir die Ansicht vertreten, dass in diesem Fall ein solcher Vortrag dem Problem nicht gerecht wird, haben wir die Bedingung gestellt, den Vortrag dezidiert auf Herrn Prof. Dr. Fiedrowicz und seine antisemitische Rhetorik zuzuschneiden.

Eine solche Veranstaltung wie jene, der wir am 21.06. beiwohnen werden, birgt aufgrund von Begrenzungen in Zeit und Teilnehmer:innenzahl nur die Chance zum Beginn einer Auseinandersetzung mit Antisemitismus an der Theologischen Fakultät und seinem Träger, dem Bistum Trier, und darf nicht der Endpunkt einer Reflexion sein: Denn Fiedrowicz ist für uns nicht mehr als ein Symptom struktureller Probleme innerhalb der katholischen Kirche. Noch stärker als Prof. Dr. Fiedrowicz selbst sind es dementsprechend strukturelle Fragen, die in den Mittelpunkt der Debatte gerückt werden müssten: Wie konnte Fiedrowicz überhaupt die Publikation eines antisemitisch argumentierenden Texts innerhalb einer Zeitschrift mit wissenschaftlichem Anspruch gelingen? Wieso blieben seine Ansichten so lange unbemerkt bzw. unwidersprochen? Welche Anteile der christlichen Dogmatik sind vor dem Hintergrund der langen Geschichte des christlichen Antijudaismus weiterhin anschlussfähig für Antisemitismus?

Auch wenn wir Kritik am Vorgehen des Bistums und der Theologischen Fakultät haben, schlagen wir die Einladung aufgrund unseres Selbstverständnisses als aufklärende Initiative nicht aus und werden die antisemitischen Äußerungen Fiedrowiczs am Ort seines Wirkens klar benennen. Dennoch gilt, dass wir die Kürze des Vortrags sowie die Einbindung in diesen Veranstaltungskontext als unzureichend betrachten, um den Fall tatsächlich aufzuarbeiten. Davon, dass das Bistum die Brisanz des Falls Fiedrowicz weiterhin verkennt, zeugt auch die Replik an den Volksfreund, in der der Verweis auf Fiedrowiczs Befürwortung eines interreligiösen Dialogs als Beweis für seine angeblich antisemitismuskritische Gesinnung herhalten muss.

Der Fall ist somit ganz und gar nicht “abgeschlossen”. Wir erwarten von Bistum daher, dass im Anschluss an die Veranstaltung eine dezidierte Aufarbeitung des Falls stattfindet, die die oben genannten Fragen zum Anlass einer umfassenden Reflexion nimmt.